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PolenArzneimittel, Diagnostika / Produktionsanlagen für Chemie, Petrochemie und Pharmazie / Chemie
Branchen
Branchenbericht Polen Arzneimittel, Diagnostika
Polens Hersteller von Pharmazeutika sind wieder zuversichtlicher. Ihre Investitionen legten 2019 deutlich zu. Die Forschung rückt in den Mittelpunkt.
04.03.2020
Von Niklas Becker | Warschau
Nachdem die Produktion von Pharmazeutika in Polen 2018 um mehr als 20 Prozent zurückgegangen war, verzeichneten die Firmen in den ersten drei Quartalen 2019 wieder einen leichten Anstieg von 1,2 Prozent auf rund 2 Milliarden Euro. Das Marktforschungsinstituts PMR Research prognostizierte bereits Mitte 2019 ein jährliches Wachstum des polnischen Marktes für Pharmazeutika bis 2023 um durchschnittlich 3 Prozent.
Produktion von Pharmazeutika in Polen (in Mrd. Euro; Veränderung in %)
2016 | 2017 | 2018 | |
---|---|---|---|
Produktionswert | 2,9 | 3,1 | 2,4 |
Veränderung im Vergleich zum Vorjahr | 0,3 | 3,8 | -20,7 |
Quelle: Polnisches Statistikamt (Główny Urząd Statystyczny; GUS)
Die Apothekenumsätze beliefen sich 2019 nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmens PEX Pharma Sequence auf rund 8,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anstieg von 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der durchschnittliche Verkaufspreis eines Präparats lag bei rund 5 Euro. Rezeptfreie Medikamente hatten den größten Anteil an den Einnahmen.
Nach Angaben des polnischen Statistikamtes GUS gab es Ende 2019 rund 700 Hersteller pharmazeutischer Produkte im Land. Zum Großteil handelt es sich dabei um Kleinstbetriebe mit weniger als 10 Angestellten. Fast 40 Firmen beschäftigen hingegen zwischen 50 und 249 Personen und 22 Unternehmen mindestens 250 Personen. Als eine der innovativsten Firmen der Branche gilt Selvita. Das polnische Pharmaunternehmen belegte im branchenübergreifenden Innovationsranking der Tageszeitung Rzeczpospolita Anfang 2020 den ersten Platz.
Die Auslastung der Unternehmen ging im Laufe des Jahres 2019 leicht zurück und lag im Januar 2020 bei 77,5 Prozent. GUS verzeichnete auch 2019 einen Anstieg der Investitionsausgaben polnischer Pharmabetriebe. Für das Jahr 2018 wurde bereits ein Zuwachs von mehr als 20 Prozent registriert. Zwischen Januar und September 2019 legten die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nochmals um 14,6 Prozent zu und erreichten einen Wert von 123 Millionen Euro.
Das international tätige Pharmaunternehmen AstraZeneca kündigte im Januar 2020 im Rahmen des Wirtschaftsforums in Davos an, in den nächsten fünf Jahren rund 350 Millionen Euro in Aktivitäten für Forschung und Entwicklung (F&E) in Polen zu investieren. Mit den Mitteln soll unter anderem ein Forschungszentrum für Bioinformatik und Präzisionsmedizin eingerichtet werden. Außerdem will AstraZeneca die Zusammenarbeit mit nationalen Forschungszentren und Start-ups verstärken.
Bereits im November 2018 hatte AstraZeneca in Polen Investitionen in ähnlicher Größenordnung bekanntgegeben. Dieser Investitionsprozess sei bereits abgeschlossen. AstraZeneca stellt in Polen zwar keine Medikamente her, beschäftigte Anfang 2020 allerdings rund 1.800 Angestellte. Nach eigener Aussage des Unternehmens gibt es keine Pläne, in Polen in die Produktion von Medikamenten zu investieren. Die Investitionssumme von 350 Millionen Euro sei hauptsächlich für Humankapital vorgesehen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die Zahl der Beschäftigten auf 2.400 wachsen.
Neue Investitionen hat auch das staatliche Unternehmen Polfa Tarchomin angekündigt. Umgerechnet sollen rund 71 Millionen Euro in die Fabrik in Warschau investiert werden. Geplant sind zwei Produktionslinien unter anderem zur Herstellung von onkologischen Medikamenten sowie ein Labor. Das polnische Pharmaunternehmen Adamed wird laut Wirtschaftszeitung Puls Biznesu mehr als 53 Millionen Euro investieren, um sein Werk in Łódź auszubauen.
Im März 2019 wurde in Polen eine medizinische Forschungsagentur (Agencja Badań Medycznych; ABM) gegründet. Diese soll nicht-kommerzielle klinische Studien finanzieren und Zuschüsse für medizinische Forschung bereitstellen. Im Jahr 2019 führte die Agentur bereits einen ersten Wettbewerb für entsprechende Studien im Bereich der Arzneimitteltechnologien durch. Für die Fördermittel in Höhe von 23,3 Millionen Euro gingen fast 80 Projektanträge mit einem Gesamtwert von rund 350 Millionen Euro ein. Wer den Zuschlag für die finanzielle Förderung bekommt, soll im März 2020 bekanntgegeben werden.
Für 2020 plant die Agentur, einen weiteren Wettbewerb mit einem Budget von 70 Millionen Euro durchzuführen. Wissenschaftliche Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft können eine volle Kostenübernahme für ihre Projekte beantragen. Ein Viertel der Mittel soll auch der kommerziellen Forschung zugutekommen. In diesem Fall ist allerdings nur eine Kofinanzierung der Forschung möglich. Weitere Details zur neuen Ausschreibung waren Mitte Februar 2020 noch nicht bekannt.
Polens Wirtschaftsministerin Jadwiga Emilewicz kündigte im Januar 2020 an, wieder an dem Verfahren zur Rückerstattung von Entwicklungskosten für Pharmaunternehmen (Refundacyjny Tryb Rozwojowy; RTR) im Februar zu arbeiten. Dieses soll die Firmen der Branche dazu ermutigen, in Polen zu investieren. Das Verfahren wurde 2016 erstmals vorgestellt, allerdings nie eingeführt.
Mit RTR soll Pharmaunternehmen, die beispielsweise in die Erforschung und Entwicklung eines Medikaments in ihrer polnischen Fabrik investieren, der Status „Freunde der polnischen Industrie" verliehen werden. Dadurch lassen sich unter Umständen Zuschüsse für die neue Investition geltend machen. Auch eine einfachere Aufnahme des neuen Präparats auf die Erstattungsliste als Ausgleich für die Investition ist angedacht. Für Medikamente auf dieser Liste müssen die Bürger nur einen Teil des Preises zahlen. Den Rest übernimmt der Staat. Einige Produkte sind sogar zuzahlungsfrei. Ein Platz auf der Erstattungsliste könnte also größere Absatzzahlen versprechen.