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Branchenbericht Polen Tiefbau, Infrastrukturbau
Warschau (GTAI) - Der Bau der Baltic Pipe, die norwegisches Gas nach Polen bringt, kann beginnen. Polen baut sein Leitungsnetz landesweit aus. Die Häfen vergrößern ihre LNG-Kapazitäten.
27.01.2020
Polen tauscht seine Lieferanten von Erdgas ab 2023 komplett aus. Zum Jahresende 2022 soll die Erdgasleitung Baltic Pipe ihren Betrieb aufnehmen. Über sie will das Land den Brennstoff künftig aus Norwegen importieren. Gleichzeitig läuft der Vertrag mit Gazprom über Lieferungen aus der Russischen Föderation aus. Polen will diesen nicht erneuern. In den Ostseehäfen Swinoujscie (Swinemünde) und Gdansk (Danzig) entstehen zudem neue Terminals zum Umschlag von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas; LNG), das ebenfalls zu einer bedeutenden Energiequelle für das Land werden soll.
Alle noch ausstehenden Genehmigungen für die am Meeresboden verlaufenden Teilstücke der Baltic Pipe sollen im 1. Quartal 2020 vorliegen, so Tomasz Stepien, der Vorsitzende der Gesellschaft Gaz-System S.A. Das Unternehmen betreibt die polnischen Erdgasfernleitungen. Ab 2023 sollen über die aus Norwegen kommende Pipeline jährlich bis zu 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas über die westpommersche Küste nach Polen gelangen. Zuerst erfolgt der Bau des Teilstücks, das Polen mit Dänemark verbindet. Noch offene Fragen der Überkreuzung mit den Rohrleitungen von Nord Stream 2 konnten inzwischen geklärt werden.
Am 9. Januar 2020 unterzeichnete Gaz-System einen Vertrag mit der Europipe GmbH, der hauptsächlich die Lieferung von Unterwasserrohren für die Pipeline umfasst. Diese werden von der Mülheim Pipecoatings GmbH in Mülheim an der Ruhr produziert. Die Überlandleitung der Baltic Pipe in Dänemark verlegt die niederländische Gesellschaft A. Hak. Die Baltic Pipe wird aus rund 300 Kilometern Überlandleitungen und über 200 Kilometern Unterwasserleitungen bestehen.
Einen Teil des Erdgases, das durch die Baltic Pipe geliefert werden soll, fördert Polen selbst. Der Konzern Polnische Erdölförderung und Gaswirtschaft AG (Polskie Gornictwo Naftowe i Gazownictwo S.A.; PGNiG) will 2020 unter anderem das Vorkommen Aerfugi unter dem norwegischen Kontinentalschelf stärker ausbeuten. In den ersten drei Quartalen 2019 förderte PGNiG in Norwegen 380 Millionen Kubikmeter Erdgas.
Ein LNG-Terminal mit vier Tanks soll in dem in Gdansk geplanten Zentralhafen neu entstehen. Außerdem will Gaz-System dort ein Spezialschiff mit einer Anlage zur Regasifizierung des LNG einsetzen, wie Stepien gegenüber der Tageszeitung Rzeczpospolita sagte. Diese sogenannte Floating Storage Regasification Unit (FSRU) solle das Flüssigerdgas nicht nur wieder in den gasförmigen Zustand bringen, sondern es zudem auch lagern.
Das Spezialschiff (FSRU) und die erforderlichen neuen Anschlussleitungen von Gdansk zum bestehenden Inlandsnetz sollen laut Stepien drei Jahre nach Inbetriebnahme der Baltic Pipe nutzbar sein. Gegenwärtig wird deren Bau vorbereitet. In einer ersten Phase solle die Jahreskapazität der FSRU 4 Milliarden bis 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas betragen, später könne diese noch verdoppelt werden.
Das LNG-Terminal im Hafen von Swinoujscie wird zudem bis 2021 auf eine Jahreskapazität von 7,5 Milliarden Kubikmeter erweitert. Das erfolge durch eine Vergrößerung der Möglichkeiten zur Regasifizierung des Flüssigerdgases. Außerdem würden die Anlegestellen für die LNG-Tanker ausgebaut und Möglichkeiten geschaffen, das Gas auf die Eisenbahn zu verladen. Bisher beträgt die Kapazität in Swinoujscie 5 Milliarden Kubikmeter jährlich. Der Standort bietet laut Stepien außerdem Platz für einen dritten Tank, sodass die Kapazitäten zur Regasifizierung künftig noch auf bis zu 10 Milliarden Kubikmeter steigen könnten. Ein Lieferant ist die US-Firma Venture Global LNG.
