Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Polen | Automobilsektor

Marktchancen Kfz-Absatzmarkt

Die Automobilindustrie darf sich Anfang 2023 über positive Marktsignale freuen. Einige Fahrzeugsparten stehen aber vor einem schwierigen Jahr.

Von Christopher Fuß | Warschau

Erste Signale stimmen positiv

Zum Jahresauftakt meldet der Branchenverband PZPM (Polski Związek Przemysłu Motoryzacyjnego) steigende Zahlen. Zwischen Januar und Februar 2023 lagen die Erstanmeldungen von PKW und Kleintransportern um 15,6 Prozent über dem Vorjahreswert. Die LKW-Zulassungen stiegen im selben Zeitraum um 13,5 Prozent. Analysten passen angesichts der Zahlen ihre Prognosen an. Ende 2022 rechnete das Marktforschungsinstitut SAMAR damit, dass der Fahrzeugabsatz in Polen im Jahr 2023 schrumpfen würde. Mittlerweile geht das Büro von einem Miniwachstum aus.

Wie die Tageszeitung Gazeta Wyborcza berichtet, sinken die Wartezeiten bei Neubestellungen. Hersteller würden zwischen drei Monaten und sechs Monaten benötigen, um ein Modell zu liefern. Fristen von über einem Jahr kämen nur noch selten vor. Ausnahmen gelten für Elektro- und Hybridautos, vor allem wegen der großen Nachfrage in Westeuropa. Hersteller begründen die insgesamt bessere Versorgungslage damit, dass die Lieferketten stabiler seien als kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022.

Neuzulassungen von Kfz in Polen (Stückzahl in Tausend, Veränderung in Prozent)

Kategorie

2021

2022

Veränderung 2021/22

Pkw

446,6

419,7

-6

Leichte Nutzfahrzeuge (bis 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht)

73,9

62,2

-15,8

Nutzfahrzeuge (über 3,5 t Gesamtgewicht)

32,7

34,9

6,8

Busse

1,4

1,2

-14,7

Motorräder

21,6

23,9

10,8

Mopeds

12,7

11,4

-10,2

Quelle: Branchenverband PZPM 2022

Große Autos besonders beliebt

Fehlende Teile und Produktionsausfälle sorgten neben einer schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage für ein durchwachsenes Jahr 2022 in Polens Automobilindustrie. Die Zahl der neu angemeldeten PKW ging um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Hersteller von Fahrzeugen für den Massenmarkt haben Abstriche machen müssen.

Volkswagen verzeichnete ein Minus von 10 Prozent. Bei Skoda lagen die Neuanmeldungen um 7 Prozent unter dem Vorjahreswert. Besonders stark litt das Geschäft mit Kleinwagen. Schlechte Zahlen gab es nicht nur im PKW-Segment. Auch der Absatz von Kastenwagen, LKW und Bussen schrumpfte. Limousinen und SUV gehören hingegen zu den wenigen PKW-Modellen, die gut liefen.

Überhaupt konnte sich das Premium-Segment 2022 behaupten. Die Hersteller verzeichneten ein ordentliches Plus. Neuanmeldungen stiegen um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Wachstum geht auf die wachsende Nachfrage unter Privatkunden zurück. Zahlenmäßig bleiben gewerbliche und institutionelle Abnehmer aber die größte Käufergruppe. Die beliebtesten Premium Marken sind BMW, Mercedes und Audi. Der Geschäftsführer des Automobilverbandes PZPM Jakub Farys erklärt in einer Mitteilung: „Das Premium-Segment reagiert traditionell am wenigsten auf wirtschaftliche Abschwünge.“

Pkw-Neuzulassungen nach Herstellern in Polen (Stückzahl in Tausend; Marktanteil und Veränderung in Prozent)

Hersteller

Neuzulassungen

Veränderung 2022/21

Marktanteil 2022

Toyota

73,9

-1

17,6

Skoda

42,1

-7

10

KIA

33,7

4

8

Volkswagen

30,8

-10

7,3

Hyundai

26,9

 0

6,4

BMW

23,8

-1

5,6

Dacia

20,7

4

4,9

Quelle: Branchenverband PZPM 2022


Grüner Nahverkehr ist auf Förderung angewiesen

Hersteller von Bussen sind hingegen deutlich konjunkturabhängiger. Die Perspektiven für 2023 fallen durchwachsen aus. Warschau will zwölf Elektrobusse kaufen. Städte wie Rybnik und Poznań haben Wasserstoffbusse bestellt. Die Kommunen sind an gesetzliche Vorschriften gebunden. Bis 2025 müssen Gemeinden ab 50.000 Einwohner mindestens 20 Prozent ihrer Busflotte auf emissionsfreie oder mit Biomethan betriebene Fahrzeuge umrüsten.

