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Branchenbericht Russland Elektromobilität

Russland treibt lokale Produktion von Elektromobilen voran

Die Regierung sowie die Staatsholdings Rostec, Rosatom und Rosseti forcieren die Entwicklung von E-Mobilen, Batteriezellen und Ladeinfrastruktur. Erste Modelle laufen noch 2021 an.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Die Nachfrage nach Elektromobilen steigt auch in Russland - allerdings ausgehend von einem niedrigen Basiswert. Im Jahr 2021 werden E-Mobile nur 0,1 Prozent des gesamten Kfz-Absatzes ausmachen, schätzt die Association of European Businesses (AEB). Pro Jahr erwartet der Unternehmerverband jedoch eine Verdopplung des Umsatzes. Bis 2035 soll der Anteil von E-Mobilen an den Neuwagenverkäufen bereits 25 Prozent betragen, prognostiziert die Boston Consulting Group. Ende Juni 2021 waren erst rund 11.800 E-Mobile auf russischen Straßen unterwegs.

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Moskau ist Vorreiter bei der E-Mobilität in Russland. Die Hauptstadt will bis 2024 ihren E-Bus-Fuhrpark um 2.200 Einheiten erweitern. Die Behörden der Insel Sachalin wollen den Busverkehr ebenfalls auf Elektroantrieb umstellen und ordern 125 E-Busse. Das Gebiet Kaliningrad beschafft bis 2022 Busse mit Elektroantrieb.

Verlängerung des Nullzollsatzes soll Nachfrage ankurbeln

Wichtigster Entwicklungsmotor ist die 2020 auf Ebene der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) beschlossene Befreiung importierter E-Mobile vom Einfuhrzoll in Höhe von 15 Prozent. Um breitere Käuferschichten anzusprechen, erwägt die Eurasische Wirtschaftskommission (EEK) die Verlängerung des Nullzollsatzes über den 31. Dezember 2021 hinaus bis Ende 2023. Denn hohe Anschaffungskosten machen E-Autos derzeit nur für Besserverdiener sowie für Carsharing-Dienste attraktiv. Auf dem noch jungen E-Mobilmarkt halten Modelle deutscher Hersteller wie Audi e-tron, Mercedes EQC und Porsche Taycan rund 40 Prozent Marktanteil. BMW bringt noch im Jahr 2021 den E-Crossover iX und das E-Coupe i4 auf den russischen Markt.

Regierung entwickelt E-Mobilität

Das Wirtschaftsministerium erarbeitet derzeit federführend ein Konzept zur Entwicklung der Elektromobilität in Russland. Bis 2030 sollen die Produktion von E-Autos auf 250.000 Einheiten pro Jahr und der Absatz auf 15 Prozent des Kfz-Marktes wachsen. Industrieminister Denis Manturow kündigte ab 2030 eine verpflichtende Absatzquote von 30 Prozent für Kfz mit Strom-, Gas- oder Wasserstoffantrieben an. Zur Produktion von E-Mobilen und Bauteilen, den Aufbau einer Ladeinfrastruktur und für Absatzförderprogramme verdoppelt die Regierung die Subventionen bis 2030 auf rund 9,3 Milliarden Euro.

Industrieministerium forciert lokale Produktion von E-Mobilen

Die Regierung unterstützt den Aufbau eigener Kompetenzen bei Elektromobilen, Batteriezellen sowie der Ladeinfrastruktur. Das Industrieministerium wirbt bei ausländischen Herstellern für den Abschluss des modifizierten Sonderinvestitionsvertrags (SPIK 2.0) zur Lokalisierung der Produktion von E-Mobilen. Bis 2023 gilt ein Elektroauto als „Made in Russia“, wenn die Endmontage lokal erfolgt. Ab 2024 müssen Prozessschritte wie Schweißen und Lackieren in Russland erfolgen. Bis 2027 soll die Produktion von Batteriezellen und Elektromotoren lokalisiert werden.

Zwar bekundete der US-E-Auto-Pionier Elon Musk im Mai 2021 die grundsätzliche Bereitschaft zu einer Lokalisierung in Russland. Doch Ende Juli 2021 lagen noch keine Anträge zum Abschluss eines SPIK 2.0 für E-Mobile vor. Teslas Zurückhaltung liegt nicht zuletzt an dem derzeit zu geringen Marktvolumen, das den Aufbau einer Produktion nicht rechtfertigt. Um eine hohe Auslastung ihrer Werke sicherzustellen, sollen sich E-Autobauer mit dem SPIK 2.0 auch zu Exporten verpflichten. Zum Schutz einheimischer Hersteller soll zudem die Entsorgungsabgabe auf importierte E-Mobile schrittweise angehoben werden.

Lokale Fertigung läuft an

Einige russische Autobauer entwickeln bereits Prototypen von E-Mobilen und planen den Start der Produktion. Vorreiter ist der Lkw-Hersteller Kamaz (gehört zur Staatsholding Rostec) mit dem E-Pkw-Modell Kama-1 sowie E-Busmodellen. GAZ möchte mit der Firma „Elektrofahrzeuge Stuttgart“ ab dem 1. Halbjahr 2022 den E-Kleintransporter GAZelle NEXT mit Wasserstoffantrieb in Deutschland produzieren. Sber Automotive Technologies (gehört zur Sberbank) übernahm im Februar 2021 den E-Mobil-Entwickler KG Impex für die Produktion des autonomen E-Mobils FLIP.

