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Der Öl- und Gassektor steht in der Coronakrise doppelt unter Druck. Trotzdem ist wieder etwas mehr Bewegung im Sektor.
02.12.2020
Von Corinna Päffgen | Accra
Nigerias Ölsektor leidet bereits seit Jahren unter eher zurückhaltenden Investitionen und schleppender Umsetzung laufender Vorhaben. Durch den bereits in 2014 erfolgten sowie kürzlich erneuten Ölpreisabsturz und dem Ausbruch der Covid-19- Pandemie hat sich die Lage verschärft. Trotzdem kam es in den letzten Jahren wieder vermehrt zu Aktivitäten.
Ende 2018 hat Total die Produktion im Offshore-Feld Egina begonnen. Das Feld zeichnet sich durch seine Größe aus: Gefördert werden können hier bis zu 200.000 Barrel pro Tag (bpd). Da es sich um ein Offshore-Feld handelt, wurde eine Floating Production Storage and Offloading Unit (FPSO) benötigt, die in der lokalen Werft Lagos Deep Offshore Logistics Base (LADOL) Free Zone gebaut wurde.
Erst kürzlich wurde die Produktion im Anyala-Madu-Feld begonnen , das von dem rein nigerianischen Joint Venture der staatlichen Nigerian National Petroleum Corporation (NPPC) und der FIRST Exploration and Petroleum Development Company (FIRST E&P) betrieben wird. Die beiden Felder sollen bis zu 50.000 Barrel pro Tag produzieren können, die Reserven werden auf 300 Millionen Barrel geschätzt.
Aufgrund der Coronakrise kommt es aber auch zu Verzögerungen bei Projekten, wie bei Bonga von Shell, dem neuen Assa North-Gasprojekt von Shell, Preowei von Total, Zabazaba-Etan von Eni, Bosi und Uge von ExxonMobil sowie Nsiko von Chevron.
Der größte Abnehmer für nigerianisches Öl ist nicht mehr die USA, sondern Indien. Neben Indien kaufen vor allem Südafrika, die USA, Spanien, das Vereinigte Königreich sowie Frankreich Öl aus Nigeria.
Nigeria ist zwar reich an Ölvorkommen, muss aber bislang aufgrund mangelnder Verarbeitung vor Ort Treibstoffe importieren. Ein Großprojekt der Dangote-Gruppe soll das Land nun nicht nur von Treibstoff-Importen unabhängig machen, sondern auch erstmals den Export von entsprechenden Produkten ermöglichen. Derzeit wird ein integrierter Raffinerie- und Petrochemiekomplex errichtet, der voraussichtlich Mitte 2021 fertig gestellt werden soll. Das etwa 15 Milliarden US-Dollar (US$) schwere Projekt ermöglicht die Produktion von Benzin, Diesel, Düsentreibstoff (Kerosin), Polypropylen, Propan, Schwefel sowie Düngemittel.
Als weltweit dreizehntgrößter und größter Ölproduzent Afrikas verfügt Nigeria seit Anfang der 2000er Jahre über eine Förderkapazität von rund 2,5 Millionen Barrel pro Tag. Die tatsächliche Fördermenge beträgt seit Anfang 2020 etwa 1,7 Millionen Barrel täglich und könnte künftig noch weiter sinken. Die Reserven werden derzeit auf etwa 36,9 Milliarden Barrel Öl und 5,7 Billionen Kubikmeter an Gas geschätzt.
Ob der Ölsektor für Nigeria Fluch oder Segen bedeutet, ist bis heute unklar. Die sprudelnden Einnahmen gehen vorwiegend an die Ölfirmen und an eine Elite in den Städten Lagos und Abuja. Die Mehrheit der armen Bevölkerung profitiert bislang kaum vom Ölreichtum ihres Landes.
