Dieser Inhalt ist relevant für:
MexikoFahrzeuge / Elektromobilität / Freihandelsabkommen (Warenursprung, Präferenzen)
Branchen
Branchen | Mexiko | Kfz
Covid-19 und das USMCA-Abkommen sind derzeit die Top-Themen der mexikanischen Kfz-Industrie. Während Corona die Aussichten verdüstert, bietet USMCA mittelfristig Chancen.
03.07.2020
Von Florian Steinmeyer | Mexiko-Stadt
Die meisten Automobilhersteller und -zulieferer in Mexiko nahmen zwischen Mitte Mai und Anfang Juli ihre Produktion wieder auf. Zuvor hatte die Regierung auf Bundesebene den Sektor auf die Liste der essenziellen Tätigkeiten gesetzt. Fast alle Bundesstaaten übernahmen diese Regelung, lediglich in Puebla, wo unter anderem Volkswagen und Audi ihren Sitz haben, dauerte der Lockdown bis Ende Juni an. Auch wenn die Fertigung nach und nach hochgefahren wird, stehen sowohl Autobauer als auch Zulieferer vor großen Herausforderungen.
Die mexikanischen Pkw-Exporte werden im Jahr 2020 Prognosen zufolge um 33 Prozent einbrechen. Die Entwicklung im kommenden Jahr hängt stark von der wirtschaftlichen Erholung in den USA ab, wo rund 70 Prozent der in Mexiko gefertigten Autos verkauft werden. Wird die US-Wirtschaft, wie die Scotiabank prognostiziert, 2021 um 7 Prozent wachsen, werden Mexikos Industriegüterexporte um 11,5 Prozent zulegen und damit einen Teil der aktuellen Verluste ausgleichen. Sicher ist das angesichts der steigenden Infektionszahlen in den USA jedoch keineswegs.
Auch der heimische Absatz leidet stark: Der Händlerverband AMDA (Asociación de Distribuidores de Automotores) geht für 2020 von einem Minus um 30 bis 47 Prozent aus - je nachdem wie schnell sich Wirtschaft und Beschäftigung erholen. Die Verkäufe im Land hatten sich bereits in den vergangenen Jahren schlecht entwickelt. Zwischen dem Rekordjahr 2017 und 2019 sank der Absatz um 300.000 auf 1,3 Millionen Fahrzeuge. Autohändler hoffen derzeit auf den Onlinehandel: Im April und Mai wurden 15 Prozent aller Fahrzeuge über das Internet verkauft. Im Gesamtjahr 2019 waren es nur 6 Prozent.
Seit dem 1. Juli ist der neue Handelsvertrag USMCA (United States-Mexico-Canada Agreement) in Kraft, der für die Kfz-Industrie höhere regionale Wertschöpfungsvorgaben vorsieht. Pkw-Hersteller haben drei, Nfz-Bauer sieben Jahre Zeit, um mehr Wertschöpfung und Sourcing in den drei Ländern Nordamerikas zu betreiben. Vor allem europäische und asiatische Hersteller stellt das vor Herausforderungen, denn sie importieren wichtige Komponenten häufig aus ihren Heimatregionen. Um den Übergang abzufedern, bestand bis 1. Juli die Möglichkeit, ein alternatives Übergangsregime zu beantragen. Schätzungsweise 70 Prozent der in Mexiko produzierenden OEM haben davon Gebrauch gemacht.
Trotz der Neuregelungen hat der USMCA-Abschluss in der Branche für Aufatmen gesorgt, da Fahrzeughersteller in Mexiko weitgehend ihren präferierten Zugang zum US-Markt behalten. Der Vertrag kann allerdings zu Verschiebungen in der Teileproduktion führen, da die OEM ihre Lieferketten anpassen müssen. Für Mexiko wird die Entwicklung - wenn das derzeitige Coronatief erst einmal überwunden ist - voraussichtlich eine weitere Spezialisierung auf einfache und mittelkomplexe Komponenten wie Kabelbäume, Spritzgusselemente sowie Stanz- und Biegeteile bedeuten.
In Mexiko ist die Kfz-Industrie bereits die Branche, in der Automatisierung und Digitalisierung am weitesten fortgeschritten sind. USMCA kann diese Entwicklung beschleunigen: Der Vertrag nimmt besonders Mexiko in die Pflicht, den Arbeitsmarkt stärker zu formalisieren. Arbeitnehmerrechte wurden bereits 2019 durch eine nationale Arbeitsmarktreform gestärkt, die den Beschäftigten bei der gewerkschaftlichen Vertretung mehr Mitsprache einräumt. Daneben etabliert USMCA einen Kontrollapparat, der arbeitsrechtliche Verstöße ahndet und sanktioniert. Ein jährliches Budget von rund 210 Millionen US-Dollar (US$) soll sicherstellen, dass dieser Apparat auch funktioniert.
Mittelfristig kann die strengere Regulierung dazu führen, dass Arbeitnehmer höhere Lohnforderungen durchsetzen können. Insbesondere kleine und mittelständische Firmen in Mexiko, die bislang vergleichsweise niedrige Löhne zahlen, könnten dazu übergehen, Prozesse stärker zu automatisieren und zu digitalisieren, um Arbeitskosen einzusparen. Auch hier ist allerdings abzuwarten, wie schnell sich das Land von der Coronakrise erholt, da die Löhne derzeit angesichts der zahlreichen Entlassungen je nach Region stagnieren oder sogar zurückgehen. In den Jahren 2020 und 2021 wird die Ausrüstungsnachfrage voraussichtlich zunächst zurückgehen.
Derzeit investieren nur wenige Unternehmen im Land, darunter Nissan und Ford. Bei Nissan handelt es sich um die Neuauflage des Sentra, wofür die Japaner 244 Millionen US$ im Werk Aguascalientes ausgeben. 74 Prozent der Mittel fließen in die Entwicklung und Produktionsumstellung des Motors, der Rest betrifft die sonstige Fertigungslinie. Die Markteinführung war ursprünglich im 2. Quartal 2020 geplant, muss wegen Corona aber um einige Monate verschoben werden.
Ford baut neue Kapazitäten für die Modelle Bronco Sport in Hermosillo und Mustang Mach-E in Cuautitlán auf. Die Fertigung sollte urspünglich in der 2. Jahreshälfte starten, wird sich allerdings ebenfalls verzögern. Der Mustang Mach-E ist das erste Elektroauto, das in Mexiko gefertigt wird. Auch wenn die nationalen Absatzzahlen an Elektro- und Hybridfahrzeugen noch gering sind, sprechen Marktexperten dem Land ein großes Potenzial für die Fertigung zu. Von Mexiko aus können der US-Markt und weitere große Abnehmermärkte in Europa gut bedient werden. Entsprechend planen auch die mexikanischen Teilehersteller ein stärkeres Engagement in diesem Bereich.
Verband der Pkw-Hersteller | |
Verband der Autohändler | |
Asociación Nacional de Productores de Autobuses, Camiones y Tractocamiones (ANPACT) | Verband der Nutzfahrzeughersteller |
Verband der Kfz-Teilehersteller |