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Menschen in vielen Ländern verschönern in der Coronazeit ihr Zuhause. Auch Möbel aus Polen sind gefragt, Investitionen der Hersteller werden erwartet.
27.10.2020
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Anders als zunächst befürchtet, wird der Umsatz der polnischen Möbelproduzenten 2020 steigen - auf Złoty-Basis um nominal 2,5 Prozent gegenüber 2019. Vor allem aus dem Ausland ist die Nachfrage rege. Überall verbringen Menschen coronabedingt viel Zeit zu Hause. Verbraucher nutzen diese Zeit, um die eigene Wohnung zu renovieren oder sich für das Arbeiten im Home-Office einzurichten. Polens Einzelhandel öffnete nach dem Lockdown im Frühjahr schneller als erwartet. Der schwache Wechselkurs des Złoty (Zł), der am 22. Oktober 2020 auf 4,5877 Zł = 1 Euro fiel, begünstigt die Exporte.
Für das aktuelle Jahr 2020 erwarten Experten Umsätze der polnischen Möbelhersteller von 11,3 Milliarden Euro (umgerechnet zum aktuellen Wechselkurs vom 22. Oktober). Im Vorjahr 2019 beliefen sich die Umsätze der Möbelhersteller auf 11,8 Milliarden Euro (2018: 11,2 Milliarden Euro), umgerechnet zum jeweils jahresdurchschnittlichen Wechselkurs. Das geht aus einer Branchenanalyse vom September 2020 hervor, welche die Marktforschungsfirma B+R Studio und die Allpolnische Wirtschaftskammer der Möbelproduzenten (OIGPM) gemeinsam veröffentlicht haben.
Seit Juni 2020 melden die Möbelhersteller einen regen Auftragseingang. Bei über 80 Prozent der einschlägigen Unternehmen sind die Kapazitäten zu 80 bis 100 Prozent ausgelastet. Daher ist mit weiteren Investitionen zu rechnen. 17 Prozent der Firmen beschaffte im September 2020 bereits mehr Ausrüstungen und Anlagen als im selben Monat des Vorjahres.
Der insgesamt positive Trend betrifft allerdings nicht Einrichtungen für die Gastronomie und Hotels, die derzeit kaum gefragt sind. Bei Wohnmöbeln ist schwer abzusehen, wie lange der Aufschwung anhält. Um nicht plötzlich von Maßnahmen wie Grenzschließungen getroffen zu werden, diversifiziert die Branche ihre Abnehmerschaft.
Den überwiegenden Teil seiner Möbelproduktion exportiert Polen. Deutschland ist der mit Abstand größte Abnehmer. Nun gerät aber auch der US-amerikanische Markt ins Visier der Branche. Im Frühjahr und Herbst 2021 wollen sieben führende Hersteller ihre Produkte auf der Messe High Point Market in North Carolina präsentieren. Polen ist Europas größter Möbelexporteur. Die polnischen Möbelausfuhren stiegen 2019 laut B+R Studio um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Polen ist laut B+R Studio der weltweit sechstgrößte Möbelhersteller und in Europa der drittgrößte hinter Deutschland und Italien. Von einer Pleitewelle blieb die Branche während des Lockdown im Frühjahr 2020 verschont, wie der Vorsitzende der OIGPM, Michał Strzelecki, berichtet. Die Struktur der Branche ist stark fragmentiert und diese Situation hat sich in den vergangenen Jahren weiter verstärkt. Von den fast 30.000 Möbelherstellern waren 2019 laut Schätzungen von B+R Studio 94 Prozent Mikrobetriebe, die vielfach als Zulieferer fungieren. Zu dieser Einschätzung kommt die Marktforschungsfirma in ihrem Polish Furniture Outlook 2020.
Unternehmensgröße | 2017 | 2018 | 2019 1) | Veränderung 2) |
---|---|---|---|---|
Mikro | 25.328 | 26.433 | 27.790 | 5,1 |
Klein | 1.416 | 1.303 | 1.282 | -1,6 |
Mittel | 317 | 306 | 300 | -2,0 |
Groß | 90 | 85 | 84 | -1,2 |
Insgesamt | 27.151 | 28.127 | 29.456 | 4,7 |
Die Woiwodschaft (Verwaltungsbezirk) mit den meisten Möbelherstellern ist Wielkopolskie (Großpolen) mit insgesamt 4.320 Betrieben im Jahr 2019. Davon sind 3.919 Mikrobetriebe, 279 Kleinbetriebe, 94 mittelständische Betriebe und immerhin 28 Großunternehmen. In Mazowieckie (Masowien) gibt es insgesamt 3.971 Möbelhersteller.
Nachdem während des Lockdown im Frühjahr 2020 der Onlinehandel stark zugelegt hatte, kehren die Kunden laut Strzelecki nun auch in die Möbelgeschäfte zurück. Die Mehrheit von ihnen lege Wert darauf, die Möbel vor Ort anzusehen und auszuprobieren. So entfalle auf den stationären Einzelhandel ein Anteil von etwa 90 Prozent des Umsatzes, auf den Onlinehandel 10 Prozent.
Anders sieht das bei Ikea Retail Poland aus: Das Unternehmen erwirtschaftet in Polen bereits ein Fünftel seines Umsatzes online. Im Finanzjahr 2020 beliefen sich die Einnahmen laut der Vorsitzenden Karin Sköld auf insgesamt gut 1 Milliarde Euro, was auf Złoty-Basis einem Zuwachs um 2,6 Prozent entspricht. Im Laufe des Jahres 2020 eröffnete Ikea in Polen 17 Abholstellen für online bestellte Waren. Gleichzeitig vergrößert der schwedische Konzern auch seine stationäre Präsenz. Im 1. Halbjahr 2021 will er in Szczecin (Stettin) sein zwölftes Möbelhaus in Polen eröffnen.