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MENAWasser und Umwelt / Wasserversorgung, Bewässerung / Land- und Forstwirtschaft, übergreifend
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Branchen | MENA | Wasser und Umwelt
25.11.2020
Von Michael Monnerjahn | Bonn
Mit einem Anteil von über 80 Prozent verbraucht die Landwirtschaft in der MENA-Region mit Abstand das meiste Wasser. Trotz des hohen Wasserverbrauchs kann diese jedoch fast in keinem Land der Region den eigenen Nahrungsmittelbedarf decken. Bei Getreide gehören Ägypten und Algerien zu den weltweit drei größten Importländern und auch Marokko zählt zu den Netto-Importeuren von Getreide. Wachsende Bevölkerungszahlen, geringere Niederschläge sowie steigende Temperaturen stellen die Landwirtschaft zukünftig vor besondere Herausforderungen. Der Einsatz von wassersparender Technologie und die stärkere Nutzung von besser gereinigtem Abwasser ist daher eine wichtige Voraussetzung für die Ernährungssicherheit dieser Länder. In diesem Bereich ergeben sich vielfältige Chancen für deutsche Unternehmen.
In Ägypten verbraucht die Landwirtschaft 80 Prozent des vorhandenen Wassers, zugleich hat sie mit 12 Prozent einen relativ hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP). Ein Fünftel der Beschäftigten arbeitet im Agrarsektor, die meisten davon in kleinbäuerlichen Betrieben. Lediglich 4 Prozent der Landesfläche werden für die Landwirtschaft genutzt. Die Flächennutzung steht dabei in Konkurrenz zum Wohnungsbau. Die landwirtschaftlichen Flächen werden derzeit zu einem großen Teil geflutet. Dabei verdunstet ein Großteil des Wassers oder sickert in den Boden. Zudem baut Ägypten momentan besonders wasserintensive Pflanzen wie Reis, Rohrzucker und Bananen an, die allerdings in Zukunft durch weniger Wasser verbrauchende Pflanzen ersetzt werden sollen. Tropfbewässerung bildet bislang die Ausnahme. Entsprechend groß ist das Einsparpotential in der Landwirtschaft. Der niedrige Wasserpreis bietet jedoch zurzeit keinen großen Anreiz für einen sparsamen Einsatz. Der politische Handlungsdruck wird in den kommenden Jahren deutlich zunehmen und zu umfassenderen Reformen zwingen. Dies dürfte deutschen Unternehmen in dem Sektor große Chancen eröffnen, da deutsche Technologie grundsätzlich sehr gefragt ist.
Die Regierung in Marokko hat bereits eine Modernisierung der Landwirtschaft angestoßen. Der Sektor hat einen Anteil von 88 Prozent am gesamten Wasserverbrauch des Landes. Die landwirtschaftliche Bewässerung soll einerseits auf mehr Flächen ausgeweitet werden und andererseits deutlich effizienter werden. Pläne sehen vor, dass die mit Tropfbewässerung versorgten Flächen jährlich um 50.000 Hektar ausgeweitet werden. Außerdem werden Kanäle sowie Pumpwerke saniert und ausgebaut. Die Regierung subventioniert für die Betriebe den Einsatz von effizienter Technologie. Dabei hat sie besonders kleine und mittlere Betriebe im Blick, welche die Felder momentan noch manuell bewässern.
Die algerische Landwirtschaft verbraucht rund 60 Prozent des Wassers, was im regionalen Vergleich relativ wenig ist. Allerdings ist Algerien nach Ägypten auch der weltweit größte Importeur von Weizen. Die Regierung kündigt seit Jahren an, die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen deutlich auszubauen, hat aber bisher die Ziele verfehlt. Das Land mit den größten Erdöl- und Erdgasreserven Afrikas hat sich in Phasen hoher Erdölpreise lange Zeit kaum um die einheimische Landwirtschaft gekümmert und stattdessen viele Nahrungsmittel importiert. Fallende Erdölpreise, eine weiterhin wachsende Bevölkerung und das Schrumpfen der Währungsreserven verursachen jedoch einen zunehmenden Handlungsdruck. Derzeit werden 1,3 Millionen Hektar der landwirtschaftlichen Fläche bewässert. Durch moderne Bewässerungsmethoden könnte die Anbaufläche auf bis zu 30 Millionen Hektar ausgeweitet werden. Das Ziel, die bewässerte Fläche bis Ende 2021 auf 2 Millionen Hektar zu erhöhen, wird auf Grund bürokratischer Hemmnisse voraussichtlich nicht mehr erreicht. Sollte es der neuen Regierung gelingen, diese Hürden zu senken, könnte für deutsche Unternehmen ein sehr attraktiver Markt entstehen. Besonders im Fokus dürfte dabei zunächst die bessere Klärung des Abwassers und eine nachfolgende Verwendung in der Landwirtschaft stehen.
