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Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung

Ein Vergaberekord bei vergünstigten Hypothekenkrediten sorgt für Wachstum im Wohnungsbau. Büro- und Lagerimmobilien bleiben gefragt. Die Kosten für Material und Personal steigen.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Die Aussichten für 2021 in Russlands Baubranche sind gut. Die Vergabe vergünstigter Hypothekenkredite kurbelt den Wohnungsbau an. Die verarbeitende Industrie fasst wieder Tritt und steigert die Nachfrage im gewerblichen Bau. Im Jahr 2020 entsprach die Bauleistung mit einem Wert von etwa 9,5 Billionen Rubel (etwa 114,8 Milliarden Euro, 1 Euro = 82,72 Rubel, Jahresdurchschnittskurs der Europäischen Zentralbank) ungefähr dem Vorjahresniveau.

Steigende Faktorpreise verteuern Baukosten

Die Baukosten werden 2021 um 5 bis 7 Prozent steigen, prognostiziert Vizepremierminister Marat Chusnullin. Ursache hierfür sind höhere Preise für Baumaterialien wie Baustahl und Metall. Im Dezember 2020 betrug die Zunahme bis zu 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Zudem stiegen die Löhne auf dem Bau 2020 um etwa 50 Prozent. Coronabedingt fehlen in der Branche etwa 1,5 bis 2 Millionen Arbeitsmigranten. Am 1. April 2021 wurden regelmäßige Flugverbindungen mit Usbekistan und Tadschikistan wieder aufgenommen, den Hauptherkunftsländern der Gastarbeiter. Daneben setzt die Regierung auf die Aus- und Weiterbildung inländischer Arbeitskräfte. Seit 1. Januar 2021 ist Frauen die körperliche Arbeit auf dem Bau erlaubt. Daneben soll die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen im Bauwesen Fachkräften aus anderen EAWU-Mitgliedsstaaten die Arbeitsaufnahme in Russland erleichtern.

Vergünstigte Hypothekenkredite befeuern Wohnungsbau

Im Zuge des bis 2030 verlängerten nationalen Projekts „Wohnungsbau“ sollen insgesamt 1 Milliarde Quadratmeter neuer Wohnraum entstehen. Im Jahr 2020 wurden 80,6 Millionen Quadratmeter fertiggestellt, ein Minus von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2021 und 2022 sollen jeweils 82 Millionen, 2023 rund 85 Millionen und 2024 bereits 90 Millionen Quadratmeter Wohnraum errichtet werden.

Wachstumsfaktor Nummer eins sind vergünstigte Hypothekenkredite, die 2020 in Rekordhöhe von 4,3 Billionen Rubel (etwa 52 Milliarden Euro) vergeben wurden. Das entsprach einer Steigerung um 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wegen der großen Nachfrage wurde das Programm bis zum 1. Juli 2021 verlängert. Die Beratungsgesellschaft S&P erwartet für 2021 Hypothekenvergaben im Wert von 3,8 Billionen Rubel. Das Bauministerium will das Programm trotz Bedenken der Zentralbank bis Ende 2021 verlängern. Eine Entscheidung fällt voraussichtlich im Juni 2021.

Die Coronapandemie beschleunigte den Bau von Einfamilienhäusern. Im Jahr 2020 wurden Eigenheime mit einer Fläche von 38,7 Millionen Quadratmeter fertiggestellt. Das entspricht fast der Hälfte des neu gebauten Wohnraums. Im Trend liegen größere Wohnungen mit Arbeitszimmer und höherwertiger Innenausstattung.

Bis 2030 sollen Einfamilienhäuser mit einer Fläche von jährlich 60 Millionen Quadratmeter entstehen. Verbilligte Hypothekenkredite hierfür sollen ab dem 1. Juli 2021 zusätzliches Wachstum generieren, kündigte Vizepremierminister Chusnullin an. Im Vorjahr lag der Anteil der Hypothekenkredite für Einfamilienhäuser nur bei 5 Prozent.

Die Nachfrage betuchter Russen nach hochwertigen Immobilien ist ungebrochen. Im 1. Quartal 2021 verdoppelten sich die Ausgaben für Premium- und Luxuswohnungen in Moskau im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf etwa 557 Millionen Euro, meldet der Luxusimmobilienmakler Savills. Im Jahr 2020 erreichte der Moskauer Markt für Premium-Wohnimmobilien mit einem Plus von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein Volumen von etwa 1,4 Milliarden Euro, gab die Immobilienagentur Knight Frank bekannt. Vor allem wegen der Rubelabwertung legen wohlhabendere Russen ihre Ersparnisse gern in Betongold an.

Ende Dezember 2020 unterzeichnete Präsident Putin das Gesetz zur „Integrierten Entwicklung von Territorien“ (KRT) zum Abriss oder zur Sanierung baufälliger Gebäude. Über dieses Programm revitalisiert Moskau Industriebrachen. Ab 2021 soll das KRT-Verfahren in 15 Regionen Anwendung finden, darunter Tatarstan, Tjumen, Nowosibirsk und Kemerowo. Mehr als 40 Prozent der Mehrfamilienhäuser in Russland sind älter als 50 Jahre alt und müssen in den nächsten Jahren saniert werden.

Büroflächen werden kleiner und flexibler

Die Pandemie verändert die Nachfrage nach Büroflächen. Im Trend liegen kleinere Büros, die im Schichtbetrieb genutzt werden können, sowie Co-Working-Spaces. Im Jahr 2021 kommen rund 500.000 Quadratmeter Bürofläche neu auf den Markt, vor allem in Moskau, schätzt die Immobilienagentur JLL. Aus Kostengründen werden mehr als die Hälfte der neuen Büros an der Peripherie errichtet. Die MR Group entwickelt für den IT-Konzern Yandex eine neue Firmenzentrale in Moskau. Die Russische Eisenbahn (RZD) investiert 1,4 Milliarden Euro in eine neue Konzernzentrale in Moskau.

Im Jahr 2020 wurden etwa 423.000 Quadratmeter Einkaufszentren in Betrieb genommen. Knight Frank zufolge ist das der niedrigste Wert seit 10 Jahren. Etwa zwei Drittel der Projekte wurden verschoben, vor allem in den Regionen. In Moskau verdoppelte sich die Leerstandsquote im Vergleich zum Vorjahr auf 11 Prozent. Etwa 600.000 Quadratmeter Fläche für die Shopping-Malls werden 2021 errichtet, meldet die Immobilienagentur Cushman & Wakefield. Im Trend liegen kleinere Einkaufszentren mit Flächen für Life-Style, SPA-Salons oder Co-Working-Spaces.

Hoher Bedarf an modernen Lagerimmobilien

Der Boom im Onlinehandel lässt die Nachfrage nach Lagerflächen wachsen. Der Branchenverband AKIT rechnet 2021 mit einem Marktwachstum von 16 Prozent auf 3,7 Billionen Rubel. In der Stadt und im Gebiet Moskau entstehen 2021 bis zu 2,1 Millionen Quadratmeter hochwertiger Lagerimmobilien. Der Trend geht zur build-to-suit-Bauweise. AT-Immobilien entwickelt für Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) im Gebiet Moskau einen Industrie- und Lagerkomplex. Rhenus errichtet bis Ende 2021 für 11 Millionen Euro ein Logistikzentrum in der Region Krasnodar. Alliance Domodedowo baut für 330 Millionen Euro einen Industriepark mit Lagerhallen im Gebiet Moskau.

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