Die Coronapandemie drückt die Nachfrage nach Zeitungspapier. Schachteln aus Wellpappe und Hygienepapier hingegen sind gefragt. Die Regierung unterstützt systemrelevante Betriebe.
Zellstoff- und Papierindustrie: Coronavirus lässt Papierabsatz einbrechen
Während des landesweiten Lockdowns im April und Mai 2020 sank die Nachfrage nach gestrichenem Papier um etwa 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der kommerzielle Druck von Tageszeitungen und Zeitschriften war faktisch eingestellt. Bei Digital- und Designpapier brachen die Verkäufe um 85 Prozent ein. Starke Rückgange musste auch der Buchhandel hinnehmen, so dass der Bedarf an Offsetpapier um 50 Prozent zurückging. Seit Juni 2020 setzt wieder eine Erholung der Nachfrage ein.
Durch die Umsetzung der „Strategie zur Entwicklung der Forstwirtschaft“ soll die Produktion von Zellstoff bis 2030 auf 11,3 Millionen Tonnen steigen. Dazu fließen Mittel in die Modernisierung bestehender und den Bau neuer Kombinate, darunter beim Marktführer Ilim Group. Die Segezha Group sucht Partner für die etwa 1 Milliarde Euro teure Erweiterung und Umrüstung des Zellstoffkombinats in Segezha in der Republik Karelien. Im Holzverarbeitungskombinat Sokol im Gebiet Wologda plant Segezha die Modernisierung der Anlagen zur Papierherstellung. Die Firmen Mondi SLPK und Luzales haben im Februar 2020 mit der Regierung der Republik Komi eine Vereinbarung zur Vorprojektierung eines Zellstoffkombinats geschlossen.
Wellpappe- und Packmittelindustrie: Onlinehandel benötigt mehr Kartonverpackungen
Onlinehändler sind seit der Selbstisolation gefragt wie nie. Die Zahl der Bestellungen von Waren des täglichen Bedarfs bei Lieferdiensten ging durch die Decke. Gefragt waren vor allem Packmittel für tiefgefrorene und langlebige Lebensmittel wie Graupen oder Nudeln, sowie für Arzneimittel. Entsprechend stieg zwischen April und Mai 2020 die Nachfrage nach Wellpappe um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sowie nach Makulatur um 5 Prozent.
Der weltweite Trend zum Ersatz von Plastik durch Papierverpackungen hält auch in Russland immer mehr Einzug. Die Schnellimbisskette McDonalds wird bis 2025 vollständig auf Papier- und Kartonverpackungen aus erneuerbaren Rohstoffen umstellen. Davon sind etwa 86 Prozent aller Verpackung betroffen.
Die österreichisch-deutsche Pulp Mill Holding investiert etwa 260 Millionen Euro in eine Kartonfabrik im Gebiet Kaluga, in der auch Altpapier verarbeitet werden soll. Die GS Group erweitert für 5,7 Millionen Euro in die Produktion von Papierverpackungen im Gebiet Kaliningrad.
Papierverarbeitungsindustrie: Bedarf an Hygienepapier steigt sprunghaft
Zu Beginn der Pandemie explodierte die Nachfrage nach Papierhandtüchern, Toilettenpapier, Servietten und vor allem Masken förmlich. Nach Aufhebung der Selbstisolation haben sich die Verkäufe wieder auf dem Vorjahresniveau eingependelt.
Hayat Russia wird mit der Realisierung seines Projekts zum Bau eines Werks im Gebiet Kaluga zum größten Hersteller von Hygienepapier in Russland aufsteigen.
Zellstoff- und Papierhersteller erhalten Unterstützung
Die Regierung hat 34 Unternehmen aus der Forstwirtschaft, Holzverarbeitung und Papierindustrie mit mehr als 5 Milliarden Rubel Umsatz und mindestens 500 Beschäftigten als systemrelevant eingestuft, darunter die Ilim Group, die Segezha Group, Mondi Syktykwar, Sweza und Archbum. Die gelisteten Betriebe durften während der arbeitsfreien Zeit unter Einhaltung der Hygienevorschriften weiterarbeiten. Zudem erhalten sie staatliche Unterstützung wie zinsgünstige Kredite zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs. Geplante Investitionsprojekte laufen ohne größere Änderungen weiter.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der russischen Papierindustrie
Akteur/Projekt | Investitionssumme (Mio. Euro) | Projektstand | Anmerkungen |
Bau einer Zellstoff- und Papierfabrik / Bogutschansk, Region Krasnojarsk | 1.616,6 | Abschluss der Projektierung: 2021, geplante Fertigstellung: 2025 | Rockwell Capital; Kraslesinvest (gehört zur Vneschekonombank) |
Bau eines Zellstoff- und Pappekombinats / Ust-Ilimsk, Gebiet Irkutsk | 1.428,0 | Im Bau; geplante Fertigstellung: 2022 | Ilim Group |
Bau einer Wellpappefabrik / Gebiet Brjansk | 139,2 | Geplante Fertigstellung: 2022 | AO Proletarij |
Bau einer Hygienepapierfabrik / Gebiet Kaluga | 82,1 | Absichtserklärung unterzeichnet | Hayat Russia |
Ausbau einer Wellpappefabrik / Gebiet Moskau | 52,8 | Geplante Fertigstellung: 2021 | AO Archbum (gehört zur Gruppe Pulp Mill) |
Bau einer Wellpappefabrik / Gebiet Uljanowsk | 29,0 | Geplante Fertigstellung: 2023 | AO Archbum (gehört zur Gruppe Pulp Mill) |
Bau einer Verpackungsfabrik (Projekt Archbum-Upack) / Sonderwirtschaftszone „Kaluga“, Gebiet Kaluga | 23,2 | Absichtserklärung unterzeichnet | AO Archbum (gehört zur Gruppe Pulp Mill) |
Bau eines Zellstoffkombinats / Lesosibirsk, Region Krasnojarsk | 15,5 | Vorbereitung der Projektdokumentation; geplante Inbetriebnahme: 2021 | Segezha Group (gehört zu AFK Sistema), CAMCE (China) |
Ausbau der Papierproduktion / Gebiet Jaroslawl | 12,9 | Geplante Fertigstellung: 2022 | Syktywkar Tissue Group |
Bau einer Zellstoff- und Papierproduktion / Gebiet Uljanowsk | 9,2 | Geplante Fertigstellung: 2023 | UBK Russkaja Bumaga |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest
Deutsche Anlagen stehen hoch im Kurs
Im 1. Halbjahr 2020 stieg die Ausfuhr von Papiertechnik um 15,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 28,8 Millionen Euro, meldet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Der Export von Papierverarbeitungsmaschinen legte um 79,9 Prozent auf 21,4 Millionen Euro zu. Der große Anstieg dürfte auf einem Einmaleffekt basieren. Deutsche Anlagen bleiben gefragt. Die Firma Voith rüstet das im Bau befindliche Zellstoff- und Pappekombinat der Ilim Group in Ust-Ilimsk im Gebiet Irkutsk mit einer Kartonmaschine und einer Linie zur Herstellung von Kraftpapier aus.
Von Hans-Jürgen Wittmann
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