Auch in Tunesien hat die Landwirtschaft mit 80 Prozent einen hohen Anteil am Wasserverbrauch. Dabei werden momentan nur 8 Prozent der genutzten Fläche bewässert. Auf diesen 435.000 Hektar erzielt die Landwirtschaft jedoch 40 Prozent der Wertschöpfung. Einen größeren Einsatz von bewässerten Flächen verhindern momentan auch hohe Sickerverluste von bis zu 50 Prozent. Um die Produktion zu steigern und die hohen Sickerverluste zu reduzieren, sind effizientere Bewässerungslösungen gefragt. Die Société Nationale d’Exploitation et de Distribution des Eaux (SONEDE) will ihre Infrastruktur in Zukunft deutlich besser warten, allerdings fehlen dafür bisher die finanziellen Mittel. Derzeit wartet SONEDE jährlich lediglich 120 bis 150 Kilometer ihres insgesamt 54.000 Kilometer langen Verteilnetzwerks – 1.100 Kilometer im Jahr wären notwendig, um eine möglichst lange Lebensdauer zu gewährleisten. Ein aktuelles Projekt des für Wasser zuständigen Ministeriums sieht 140 Millionen Euro für die Erneuerung und den Ausbau der Kapazitäten vor. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert bereits eine Reihe von Projekten in Tunesien und wird ihr Engagement auf dem hohen Niveau halten. Eine mögliche Ausweitung wird derzeit geprüft.
Landwirtschaftliche Bewässerung hat in Jordanien einen Anteil von 50 Prozent am gesamten Wasserverbrauch. Immerhin besteht die Hälfte des in der Landwirtschaft verbrauchten Wassers bereits aus aufbereitetem Abwasser. Bis 2025 soll die geklärte Abwassermenge von momentan 147 Millionen Kubikmeter auf 240 Millionen Kubikmeter gesteigert werden. Dieses Wasser könnte dann zusätzlich in der Landwirtschaft verwendet werden. Da der Wassertarif bisher subventioniert wird, ist der Einsatz zurzeit nicht sehr sparsam. Ein großer Teil geht an Betriebe, die wasserintensive Pflanzensorten für den Export anbauen.
Im Libanon verbraucht die Landwirtschaft rund 60 Prozent des gesamten Wassers. Auf zwei Dritteln der Landesfläche lässt sich Landwirtschaft betreiben. Mit einer durchschnittlichen Regenmenge von 2,2 Milliarden Kubikmeter verfügt das Land über mehr Wasser als viele andere Länder in der Region. Trotz eines erheblichen landwirtschaftlichen Potentials ist der Wert der exportierten landwirtschaftlichen Waren rund fünf Mal geringer als der importierer Waren. Dieses Defizit könnte in Zukunft noch steigen. Bevölkerungswachstum, Klimawandel und hohe Verluste beim Transport führen schon jetzt zu erheblichen Problemen bei der Wasserversorgung. Eine Studie der American University of Beirut identifiziert vor allem die Korruption als erhebliches Problem im Wassersektor des Landes. So gibt es beispielsweise zehntausende illegale Brunnen im Libanon, die eine faire und effiziente Nutzung des Wassers erheblich behindern. Mehr als die Hälfte des Wassers geht in der Landwirtschaft durch Transportverluste und illegale Nutzung verloren. Der Libanon steht damit, wie auch andere Länder in der Region, vor erheblichen politischen Herausforderungen, die sich bisher negativ auf den Wassersektor allgemein und damit auch auf die ländliche Bewässerung auswirken.
Die Landwirtschaft der MENA-Region steht unter erheblichem Reformdruck. Einige Länder – wie z. B. Marokko oder auch eine Reihe von Golfstaaten – haben in den vergangenen Jahren nationale Entwicklungsstrategien in der Landwirtschaft und auch für die ländliche Bewässerung initiiert. Diese führen zu einem wachsenden Bedarf an Know-how, wassereffizienten Technologien sowie einer besseren Ausbildung. Deutsche Unternehmen sind in vielen Bereichen sehr gut aufgestellt, diesen Bedarf zu decken. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Länder bei der Umsetzung ihrer nationalen und internationalen Strategien. Deutsche Unternehmen können von diesem Engagement profitieren. In Zukunft könnten sich außerdem Kooperationen von Unternehmen im Technologiesektor, wie sie heute etwa schon mit Israel entstehen, deutlich häufiger auch in anderen Staaten ergeben.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) arbeitet seit rund zehn Jahren mit dem Arab Ministerial Water Council (AMWC) der Arabischen Liga zusammen, um die Regierungen bei der Entwicklung von regionalen und nationalen Strategien zur Anpassung im Wassersektor zu unterstützen. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Länder Jordanien, Libanon und Ägypten. Auf nationaler Ebene unterstützt das BMZ in Jordanien etwa den Aufbau kompetenter Wassergemeinschaften, welche die Wasserverteilung und die Wartung der Bewässerungssysteme eigenständig übernehmen. Die stärkere Eigenverantwortung soll die Wassernutzung flexibler, kostengünstiger und verlustfreier gestalten.
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