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Branchen | MENA | Wasser und Umwelt
25.11.2020
Von Michael Monnerjahn | Bonn
Insgesamt werden in der MENA-Region pro Jahr rund 325 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht, rund 81 Prozent davon gehen auf das Konto der Landwirtschaft, 11 Prozent verbrauchen die Haushalte und der Anteil der Industrie am Wasserverbrauch liegt bei 8 Prozent. In der Region leben etwa 5 Prozent der Weltbevölkerung, denen aber nur 0,7 Prozent der weltweit vorhandenen Frischwasserreserven zur Verfügung stehen. Schon heute verbrauchen die Länder jährlich über 50 Milliarden Kubikmeter mehr Wasser als ihnen aus nachhaltigen Quellen wie Grundwasser und Flüssen zur Verfügung steht. Der Bedarf wird mit dem Bevölkerungswachstum weiter zunehmen – Prognosen von Wissenschaftlerinnen zufolge bis zum Jahr 2050 auf voraussichtlich insgesamt 460 Milliarden Kubikmeter. Das Wasserdefizit der Region könnte dadurch auf 150 Milliarden Kubikmeter steigen. Viele Länder werden daher in den kommenden Jahren und Jahrzehnten hohe Summen zum Beispiel in die Entsalzung von Meerwasser investieren müssen, um den wachsenden Bedarf decken zu können.
Die Trinkwasserversorgung in der MENA-Region hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Inzwischen verfügen 92 Prozent der Bevölkerung über einen Wasseranschluss. Während in den Städten bereits 97 Prozent an das Trinkwassernetz angeschlossen sind, sind es in den ländlichen Gebieten erst 84 Prozent. In einigen Ländern sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land noch deutlich größer. Der Irak zählt in der Region zu den Ländern, die den größten Fortschritt verzeichnen. Die Versorgung der Bevölkerung stieg von 81 Prozent im Jahr 2000 auf 97 Prozent im Jahr 2017. Marokko konnte den Anteil der Bevölkerung mit Trinkwasserversorgung im gleichen Zeitraum von 62 Prozent auf 87 Prozent steigern. Bis zum Jahr 2030 will Marokko das Nachhaltigkeitsziel der UN erreichen und die gesamte Bevölkerung mit einem Trinkwasseranschluss versorgen. Nur der Jemen hat mit einem Anteil von 63 Prozent immer noch eine sehr schwache Versorgung, wenngleich der Ausbau seit dem Jahr 2000 mit einem Plus von 25 Prozent so hoch wie in Marokko war. Durch den derzeitigen Konflikt im Jemen ist das Ziel einer hundertprozentigen Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser jedoch nicht realistisch.
Die einzelnen MENA-Länder nutzen unterschiedliche Quellen zur Wassergewinnung. In Nordafrika kommt das Trinkwasser zu einem großen Teil aus Grundwasser oder Oberflächenwasser. Mit einem Bedarf von 77,5 Milliarden Kubikmeter im Jahr verbraucht Ägypten in Nordafrika die größte Menge an Wasser. Davon stammen 93 Prozent aus dem Nil. Neben Ägypten ist Marokko das einzige Land Nordafrikas, das über ganzjährig wasserführende Flüsse verfügt. Marokko hat in den vergangenen Jahren stark in den Bau von Staudämmen investiert. Die 139 Staudämme haben eine Kapazität von 17,5 Milliarden Kubikmeter, was mehr als dem Jahresverbrauch entspricht. Auch Algerien setzt bei der Wasserversorgung auf Staudämme. Das größte Flächenland Afrikas verfügt über 75 Staudämme mit einer Kapazität von etwa 8,5 Milliarden Kubikmeter. In beiden Ländern sind weitere Dämme im Bau. Marokko plant außerdem die Instandsetzung und den Ausbau der vorhandenen Staudämme im Land, um die Kapazitäten weiter zu erhöhen und bestehende Verluste zu minimieren.