Als einer der Hauptgründe für ausbleibende Investitionen wurden seitens der Ölindustrie immer wieder die unsicheren Rahmenbedingungen angeführt. Seit Jahren wollte bereits die Vorgängerregierung und nun auch Buhari selbst eine neue Petroleum Industry Bill (PIB) einführen. Derzeit wird ein neuer, lang erwarteter Gesetzesentwurf zur Reformierung des Sektors im Parlament diskutiert. Einige Regierungsbehörden im Ölsektor sollen danach umstrukturiert und neue Anreize durch Senkung der Erdölgewinnsteuer sowie Royalties für Investoren geschaffen werden. Eine Verabschiedung des Gesetzes wird von Unternehmen begrüßt und wäre ein großer politischer Erfolg für Präsident Buhari.
In den letzten Jahren ging der Trend klar in Richtung „Offshore“. Viele der internationalen Ölgesellschaften bauten aufgrund der zunehmenden Entführungen ausländischer Mitarbeiter im Nigerdelta ihre Onshore-Aktivitäten immer weiter ab und förderten stattdessen vor der Küste Nigerias. Dort ist der Abbau sicherer, aufgrund der Tiefe aber auch kostenintensiver. Seit 2005 ist die Offshore-Produktion rapide angestiegen und macht inzwischen fast 50 Prozent der nigerianischen Ölförderung aus.
Für die Onshore-Blöcke in den Sümpfen des Nigerdeltas, aus denen sich die internationalen Ölgesellschaften herausziehen, interessieren sich zunehmend nigerianische Unternehmen. Die Nigerian National Petroleum Corporation (NNPC) eröffnete im Mai 2020 ein Ausschreibungsverfahren für 57 Randfelder an Land, in Sumpfgebieten und in flachen Offshore-Gebieten. Randfelder sind Ölfelder, die die internationalen Ölunternehmen aufgrund ihres begrenzten kommerziellen Potenzials aufgegeben haben aber lokalen Akteuren die Möglichkeit bieten, Erfahrungen in der Ölexploration zu sammeln. Randfelder in Nigeria haben eine durchschnittliche wirtschaftliche Lebensdauer zwischen acht und 15 Jahren und können zwischen 4.000 Barrel Öläquivalent (Boepd) und 30.000 Boepd pro Feld produzieren. Derzeit sind rund neun Randfelder aktiv.
Die neben den Erdölreserven vorhandenen Erdgasreserven wurden bislang nur wenig verwertet. Nicht nur private Unternehmen investieren zunehmend in den Gassektor, auch die nigerianische Regierung setzt zusehends auf Erdgas und den Ausbau der Infrastruktur. Erst kürzlich hat die teilstaatliche Nigeria LNG einen Front-End-Engineering-Design (FEED)-Vertrag für einen weiteren Gaszug (Verarbeitungsanlage) für die Flüssigerdgasanlage auf Bonny Island in Höhe von 12 Milliarden US$ mit dem Konsortium SCD JV Consortium unterzeichnet, dem Tochterunternehmen von Saipem, Chiyoda und Daewoo angehören.
Pipelines werden in der Regel von der NNPC über ihre Tochtergesellschaften, die Pipelines and Product Marketing Company und die Nigerian Gas Company, betrieben. Das Netz verfügt über etwa 13.000 Kilometer Rohre für Öl, Erdgaskonzentrate und Kraftstoffe. Brüche, Fehlfunktionen und Angriffe auf die Pipelines führen jährlich zu Verlusten in Millionen US$.
Pipelines können auch von privaten Unternehmen durch Managementverträge oder Konzessionen von NNPC gebaut und betrieben werden. In 2018 gab die Dangote Group den Plan des Baus einer Unterseeegaspipeline Ost-West-Offshore Gas (EWOGGS) bekannt. Geplant sind zwei 550 Kilometer lange Pipelines, die mit einer Kapazität von jeweils 1,5 Billionen Kubikfuß pro Tag Gas aus dem Nigerdelta in die Freihandelszone Lekki bei Lagos transportieren sollen.
Im Juli 2020 weihte die Regierung zudem den Baubeginn der 614 Kilometer langen Ajaokuta-Kaduna-Kano (AKK)-Gaspipeline ein, die als eine der größten inländischen Gasfernleitungen des Landes gilt. Weitere ehrgeizige Projekte sind die Trans Sahara Gas Pipeline (TSGP) sowie die Nigeria Marokko Gaspipeline.