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Die Landwirtschaft wird als strategischer Bereich immer wichtiger. Das Interesse internationaler Investoren am Nahrungsmittelsektor ist ungebrochen.
20.11.2020
Von Corinna Päffgen | Accra
Der nigerianische Nahrungsmittelsektor rückt angesichts eines Marktes von inzwischen etwa 200 Millionen Einwohnern, mit jährlichem Zuwachs von mehr als 4 Millionen, immer mehr in den Fokus von Investoren und Zulieferern. Auch deutsche Unternehmen zeigen nachhaltiges Interesse, haben Niederlassungen vor Ort, liefern vor allem Maschinen sowie Zwischenrohstoffe und sind im Ausbildungsbereich tätig. Dazu gehören KHS Machines, BASF, Bayer, Big Dutchman, Beiersdorf sowie Krones.
Die Regierung setzt bei der Verfolgung ihrer Agenda zur wirtschaftlichen Diversifizierung verstärkt auf die Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung. Mit Unterstützung der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank sowie unter Einbindung des Privatsektors wurden eine Vielzahl von Förderprogrammen ins Leben gerufen, die neben der Steigerung der Produktivität von Klein- und Mittelbauern vor allem auf eine höhere Wertschöpfung vor Ort abzielen. Nigeria will bereits seit einigen Jahren nicht nur vom massenweisen Import von Nahrungsmitteln wegkommen, sondern sich von der hohen Abhängigkeit vom Öl- und Gassektor lösen und damit gleichzeitig die Wirtschaft resilienter machen. Jedes Jahr werden für mehrere Milliarden US-Dollar Nahrungsmittel importiert.
Nigeria ist trotz restriktiver Devisenpolitik und hoher Zölle nach wie vor einer der weltweit größten Reisimporteure sowie die Nummer 1 bei der Einfuhr von Weizen und Zucker in Subsahara-Afrika. Der zuletzt erneut stark gefallene Ölpreis sowie der Ausbruch der Covid-19-Pandemie erhöhen den Druck, die Käufe im Ausland zu reduzieren.
Der Anteil der Supermärkte am Gesamteinzelhandel ist noch gering. Der traditionelle Handel wie Freiluftmärkte, Straßenkioske und Nachbarschaftsläden dominieren den Lebensmittelhandel. Die meisten Supermärkte beschränken sich auf die Stadtgebiete Lagos, Abuja und Port Harcourt. Die größten Player sind die südafrikanische Shoprite und die niederländische Spar, aufstrebend sind die einheimischen Ketten Prince Ebeano und FoodCo. Die französische Carrefour hat Pläne, über die E-Commerce-Plattform Jumia in Nigeria künftig ihre Produkte anzubieten.
Allerdings gilt das Marktumfeld als zunehmend schwieriger. Marktführer Shoprite, der innerhalb von fünf Jahren seine Präsenz um 14 auf derzeit 25 Läden erweiterte, erwägt Presseberichten zufolge aufgrund der schwankenden Wechselkurse, des schwindenden wirtschaftlichen Wohlstands und der sich wegen der Coronapandemie abzeichnenden Rezession einen Rückzug aus Nigeria. Im August 2020 gab Shoprite bekannt, die Mehrheitsanteile an der nigerianischen Niederlassung an einen Investor zu verkaufen.
Der Import von Reis ist zwar nicht untersagt, wird aber mit hohen Zöllen belegt. Um den Schmuggel mit Reis einzudämmen, wurde zudem die Einfuhr auf dem Landweg verboten. Allerdings kann die heimische Nachfrage durch die lokale Produktion nur zu 40 Prozent abgedeckt werden, sodass Anbau und Verarbeitung von Reis einen Großteil der Investitionen in die Nahrungsmittelverarbeitung Nigerias auf sich ziehen.
Die nigerianische Dangote-Gruppe hat etwa 1 Milliarde US-Dollar (US$) in diesen Bereich investiert. Die ersten Projekte befinden sich in der Umsetzung. Bis 2022 plant Dangote die Errichtung von zehn Anlagen landesweit. Etwa 1 Million Tonnen Reis soll jährlich produziert werden. Zweiter großer Investor ist die in Dubai ansässige Stallion mit einer Reisverarbeitungsfabrik mit 430.000 Tonnen Kapazität. Ein weiterer bedeutender Investor ist die singapurische Olam. Das Unternehmen hat derzeit eine Verarbeitungsanlage mit einer jährlichen Kapazität von 240.000 Tonnen in Betrieb und plant eine zweite Produktionsstätte im Nassarawa-State. Eine Produktionssteigerung um 120.000 Tonnen pro Jahr wird damit angestrebt.