Um das ganze Land mit dem an der polnischen Küste angelieferten Gas versorgen zu können, muss das Leitungsnetz weiter ausgebaut werden. Nachdem in den vergangenen Jahren bereits etwa 1.000 Kilometer Rohrleitung verlegt worden sind, sollen nun laut Netzbetreiber Gaz-System S.A. bis Ende 2022 noch einmal circa 2.000 Kilometer hinzu kommen. Zum Projekt Baltic Pipe gehören der Bau von zwei Überlandfernleitungen und von Kompressorstationen, die das Erdgas komprimieren, um Druckverluste auszugleichen.
Ein anderes Vorhaben ist die Schaffung des Nord-Süd-Korridors, der aus 14 Erdgas-Pipelines und Kompressoren besteht. Darüber soll der Brennstoff vom LNG-Terminal in Swinoujscie und der Ostseeleitung in die Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke) Slask (Oberschlesien), Malopolska (Kleinpolen) und Podkarpackie (Karpartenvorland) befördert werden.
Die Pläne für den Nord-Süd-Korridor seien im Vergleich zu den anderen Vorhaben am weitesten fortgeschritten. Kürzlich habe man 170 Kilometer Leitungen in Wielkopolska (Großpolen) übergeben. Im Jahr 2020 sollten weitere 420 Kilometer folgen und 2021 rund 230 Kilometer sowie die nötigen Kompressorstationen. Außerdem soll eine neue Anbindungsleitung ab 2021/22 das polnische mit dem litauischen und dem slowakischen Ferngasleitungsnetz verknüpfen.
Laut dem ehemaligen Vorsitzenden von PGNiG, Piotr Wozniak, sollen ab etwa Herbst 2021 rund 90 Prozent der polnischen Bevölkerung Zugang zum Gasnetz haben. Ziel sei es, allen Einwohnern die Nutzung dieses Energieträgers zu ermöglichen. Im polnischen Energiemix soll der Anteil von Erdgas bis 2040 auf 16 Prozent steigen. Wozniak hält das Potenzial dieses Brennstoffes jedoch für noch größer.
Im Jahr 2018 lag der Anteil von Erdgas an den in Polen installierten Energiekapazitäten laut der Denkfabrik Forum Energii (Energieforum) bei 6 Prozent. Den inländischen Verbrauch von Erdgas im Jahr 2019 schätzt Wozniak auf rund 19 Milliarden Kubikmeter. Die Nachfrage weise eine steigende Tendenz auf, die auch künftig weiter anhalten dürfte. Zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts habe der Verbrauch erst bei 14 Milliarden bis 15 Milliarden Kubikmeter jährlich gelegen.
Polen stehen umfangreiche Investitionen in die Verteilnetze bevor. Der Bevollmächtigte der Regierung für die strategische Energieinfrastruktur, Piotr Naimski, veranschlagt die bis 2023 erforderlichen Ausgaben auf insgesamt 5,4 Milliarden Euro. Der weitaus größte Teil entfällt dabei mit 3,3 Milliarden Euro auf Gaz-System, den Betreiber der Erdgasfernleitungen. Dahinter folgen der Betreiber der Hochspannungsleitungen, Polskie Sieci Elektroenergetyczne (PSE), mit 1,4 Milliarden Euro und die für die Erdölleitungen zuständige Gesellschaft PERN (0,7 Milliarden Euro). Gaz-System kalkuliert für die darauf folgenden zehn Jahre weitere Aufwendungen von 2,4 Milliarden Euro ein.
Bezeichnung | Internetadresse | Anmerkungen |
Operator Gazociagow Przesylowach Gaz-System S.A. | http://www.gaz-system.pl | Betreiber des Fernleitungsnetzes für Erdgas |
Polskie Gornictwo Naftowe i Gazownictwo S.A. (PGNiG) | http://www.pgnig.pl | Mineralöl- und Erdgaskonzern |
Forum Energii | http://www.forum-energii.eu | Denkfabrik zum Energiesektor |
Weitere Informationen zu Polen finden Sie unter http://www.gtai.de/Polen