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Die Covid-19-Pandemie offenbarte die großen Schwächen des Gesundheitssystems Nigerias. Private Investitionen dürften zunehmen.
02.12.2020
Von Corinna Päffgen | Accra
Nigerias Gesundheitssystem gilt als schwach und unterversorgt. Im Jahr 2001 verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union, pro Jahr mindestens 15 Prozent des öffentlichen Haushalts für Gesundheit auszugeben. Nigerias Ausgaben liegen weit unter dem gesetzten Ziel, im Schnitt unter 5 Prozent pro Jahr. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab Nigeria in 2017 etwa 75 US-Dollar (US$) pro Kopf für Gesundheit aus. Zu den begrenzten öffentlichen Mitteln kommt eine hohe Belastung durch übertragbare Krankheiten (Covid-19, HIV/AIDS), nicht-übertragbare Krankheiten (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes) und die erhöhte Sterblichkeit von Müttern und Säuglingen.
Neben dem Fehlen von ausreichenden und modernen Einrichtungen herrscht ein großer Mangel an qualifizierten medizinischen Fachkräften. Nach Schätzungen der WHO gibt es in Nigeria etwa 35.000 Ärzte, benötigt werden allerdings etwa 240.000 Ärzte. Teilweise ist dies auf ein Abwandern von nigerianischen Fachkräften ins Ausland zurückzuführen.
Infolgedessen verliert Nigeria nach Angaben der Nigerian Medical Association (NMA) jedes Jahr mindestens 1,5 Milliarden US$ an Einnahmen aus dem medizinischen Tourismus. Reiche Nigerianer, darunter auch viele Politiker, lassen sich kostspielig im Ausland behandeln, vor allem in Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, den USA, Südafrika und Europa.
Um diesen Trend umzukehren hat die Regierung Buharis einen Nationalen Strategischen Gesundheitsentwicklungsplan (National Strategic Health Development Plan II) für die Jahre 2018 bis 2022 verabschiedet und einen Fonds für die medizinische Grundversorgung eingerichtet. In den Fonds sollen staatliche Gelder aber auch Gelder von privaten Akteuren wie der Bill Gates-Stiftung sowie Geberinstitutionen wie die Weltbank und USAID fließen.
Als unerlässlich wird die Einbindung des Privatsektors angesehen. Auch hier wird es künftig mehr PPP-Projekte (öffentlich-private Partnerschaften) geben. Vor ein paar Jahren hat die Nigerian Sovereign Investment Authority (NFIA) in Kooperation mit dem Bundesministerium für Gesundheit (Federal Ministry of Health, FMOH) bereits eine Reihe von Vereinbarungen mit privaten Akteuren für den Ausbau von Krankenhauskapazitäten und Diagnosezentren unterzeichnet. Zu den Partnern der NFIA und dem FMOH gehören unter anderem das Lagos University Teaching Hospital, das Aminu Kano Teaching Hospital in Kano und das Federal Medical Centre Umuahia. In 2019 wurde das neu errichtete Krebszentrum des Lagos University Teaching Hospital (LUTH) in Lagos in Betrieb genommen, das mit Geräten des US-amerikanischen Unternehmens Varian ausgestattet wurde.
Vertreter des Privatsektors haben die Initiative „Adopt-a-Healthcare-Facility Programme“ (ADHFP) ins Leben gerufen. Getragen wird die Initiative von der Privat Sector Health Alliance of Nigeria (PSHAN) und der African Business Coalition for Health (ABS-Health). Unterstützt wird die PSHAN vom reichsten Mann Afrikas Aliko Dangote und seiner Unternehmensgruppe. Ziel des ADHFP ist die Schaffung eines universellen Zugangs zur Gesundheitsversorgung für Bürger mit niedrigem Einkommen in ländlichen und städtischen Gebieten. Konzeptioniert bereits in 2019, wird die Dringlichkeit einer solchen Initiative durch die Coronakrise nun umso deutlicher. Insgesamt sollen medizinische Einrichtungen in allen 774 lokalen Regierungsgebieten (Local Government Areas, LGA) geschaffen werden, sogenannte Primary Health Care Centers. Diese sollen nach strengen Regeln und Richtlinien errichtet und betrieben werden. Derzeit befindet sich das Programm in der Entwurfsphase, die von dem internationalen Beratungsunternehmen Vesta Healthcare Partners durchgeführt wird. Entwickelt werden derzeit Komponenten wie ein rechtlicher Rahmen, Rahmen für PPP-Projekte, Fazilitäts- und Managementstandards, Finanzierungsvereinbarungen und Supply Chain Management entwickelt. Dies geschieht unter Einbindung von Entwicklungsorganisationen wie Global Citizen, ABCHealth, der Bill Gates-Stiftung, United Nations Economic Commission for Africa, Weltbank, International Finance Corporation (IFC), MTN Nigeria Plc, Dangote Group, Zenith Bank, Access Bank, Stanbic-IBTC Bank, PwC, Cisco, Ford Foundation, Nigerian Stock Exchange und Flying Doctors Nigeria. Ende 2020 soll das Programm mit einem Pilotprojekt starten.
Allgemein dürfte die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen aufgrund der wachsenden Bevölkerung sowie einer zunehmenden mittleren Einkommensschicht steigen. Trotz begrenzter Mittel plant die Regierung im Rahmen ihrer Intervention gegen die Covid-19-Pandemie sowie unter Einbindung Privater den Bau von 14 medizinischen Zentren sowie die Erweiterung und Modernisierung von zwei Intensivstationen. Zudem sind vermehrt PPP-Projekte geplant. Zum Beispiel plant der Staat Lagos über ein PPP-Modell einen medizinischen Park mit 120 bis 150 Betten (MediPark) zu errichten. Die Kosten werden auf etwa 250 Millionen US$ geschätzt.
Chancen können sich zudem für Digitalisierungsdienste bieten. So nutzen die meisten Krankenhäuser Patientenakten in Papierform. Hier können sich Marktchancen für kostengünstige EMR-Systeme (Electronic Medical Record) ergeben. Zudem ist medizinisches Fachwissen immer noch Mangelware, medizinische Aus- und Weiterbildungsdienste sowie Dienstleistungen in der Verwaltung und im Management von Krankenhäusern könnten künftig vermehrt nachgefragt werden.
Durch die Covid-19-Pandemie hat zudem der Bereich der Telemedizin einen Schub erfahren. Aus Angst vor Stigmatisierung und Angst vor einer Infektion mit Corona haben viele Menschen von einem Besuch von Krankenhäusern abgesehen und sich stattdessen vermehrt für medizinische Konsultationen an Ärzte über telemedizinische Plattformen gewandt. E-Health-Anbieter konnten hier einen Anstieg neuer Nutzer verzeichnen. Auch nach Abebben der Pandemie dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Die Regierung hat zudem begonnen, diese Technologie als Teil ihrer Interventionsprogramme für die öffentliche Gesundheit zu übernehmen.