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Branchenbericht Russland Abfallentsorgung, Recycling

Abfallverwertung nimmt Fahrt auf

Die Modernisierung der russischen Abfallwirtschaft kommt in Gang. Es entstehen Anlagen zur Sortierung, Verarbeitung und Kompostierung. Deutsche Zulieferer sind mit im Geschäft.

Von Gerit Schulze | Moskau

Seit fast drei Jahren setzt Russland seine Abfallreform um. Auch wenn der Start etwas holprig verlief, entstehen jetzt überall im Land moderne Müllverwertungsanlagen. Ziel ist es, die Deponiequote bis 2030 von 94 auf 50 Prozent zu senken und illegale Müllhalden zu rekultivieren.

Nach Angaben der für die Steuerung der Reform zuständigen Gesellschaft REO (Russischer ökologischer Operator) können heute rund 20 Millionen Tonnen Hausmüll sortiert und davon 5 bis 7 Prozent wiederverwendet werden. REO verweist auf über 100 Projekte zur Sortierung, Behandlung und Verarbeitung von Hausmüll, die in den Jahren 2019 und 2020 entstanden sind.

Investitionsvorhaben im ganzen Land

Laut REO-Geschäftsführer Denis Buzajew sind zurzeit 13 weitere Investitionsprojekte für die Behandlung von Siedlungsabfällen in der Pipeline. Für über 100 Projekte prüft REO eine finanzielle Unterstützung. Auch Werke zur Verarbeitung von Kunststoffabfällen sind darunter. Ein Auswahl an Projekten finden Sie in der Tabelle am Ende des Artikels.

Viele Projekte, zähe Auftragsvergabe

Die wichtigsten Produktionsanlagen für Sortierung und Recycling können inzwischen zu 60 Prozent in Russland hergestellt werden, laut der staatlichen Abfallgesellschaft REO. Trotzdem bleiben deutsche Zulieferer im Geschäft, bestätigt Georg Böttinger gegenüber Germany Trade & Invest. Er ist Verkaufsleiter für Industrieausrüstungen beim Kölner Maschinenhandelsunternehmen Anton Ohlert. „Bei Sortieranlagen zeigt Russlands Lokalisierungspolitik tatsächlich Wirkung“, meint der Marktkenner. „Neue Projekte verhandeln wir aber bei Anlagen für Kompostierung, Glasrecycling und Aufbereitung von Verbrennungsasche.“


Zu Pandemiezeiten liefen die Verkaufsgespräche häufig online über Videokonferenzen. Die Monteure zum Anschluss der Maschinen seien dennoch ins Land gekommen - dank der von der Auslandshandelskammer mit organisierten Sonderflüge, sagt Böttinger. Inzwischen finden in Russland auch wieder Präsenzmessen statt.


Ein Problem sind die langen Fristen bei der Umsetzung der Projekte. „Viele Vorhaben bleiben sehr lange liegen bevor sie in konkrete Aufträge münden, weil Behörden oder Regionalverwaltungen die Finanzierung nicht freigeben.“

Regionalranking zu Fortschritten bei Abfallreform geplant

Das Umweltministerium soll demnächst ein Regionalranking zu den Fortschritten bei der Abfallreform erstellen. Kriterien sind der Zugang zur Mülltrennung, der Recyclinganteil und Investitionen in die Abfallverwertung. Die am besten bewerteten Regionen können mit schnelleren Investitionszusagen rechnen.

In Moskau ist seit Mai 2021 der Kommunalbetrieb GUP Ekotechprom für die Hausmüllentsorgung zuständig. Altverträge mit anderen Entsorgungsbetrieben laufen vorerst weiter. Russlands Hauptstadt ist für rund 11 Prozent der gesamten Hausmüllmenge des Landes verantwortlich, jährlich rund 8 Millionen Tonnen. Nach Angaben der Stadtverwaltung wurden 2019 etwa 420.000 Tonnen recycelt, 2021 sollen es 1 Million Tonnen sein. Ekotechprom will die Abfallsammlung auf Läden und Büros ausweiten. 

