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E-Mobility

Die Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen steigen weiter – auch dank staatlicher Fördergelder. Die Ladesäuleninfrastruktur stößt an technische Grenzen.

Von Christopher Fuß | Warschau

In Nischenmärkten läuft es besonders gut

Die E-Mobilität hat in Polen 2022 einen deutlichen Satz nach vorne gemacht. Das geht aus Statistiken des Branchenverbandes PZPM hervor. Die Anzahl aller zugelassenen rein elektrisch betriebenen PKW (Battery electric vehicle; BEV) und Plug-in-Hybride (PHEV) schoss im Jahresvergleich um über 60 Prozent auf 61.570 Fahrzeuge in die Höhe. Im gesamten PKW-Segment spielen BEV und PHEV aber nur eine Nebenrolle. Ihr Anteil an allen in Polen angemeldeten Fahrzeugen liegt bei unter 1 Prozent. Der gesamte Fuhrpark der BEV und PHEV entspricht nicht mal einem Sechstel aller in Deutschland im Jahr 2022 neu zugelassenen BEV.

Ähnlich ist die Situation bei Lieferfahrzeugen und LKW mit Hybridantrieb oder rein elektrischem Antrieb. Ihr Anteil am Gesamtmarkt fällt verschwindend gering aus. Gleichzeitig hat sich der Absatz 2022 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt.

Schlechter lief es für die Hersteller von Elektrobussen. Die Zahl der jährlichen Neuanmeldungen ging um 22 Prozent zurück. Mitverantwortlich für die Absatzflaute sind fehlende EU-Gelder und ausbleibende Förderprogramme. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer. Im Januar 2023 legten die Anmeldungen deutlich zu.

Baufahrzeuge mit reinem Elektroantrieb oder Hybridantrieb sieht man in Polen selten. Der Zementhersteller Lafarge Polska, die zu Heidelberg Materials gehörende Grupa Górażdże und das Bauunternehmen Budimex setzen erste Maschinen ein. Der Kupfer- und Silberkonzern KGHM arbeitet an einem eigenen elektrischen Transportfahrzeug unter dem Namen Zanper 2.0.

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Unternehmen fragen häufiger nach Elektrofahrzeugen

Die Aussichten für die E-Mobilität im Jahr 2023 bewertet der Branchenverband PZPM (Polski Związek Przemysłu Motoryzacyjnego) positiv. Geschäftsführer Jakub Farys prognostiziert: „Es ist zu erwarten, dass wir einen weiteren Anstieg der Zulassungen von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb erleben werden.“ Der Verband PSPA (Polskie Stowarzyszenie Paliw Alternatywnych) schätzt, dass 2023 der Anteil von BEV und PHEV an allen jährlichen Erstanmeldungen von 5,6 Prozent auf 7 Prozent steigen wird. Firmenkunden treiben laut Branchenexperten die Nachfrage. Unternehmen seien daran interessiert, umweltbewusst aufzutreten. 

Der Staat unterstützt den Markt mit Prämien. Das Förderprogramm „Mein Elektrischer“ verspricht Unternehmen und Privatpersonen Zuschüsse zwischen 4.000 und 6.000 Euro für den Kauf eines BEV. Betriebe, die elektrische Kleintransporter anschaffen, können sogar bis zu 15.600 Euro beantragen. Der hohe Förderbetrag könnte ein Grund sein, warum der Absatz von elektrischen Transportfahrzeugen zunimmt.

Der zuständige nationale Umweltfonds NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) hat laut Branchenportal WysokieNapiecie.pl zwischen Herbst 2021 und Herbst 2022 mehr als 8.000 Förderanträge erhalten. Das entspricht rund zwei Drittel aller im gleichen Zeitraum neu angemeldeten BEV in Polen. Besonders beliebt sind Zuschüsse zu Leasingverträgen. Experten sehen aber noch Luft nach oben

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Verbesserungspotenzial trotz guter Perspektiven

Der Branchenverband PSPA und die Bank PKO Leasing sagen, die Antragsformulare seien zu kompliziert. Beide setzen sich dafür ein, die Verfahren zu beschleunigen. PSPA sieht noch an einer anderen Stelle Handlungsbedarf. Fahrzeuge dürfen umgerechnet maximal 47.800 Euro kosten. Zu wenig, sagt der Verband: „Wegen der hohen Inflation fallen immer weniger BEV unter die festgelegte Grenze“, so Geschäftsführer Maciej Mazur gegenüber der Webseite Gramwzielone.pl. Der NFOŚiGW lehnt höhere Schwellenwerte bislang ab.

Das Programm „Mein Elektrischer“ bietet keine Fördergelder für PHEV oder für Ladesäulen. Schwere Transportfahrzeuge oder LKW fallen ebenfalls aus dem Programm. Branchenverbände fordern Nachbesserung. Polens Klimaministerium teilte mit, man prüfe LKW-Fördermöglichkeiten. Eine Entscheidung stehe noch offen.

Viele Anbieter, beschränkte Netzkapazitäten

Gut für Halter von E-Fahrzeugen – die Ladeinfrastruktur wächst. Ende 2022 gab es rund ein Drittel mehr öffentlich zugängliche Ladesäulen als noch zu Jahresbeginn. Schlecht für alle, die es eilig haben: Schnellladesäulen mit Gleichstrom hängen den Ausbauzahlen der langsameren Wechselstrom-Ladesäulen deutlich hinterher.

Polen baut die Ladeinfrastruktur mit Geldern aus dem Europäischen Modernisierungsfonds aus. Bis Ende Februar 2023 konnten Betreiber Fördermittel in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro beantragen. Die Unternehmen waren, wie schon bei den vorherigen Antragsrunden, besonders an Zuschüssen für Ladesäulen mit mehr als 150 Kilowatt Leistung interessiert. Wann die nächste Ausschreibungsrunde startet, ist nicht bekannt.

Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Ladesäulenbetreibern - und es kommen neue dazu. Polens größter privater Energiekonzern Polenergia besitzt mittlerweile Ladestationen in Katowice und Warschau. Bis Ende 2023 sollen weitere Standorte in Krakau, Wrocław und Poznań ans Netz gehen. Der Baukonzern Budimex will Ladesäulen gemeinsam mit dem Betreiber Elocity anschließen. Platzhirsche wie Ekoenergetyka, Orlen oder Greenway müssen sich auf mehr Konkurrenz einstellen.

Deutsche Lieferanten sind beim Ausbau mit aktiv. Die Schnellladesäulen des polnischen Infrastrukturbetreibers NOXO stammen beispielsweise aus dem Hause Siemens. Der deutsche Technologiekonzern hat auch die Finanzierung des Kaufs übernommen.

Ein Bremsfaktor beim Ausbau der Ladeinfrastruktur ist das Stromnetz. Es ist nicht auf die Mehrbelastung durch neue Ladesäulen ausgelegt. Stromversorger müssen die Leitungen erneuern. Als Folge warten Betreiber von Ladesäulen bis zu fünf Jahre auf einen Anschluss. Projekte entlang der Autobahnen können besonders viel Zeit in Anspruch nehmen, berichtet Polenergia. Außerdem gibt es eine starke regionale Konzentration. In der Hauptstadt Warschau gibt es beispielsweise mehr Ladesäulen als in manchen Woiwodschaften.

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