Die deutschen Entwicklungsinstitutionen sind in einer Reihe von nordafrikanischen Ländern aktiv. In Tunesien hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die erste Meerwasserentsalzungsanlage mit einem Kredit in Höhe von 60 Millionen Euro gefördert. Die Anlage auf der tunesischen Ferieninsel Djerba hat zunächst eine Kapazität von 50.000 Kubikmeter pro Tag und kann auf bis zu 75.000 Kubikmeter pro Tag ausgebaut werden. An der Finanzierung einer zweiten Anlage wird die KfW mit einem Kredit von 82 Millionen Euro beteiligt sein. Die ägyptische Wasserversorgung wird von der KfW bereits seit den 1960er Jahren unterstützt. Durch ein besseres Wassermanagement und eine gute Ausbildung des Personals soll ein effizienterer Umgang mit den Wasserressourcen erreicht werden.
In Marokko fördert die KfW laufende Programme im Wassersektor in Höhe von 700 Millionen Euro. Marokko hat seine Wasserpolitik in den 1980er Jahren nach einer Dürrephase reformiert. Derzeit liegt der Wasserverbrauch bei geschätzten 14,5 Milliarden Kubikmeter. Bis zum Jahr 2030 wird der Verbrauch voraussichtlich auf 16,7 Milliarden Kubikmeter steigen. Um den wachsenden Bedarf decken zu können, setzt die Regierung neben der Erhöhung der Kapazitäten von Staudämmen und dem Bau von Entsalzungsanlagen auch auf die Reduzierung der Wasserverluste beim Transport. Momentan geht in den Städten rund ein Viertel des Wassers durch undichte Leitungen verloren. Dieser Anteil soll in den kommenden Jahren deutlich reduziert werden. Allein bis 2025 will die Regierung so jährlich 120 Millionen Kubikmeter einsparen.
Im Wassersektor Jordaniens ist die KfW Entwicklungsbank im Auftrag des BMZ derzeit in rund zwei Dutzend Wasserprojekten aktiv. Die Vorhaben, die derzeit betreut oder vorbereitet werden, haben einen Gesamtumfang von 877 Millionen Euro. Die KfW finanziert etwa den Austausch defekter Wasseranschlüsse und -zähler sowie die Bereitstellung technischer Unterstützung für die Wasserversorgung. Außerdem finanziert sie den Ausbau von Kläranlagen und den energieeffizienten Ausbau der Wasserversorgung und -entsorgung. Im Mittleren Osten unterstützt die KfW außerdem Projekte im Irak, Jemen, Libanon und den Palästinensischen Gebieten. Deutsche Unternehmen können sich z. B. als Anbieter von Consulting, Lieferung oder Bauleistungen an solchen Projekten beteiligen. Die Ausschreibungen sind über Germany Trade & Invest zu erhalten. Deutsche Ingenieurdienstleister haben sich bereits erfolgreich beworben.
Die geringsten Transportverluste bei der Wasserversorgung in der Region verzeichnet Israel, das neben Singapur weltweit zu den Spitzenreitern in diesem Bereich gehört. Lediglich 9 Prozent des Wassers gehen bei der Durchleitung verloren. Im Iran hingegen belaufen sich die Verluste durch den Transport auf rund ein Drittel des zur Verfügung stehenden Wassers. Die Reduzierung der Wasserverluste bei der Durchleitung stellt für alle Länder der Region ein erhebliches Einsparpotential dar.
Besondere Aufmerksamkeit werden in den kommenden Jahren die Länder erfahren müssen, die sich in jüngster Zeit in einer Konfliktphase befanden oder auch noch befinden. In Ländern wie Irak, Jemen, Libyen und Syrien ist die Wasserknappheit zwar nicht der Auslöser für Konflikte gewesen. Allerdings stellt die mangelhafte Wasserversorgung in Folge von Konflikten eine Gefahr für die Verlängerung oder ein Aufkeimen von weiteren Konflikten dar.
Eine Weltbankstudie schätzt die Kosten für die Versorgung der gesamten Bevölkerung der MENA-Region auf jährlich 3,3 Milliarden US-Dollar (US$) bis zum Jahr 2030. Während die Golfstaaten das aus eigenen Mitteln finanzieren können, sind die meisten übrigen Länder der Region auf internationale Unterstützung angewiesen. In einigen Ländern ist Deutschland bereits jetzt eines der wichtigsten Geberländer, so etwa in Jordanien der zweitgrößte Finanzgeber für den Wassersektor. Die Festlegung auf hohe Standards und Anlagen mit langer Lebensdauer, die eine energieeffiziente und nachhaltige Wasserversorgung sicherstellen, kann dabei ein Wettbewerbsvorteil für deutsche und europäische Unternehmen sein.
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