Projekte für Batterie- und Kunststoffrecycling

Fortschritte macht die stoffliche Verwertung von Haushaltsbatterien. Große Kapazitäten haben Megapolisresurs in Tscheljabinsk und NEK in Jaroslawl aufgebaut. Bis 2024 sollen sieben weitere Recyclingwerke für Altbatterien und Leuchtstoffröhren entstehen. In Russland werden jährlich rund 1 Milliarde Batterien weggeworfen. Nur knapp 2 Prozent davon gehen ins Recycling.

Ein weiterer Schwerpunkt der Investitionen ist die Verarbeitung von Kunststoffabfällen. Im Moskauer Gebiet sind zwei große Anlagen geplant. REO hat dem Industrie- und Umweltministerium eine Liste mit 28 Kunststofferzeugnissen vorgelegt, die sich nur schwer recyceln lassen. Dazu gehören Wattestäbchen, Kaffeekapseln und Blisterverpackungen. REO schlägt vor, solche Produkte durch Materialien zu ersetzen, die leichter wiederverwendbar sind.

Hersteller verantwortlich für ihre Verpackungen

Eine wichtige Motivation dabei könnte die erweiterte Herstellerverantwortung (russische Abkürzung: ROP) sein, mit denen Erzeuger und Importeure für die Nachnutzungsphase ihrer Produkte und Verpackungen herangezogen werden. Laut ROP-Konzeption haben Unternehmen dabei drei Optionen:

  • Umweltabgabe bezahlen,
  • Vertrag mit einem autorisierten Recyclingunternehmen abschließen,
  • selbst die Wiederverwertung organisieren.

Mit den Mitteln der Umweltabgabe sollen Projekte zur Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungen und anderen Produkten finanziert werden. Bislang läuft die Erhebung der Umweltabgabe allerdings nur schleppend. Nicht einmal jeder zehnte Produzent oder Importeur zahlt derzeit diese Gebühr. 

Eigentlich sollten Verpackungen ab 1. Januar 2022 zu 100 Prozent verwertet werden. Für andere Produkte war ein Stufenplan vorgesehen. Ende August 2021 hatte das Wirtschaftsministerium jedoch vorgeschlagen, den Start um zwei Jahre zu verschieben. Begründet wurde das mit dem Risiko steigender Lebensmittelpreise durch den Recyclingzwang für Verpackungen und mit dem Fehlen einer Infrastruktur für die Verwertung.

Pfandautomaten für Wohnviertel und Geschäfte

Ein wachsendes Geschäftsfeld sind Pfandautomaten. Der Staatsbetrieb REO baut ein landesweites Netz mit 10.000 Automaten in Wohnvierteln, Einkaufszentren und Bahnhöfen auf. Dafür investiert REO in in den Jahren 2021 und 2022 rund 70 Millionen Euro. Den Anfang machen die Pilotregionen Tscheljabinsk, Belgorod und Nischni Nowgorod.

Die Pfandautomaten kommen meist aus russischer Produktion, vor allem von den Herstellern Taras Group, Ecoplatform, Ekotechnologii und Sowremenny rezikling. Insgesamt werden in Russland nach REO-Schätzungen 150.000 Pfandautomaten benötigt, um Verpackungsabfälle effizient einzusammeln.

Meldepflichten bei Altmetallen

Für die Altmetallerfassung plant die Regierung neue Regelungen und Anreize, um das Volumen zu erhöhen. Ein Maßnahmenpaket sieht unter anderem ein Monitoring der erfassten Menge, des Bedarfs und Exports von Metallschrott vor. Staatsbetriebe sollen künftig Buch darüber führen, welche Altmetallvolumina bei ihnen anfallen.

Das jährliche Aufkommen an Schwarzmetallschrott wird von 30 Millionen auf 45 Millionen Tonnen steigen, prognostiziert der Altmetallverband Ruslom. Großes Potenzial sehen Experten bei der Gewinnung von Metallresten alter Stahlbetonkonstruktionen.