Eine ähnliche Investitionswelle wurde bei der Herstellung von Rohrzucker durch den 2013 ins Leben gerufenen National Sugar Master Plan (NSMP) erwartet. Im Rahmen des NSMP wurde zunächst ein Einfuhrverbot von Raffinadezucker eingeführt. Für den Zeitraum von 2020 bis 2023 sieht der ambitionierte Plan eine lokale Erzeugung von 1,79 Millionen Tonnen vor. Die Bemühungen der Regierung haben bislang nicht zu den erhofften signifikanten Produktionssteigerungen geführt. Die drei bedeutenden Zuckerproduzenten in Nigeria sind Dangote, BUA Group und Golden Sugar Refineries, die nur einen kleinen Teil der heimischen Nachfrage bedienen können. Alle drei Hersteller haben allerdings Expansionspläne und damit verbundene Investitionen in Millionenhöhe angekündigt.
Bis vor Kurzem wurden tomatenhaltige Produkte wie Tomatenmark oder Ketchup vollständig importiert. Tomatenmark spielt in der nigerianischen Küche inzwischen eine sehr wichtige Rolle als Geschmacksgeber. Allerdings wurden mittlerweile Tomatenmark und -konzentrat mit einem Importverbot belegt, um die heimische Verarbeitung von Tomaten zu fördern. Nigeria verfügt über die größte Anbaufläche für frische Tomaten in Afrika. Die Nachfrage nach Tomatenmark wird auf etwa 400.000 Tonnen pro Jahr geschätzt. In den letzten Jahren sind zunehmend Investitionen in den Anbau und die Weiterbearbeitung von Tomaten geflossen. Die lokale Nachfrage kann jedoch noch nicht gedeckt werden, sodass es zu weiteren Investitionen kommen dürfte.
Nigeria ist einer der größten Importeure und Verarbeiter von Weizen. Neben FMN spielen Honeywell, BUA, Dangote Flour Mills, Crown, Olam und Tiger Brands eine Rolle, wobei Olam 2019 die Dangote Flour Mills übernommen hat. Der Markt ist von hohem Wettbewerb und niedrigen Margen geprägt. Weizen dominiert beim Mehlangebot, allerdings bieten lokale Unternehmen wie Honeywell, Golden Penny Foods und Ayoola Foods inzwischen auch Mehl und Grieß (Semolina) aus Kochbananen, Jams, Kassava oder Reis an. Da das sehr stärkehaltige Kassava auch in der Nahrungsmittelindustrie stark gefragt ist, stehen die Chancen für weitere Anbauprojekte gut. Bereits jetzt ist Nigeria mit etwa 59 Millionen Tonnen jährlich der weltweit größte Produzent.
Auch in die Palmölproduktion ist wieder Schwung gekommen. Palmöl ist das gängige Speiseöl in der westafrikanischen Küche, wird inzwischen aber auch in großen Mengen von der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie als Zusatz verwendet. Derzeit produziert Nigeria etwa 1,1 Millionen Tonnen und ist damit Afrikas größter Hersteller für Palmöl. Die Regierung möchte die Produktion weiter fördern und auf etwa 5 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2027 steigern um den heimischen Bedarf von rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr zu decken. Der Rest soll in den Export gehen. Mit einem 500 Millionen US$ schweren Förderungsprogramm und Hochertragssorten soll dies erreicht werden.
Der Markt für nicht-alkoholische und alkoholische Getränke gilt als dynamisch und kompetitiv. Nigeria gehört zu den weltgrößten Konsumenten von Softdrinks, wenn auch die Nachfrage nach Fruchtsäften und Erfrischungsgetränken wie Energydrinks und Sportgetränken zunimmt. Auf natürliche Zutaten und wenig Zucker wird aufgrund des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins seitens der Verbraucher vermehrt geachtet. Obwohl bereits viele Safthersteller im Markt aktiv sind, hat die Tolaram 2019 den Einstieg gewagt. Relativ neu im Markt ist zudem die südkoreanische World Food Services mit einem aus Aloe Vera hergestellten Getränk.
Der Bedarf an alkoholischen Getränken und auch an Bier dürfte weiter wachsen. Der Markt wird im Wesentlichen von drei Brauereien und ihren Tochtergesellschaften dominiert. Dynamik herrscht aber weiterhin. Anheuser Busch-InBev hat in den letzten Jahren seinen Marktanteil ausgebaut und kräftig in eine neue Brauerei investiert, um seine Marke Budweiser zu lancieren. Heineken hat zudem kürzlich seine Mehrheitsanteile an der Nigerian Breweries aufgestockt.