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Branchen
Branchenbericht Polen Hochbau
Private Partner sollen verstärkt Großprojekte wie Häfen oder Müllverbrennungsanlagen kofinanzieren. Experten erwarten 2020 den Durchbruch bei solchen Gemeinschaftsprojekten.
24.03.2020
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Da die Bedeutung von Fördermitteln der Europäischen Union (EU) zur Kofinanzierung von Projekten in Polen künftig abnimmt, rücken Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) stärker in den Fokus. In der Regel finanziert dabei ein privater Partner ein Vorhaben, während die öffentliche Hand zum Beispiel ein Grundstück einbringt. Später betreibt der private Partner das Projekt. Für ÖPP-Projekte können auch EU-Mittel als zusätzliche Finanzierungsquelle genutzt werden.
Von 2009 bis 2019 wurden in Polen 141 ÖPP mit einem Gesamtwert von 1,7 Milliarden Euro initiiert. Zum Vergleich: Der Wert der Investitionen im Land erreichte im Berichtzeitraum 806 Milliarden Euro. Von diesen ÖPP entfielen nach Angaben des Instytut Partnerstwa Publiczno-Prywatnego (IPPP) jeweils 20 Projekte auf die Bereiche Sport und Tourismus sowie die Energieeffizienz, 19 auf die Verkehrsinfrastruktur und 15 auf die Wasserwirtschaft sowie Kanalisation. Bei 126 ÖPP waren örtliche Gemeindeverwaltungen die öffentlichen Partner.
Bislang haben ÖPP in Polen einen Durchschnittswert von 12 Millionen Euro. Einen Anstieg erwarten Experten ab 2020, auch weil im EU-Haushalt für 2021 bis 2027 mit 66 Milliarden Euro rund 17 Milliarden Euro weniger Mittel für Infrastrukturprojekte in Polen vorgesehen sind, als im Haushalt für 2014 bis 2020. Vor diesem Hintergrund will Polen private Gesellschaften stärker in Projekte einbinden.
Das bisher größte Projekt, das als ÖPP realisiert wurde, ist die Müllverbrennungsanlage (MVA) in Poznań (Posen) im Wert von etwa 167 Millionen Euro (netto). Weitere MVA-Projekte sind geplant. Bereits als ÖPP konzipierte Beispiele sind die MVA bei Gdańsk (Danzig) und in Olsztyn (Allenstein). Unterdessen reichen Städte und Gemeinden bei den Marschallämtern der einzelnen Verwaltungsbezirke weitere Vorschläge für MVA ein.
Ein Vorzeigebeispiel ist die MVA "Hafen der Sauberen Energie" (Port Czystej Energii) bei Gdańsk. Pirvater Parnter ist das italienisch-französische Konsortium aus Astaldi, Termomeccanica Ecologia und TIRU. Betreiber der Anlagee soll die französische Firma TIRU, die zur EdF-Gruppe gehört, werden. Die Baukosten der MVA werden auf rund 107 Millionen Euro (netto) veranschlagt. Partner der MVA in Olsztyn ist die polnische Gesellschaft Dobra Energia dla Olsztyna Sp. z o.o.
Auch der Bau des Außenhafens in Gdynia (Gdingen) für etwa 1 Milliarde Euro soll als ÖPP verwirklicht werden. Gleiches gilt für den Zentralhafen in Gdańsk, der voraussichtlich 2,8 Milliarden Euro kosten wird. Der Bau beider Anlagen dürfte etwa zehn Jahre andauern. Bei dem Projekt in Gdynia ist ein Konsortium aus Ernst & Young, der Anwaltskanzlei Domanski Zakrzewski Palinka sp.k. und WYG International beratend tätig.
Der im Zentrum Polens geplante Zentralflughafen mit Bahnanbindung (Centralny Port Komunikacyjny; CPK), könnte ebenfalls als ÖPP konzipiert werden. Der Baubeginn ist für 2023 vorgesehen, der Betrieb soll Ende 2027 aufgenommen werden. Als privater Partner käme ein Flughafenbetreiber in Frage. Zu den Interessenten zählen auch japanische Investoren. Auch im Straßenbau werden größere ÖPP-Verträge erwartet.
Die Abteilungsdirektorin für ÖPP im Ministerium für Fonds und Regionalpolitik (Ministerstwo Funduszy i Polityki Regionalnej; MFiPR), Lilianna Bogusz, veranschlagt den Investitionsbedarf der örtlichen Gemeindeverwaltungen allein in den Bereichen Wasserwirtschaft und Kanalisation, Straßenbau sowie Abfallwirtschaft im weiteren Sinne auf rund 37 Milliarden Euro. Diese Vorhaben brauchten auch privates Kapital.
Jede öffentliche Einrichtung, die eine ÖPP erwägt, kann sich an das MFiPR wenden, um eine Einschätzung der Zweckmäßigkeit zu erhalten. Ein Leitfaden zur Vorbereitung und Verwirklichung von ÖPP steht interessierten Gemeinden und anderen Partnern zur Verfügung. Eine im September 2018 in Kraft getretene Gesetzesnovelle hat zahlreiche Barrieren für ÖPP beseitigt.
Die Stadt Płock (Plozk) hat ein ÖPP im Bereich Energieeffizienz realisert und will weitere Vorhaben mit privaten Partnern angehen. Auf der Agenda stehen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und der Bau eines Spaßbades.
Die beiden ÖPP, die Warschau durchführt, betreffen Wartehäuschen an Haltestellen, an denen der private Partner Werbetafeln anbringen darf, sowie die Renovierung eines Ausflugsdampfers. Weitere ÖPP sollen in der Hauptstadt folgen.
Die Stadt Gdańsk plant ein städtebauliches ÖPP-Projekt: Sie will auf einem zentral gelegenen 11 Hektar großen Grundstücks binnen acht Jahren rund 740 Wohnungen sowie Handels- und Dienstleistungsobjekte bauen. Als privater Partner fungiert ein Konsortium aus dem Wohnungsbauentwickler Euro Styl, der zur britischen Dom Development gehört, und der Firma Inopa, einem Entwickler kommerzieller Gebäude. Die Investitionen des Konsortiums belaufen sich auf 52 Millionen Euro. Hinzu kommen Ausgaben der Stadt von 12 Millionen Euro, unter anderem für einen Sportkomplex nahe einer Schule sowie für die Bewirtschaftung von 5,5 Hektar Grünflächen.
Die niederschlesische Stadt Lubań (Lauban) sucht einen Partner zur energetischen Modernisierung einer Schule, einer Sporthalle und eines Schwimmbades. Der Partner soll zum Teil mit dem Betrag vergütet werden, den die Gemeinde beim Energieverbrauch einspart.
Eine Übersicht aktueller ÖPP in Polen finden Sie auf der Internetseite des IPPP.