Müllverbrennung bleibt aktuell

Verzögerungen gibt es beim Bau von fünf Müllverbrennungsanlagen (MVA) im Moskauer Gebiet und in Tatarstan, weil ausländische Monteure während der Coronapandemie einige Zeit nicht ins Land kamen. Nach Angaben des halbstaatlichen Investors RT-Invest sollen die Anlagen nun 2023 in Betrieb gehen. Mit Baukosten von 380.000 Rubel (4.400 Euro, Wechselkurs der EZB am 14. September 2021: 1 Euro = 86,11 Rubel) je Kilowatt Leistung gehören sie zu den teuersten Stromerzeugungsanlagen in Russland. 

RT-Invest will trotzdem 25 weitere Kraftwerke errichten. Die nötigen Investitionen werden auf über 15 Milliarden Euro geschätzt. Das Unternehmen hofft auf staatliche Subventionen und erwartet, dass durch die Verbrennungsanlagen 200 Hausmülldeponien geschlossen werden können. Beim jüngsten Investitionsforum in Wladiwostok bekräftigte das Industrieministerium seine Unterstützung für den Bau der 25 MVA.

Aktuelle Investitionsprojekte in Russlands Abfallwirtschaft

Projekt / Ort

Investitionsbetrag Mio. Euro *)

Geplante Fertigstellung

Investor / Anmerkungen

Ökocluster bei Jekaterinburg mit Sortierlinien, Kompostieranlage, neuer Deponie und Treibstoffgewinnung

162,6

k.A.

Holdinggesellschaft Ekologitscheskie sistemy (gehört zum Entsorgungsbetrieb TEO Tjumen)

Abfallverarbeitungswerk / Leningrader Gebiet oder Weliki Nowgorod

116,1

Absichtserklärung, Verhandlungsphase

Holding Soswesdije Wodoleja

Abfallsortieranlage / Klin, Moskauer Gebiet

102,2

Dezember 2021

OOO Kombinat / Kapazität von 950.000 t Hausmüll pro Jahr

Abfallverarbeitungswerk / Solnetschnogorsk, Gebiet Moskau

83,6

März 2022

KPO Newa (gehört zur Gruppe Ecoline) / Kapazität von 500.000 t Hausmüll pro Jahr

Bau eines Werks zur Kunststoffverarbeitung / Moskauer Gebiet

69,7

Baubeginn 2022, geplante Bauzeit: 1,5 Jahre

RT-Invest / Verarbeitungskapazität von 120.000 t PET pro Jahr

Abfallsortieranlage / Nischni Tagil, Swerdlowsker Gebiet

46,5

2022

Oblkommunenergo (Auftraggber), Intertechelektro (Bauausführung)

Abfallsortier- und Recyclinganlage / Magadan

34,8

1. Halbjahr 2023

Im August 2021 Vereinbarung zwischen Regionalverwaltung und Staatskonzern REO getroffen

Werk zur Verarbeitung von Kunststoffabfällen / Jegorjewsk, Moskauer Gebiet

23,2

Ende 2022

Jointventure von Ecoline und Vtor-Plast / Kapazität für 43.000 t pro Jahr

Abfallverarbeitungswerk / Angarsk, Gebiet Irkutsk

17,4

2022

RT-NEO


Bau einer Abfallverwertungsanlage / Republik Chakassien

3,1

1. Halbjahr 2022

OOO Eko Grupp (gehört zu Tschisty gorod Kemerowo)

Drei Abfallsortier- und Verarbeitungswerke / Region Krasnodar

k.A.

2021/2022

EkoZentr;

Musorouborotschnaja kompanija;

Ekotechprom

Rekultivierung einer Chemieabfallhalde / Omsk

2,3

Projektierungsphase, mögliche Fertigstellung: 2024 bis 2026

Investor: Omski kautschuk (gehört zur Titan-Gruppe), technische Durchführung:

Promekologija

*) umgerechnet zum Wechselkurs der EZB vom 14. September 2021: 1 Euro = 86,11 RubelQuelle: Unternehmensangaben, Presseberichte, Recherchen von Germany Trade & Invest

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