Die Vorgaben stellen Regionen vor Herausforderungen. Laut polnischem Klimaministerium erfüllten 2022 nur 38 Prozent aller betroffenen Gemeinden die entsprechenden Zwischenziele. Das Problem: Elektrobusse und Wasserstoffbusse sind teuer. Hinzu kommen die gestiegenen Stromkosten. Vereinzelt berichten Gemeinden, der Betrieb von Dieselbussen sei derzeit günstiger als der Betrieb von Elektrobussen. Bürgermeister großer polnischer Städte betonen, dass der Umbau des öffentlichen Personennahverkehrs ohne finanzielle Unterstützung nicht gelingen wird.

Abhilfe versprechen staatliche und europäische Förderprogramme. Polen kann 7,4 Milliarden Euro für Mobilitätsprojekte aus dem Wiederaufbaufonds der EU erhalten. Im Gegenzug verpflichtet sich das Land, unter anderem 1.738 emissionsarme oder emissionsfreie Busse einzukaufen. Die Europäische Kommission hält die Gelder jedoch zurück und verlangt Reformen in Polens Justizwesen. Ein entsprechendes Gesetzesprojekt verwies Staatspräsident Andrzej Duda an das staatliche Verfassungsgericht.

Transportbranche zögerlich bei Investitionen

Gemischte Aussichten gibt es auch im LKW-Segment. Eigentlich boomt Polens Logistiksektor. Die Industrie- und Lagerfläche ist 2022 um über 15 Prozent gewachsen - auf 28 Millionen Quadratmeter. Weitere 3,4 Millionen Quadratmeter befinden sich im Bau. Neue Logistikzentren kurbeln normalerweise die Nachfrage nach Transportdienstleistungen an – und indirekt die Nachfrage nach LKW. Logistikverbände berichten allerdings, hohe Kraftstoffkosten und neue rechtliche Vorgaben würden der Branche zusetzen.

Die Unternehmensberatung PSC Consulting weist auf den Fachkräftemangel hin. Schätzungen zufolge fehlen zwischen 100.000 und 200.000 LKW-Fahrer in Polen. Transportfirmen zahlen höhere Löhne, um Mitarbeiter zu halten. Firmen können die Mehrausgaben nicht immer an Kunden weitergeben. Das Geld fehlt dann für Investitionen. Befragungen des Leasingunternehmens EFL ergaben, dass nur 1 Prozent aller untersuchten Spediteure die Investitionen 2023 gegenüber dem Vorjahr erhöhen wollen.

Fahrzeuge auf Polens Straßen werden immer älter

Eine Herausforderung ist, dass die Reallöhne in Polen wegen der hohen Inflation sinken. Die Preissteigerungen machen auch vor der Fahrzeugindustrie nicht Halt. Laut Marktforschung SAMAR kosteten Neufahrzeuge 2022 knapp 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Polens Zentralbank hat den Leitzins erhöht, um die Inflation einzudämmen. Dadurch verteuern sich laufende Kredite. Privathaushalte sparen – und verschieben den Kauf eines neuen Fahrzeugs. In der Folge ist das Durchschnittsalter von PKW in Polen zwischen 2021 und 2022 von 13,4 Jahren auf 14,2 Jahren gestiegen.

Alternativ weichen Kunden auf den Gebrauchtmarkt aus. Die höhere Nachfrage treibt den Preis. Käufer greifen zu älteren Fahrzeugen, um im Budget zu bleiben. Das zeigen die Importzahlen. Über 62 Prozent aller 2022 nach Polen eingeführten Gebrauchtfahrzeuge waren älter als zehn Jahre. Der Import-Gebrauchtmarkt hat ein bemerkenswertes Volumen. Auf jeden neu gekauften PKW kommen anderthalb importierte Gebrauchtwagen.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.