Aktuelle Projekte zur Entwicklung von Elektromobilen in Russland

Projekt / Standort

Projektstand

Unternehmen

Pkw-Modell Kama-1 / Nabereschnyje Tschelny, Republik Tatarstan

Geplanter Produktionsstart: 2023-2024

Kamaz (gehört zur Staatsholding Rostec)

Niederflur-Elektro-Gelenkbus Kamaz-6292 / Neftekamsk, Republik Baschkortostan

Geplanter Produktionsstart: 2022

Kamaz

Erweiterung der Endmontage von E-Bussen / Bus-Depot Sokolniki, Moskau

Ausbau der 500 E-Bus-Einheiten umfassenden Produktion um weitere 200 Einheiten; geplanter Produktionsstart: 2023

Kamaz

LCV-E-Modell Ford Transit / Sonderwirtschaftszone Alabuga, Republik Tatarstan

Geplanter Produktionsstart: 2022

Joint-Venture Sollers-Ford

E-Kleinbus GAZelle e-NN / Gebiet Nischni Nowgorod

Geplanter Produktionsstart: 2021

GAZ

Elektro-Lkw auf Basis des Chassis des Lkw-Modells 5325 von Kamaz; Elektromotoren und Karosserien werden zugekauft, die Batteriezellen sollen aus eigener Fertigung kommen / Sonderwirtschaftszone Technopolis, Moskau

Geplanter Produktionsstart: Ende 2021; Großkunde: Einzelhandelskette Magnit

Drive Electro (gehört zu 75 Prozent dem Wissenschaftler und Unternehmer Sergej Iwanow und zu 25 Prozent dem wissenschaftlichen Forschungsinstitut für kombinierte Energiekraftwerke (NIIKEU))

Weiterentwicklung des Modells Senat mit Hybridantrieb hin zu Wasserstoffantrieb / Sonderwirtschaftszone Alabuga, Republik Tatarstan

Präsentation des Prototypen Ende Mai 2021; geplante Serienfertigung: 2024

Aurus

Autonom fahrendes E-Taxi FLIP mit wechselbaren Batteriemodulen

Vorstellung des Prototypen auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum 2021

Sber Automotive Technologies (gehört zur staatlichen Sberbank)

E-Mobil Zetta City Modul 1 / Technopark Zhiguljovskaja Dolina, Togliatti, Gebiet Samara

Geplanter Produktionsstart: Ende 2021

Zetta

E-Autos / Gebiet Lipezk

Geplanter Produktionsstart: 2022; derzeit Insolvenzklage seitens Steuerbehörde; neuer Investor gesucht

OOO Motorinvest, 399670 Grebenkino 71, Bezirk Krasninskij, Gebiet Lipezk; Generaldirektor: Alexandr Lapin

Autonomer E-Lkw für Transport von Gütern bis 1,5 Tonnen

Entwicklung einer Serienversion: 2022

Evocargo

Bau einer Fabrik für Niederflur-E-Busse / Rybinsk, Gebiet Jaroslawl

Vereinbarung auf Sankt-Petersburger Wirtschaftsforum unterzeichnet

Trans-Alfa

Vorbereitung zur Auftragsfertigung von E-Mobilen mit Wasserstoffantrieb / Gebiet Kaliningrad

Design- und Technologiezentrum 2021 eröffnet

Awtotor

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Rosatom lokalisiert Produktion von Batteriezellen

Mit Liotech (gehört zur Staatsholding Rosnano) ist derzeit nur ein ziviler Hersteller von Batteriezellen in Russland angesiedelt. Bis dato kommt ein Großteil der Akkumulatoren sowie deren Ausgangsstoffe wie Kathoden- und Anodenpulver aus China. Um eine lokale Fertigung attraktiv zu machen, sollen ab 2023 bei staatlichen Beschaffungen mindestens 60 Prozent der Batteriezellen „Made in Russia“ sein.

Renera, ein Tochterunternehmen der staatlichen Atomholding Rosatom, will bis 2025 eine Produktion von Lithium-Ionen-Zellen aufbauen. Dazu beteiligte sich Renera im März 2021 am südkoreanischen Batteriehersteller Enertech. Um einen lokalen Produktionskreislauf aufzubauen, gründet Rusatom Greenway (gehört ebenfalls zu Rosatom) das Unternehmen Ecotechnopark Center zur Verarbeitung gebrauchter Batteriezellen im Gebiet Nischni Nowgorod.

Staatsholdings bauen Ladeinfrastruktur aus

Die Entwicklung der E-Mobilität in Russland steht und fällt mit dem Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur. Ende Juni 2021 waren landesweit nur rund 1.500 Ladestationen in Betrieb, der Großteil davon in Moskau. Gemäß der Strategie zur Entwicklung der E-Mobilität soll sich die Produktion von Ladestationen von 9.400 Einheiten im Jahr 2024 auf bis zu 72.000 Einheiten im Jahr 2030 mehr als verachtfachen. Hierfür stellt die Regierung rund 2 Milliarden Euro an Subventionen zur Verfügung. Sie kommen in den Metropolen und auf föderalen Autobahnen zum Einsatz.

Das Unternehmen KRET (gehört zu Rostec) errichtet bis Ende 2021 im Gebiet Rjasan eine Fertigung von Schnellladestationen für E-Busse und E-Autos. Daneben vereinbarten die Staatsholdings Kamaz (Rostec), Renera (Rosatom) und Rosseti auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum Anfang Juni 2021 die gemeinsame Entwicklung der Ladeinfrastruktur in den Regionen.

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