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Vergünstigte Hypothekenkredite kurbeln Wohnungsbau an

Russlands Wohnungsbau trotzt der Pandemie dank vergünstigter Hypothekenkredite. Der Mangel an Arbeitskräften sowie steigende Materialkosten verteuern jedoch Investitionsprojekte.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Die Investitionen in russische Immobilien erreichen neue Höchststände. In den ersten drei Quartalen 2021 stiegen die Anlagen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 37 Prozent auf rund 3,2 Milliarden Euro, meldet das Immobilien-Beratungsunternehmen CBRE. Begehrtestes Anlageobjekt bleiben Wohnimmobilien, besonders im Luxussegment.

Wohneigentum hat sich in Russland seit Beginn der Pandemie im März 2020 um 39 Prozent verteuert, informiert die Zentralbank. Grund dafür sei die wachsende Nachfrage nach Wohnimmobilien bei nur langsam steigendem Angebot. Um Wohneigentum zu erwerben, müssen Interessenten größere Kredite aufnehmen, warnt die Währungshüterin vor einer möglichen Blasenbildung. Rund die Hälfte der Käufer finanziert Immobilien mit einem Eigenkapitalanteil von lediglich 20 Prozent. Vor der Pandemie betrug dieser Anteil nur rund ein Viertel.

Arbeitskräftemangel bremst und verteuert Bauprojekte

Der pandemiebedingte Mangel an Arbeitsmigranten, vor allem aus Zentralasien, verzögert die Fertigstellung von Projekten. Landesweit fehlen rund 2 Millionen Arbeitskräfte, meldet das Bauministerium. Allein auf Moskauer Baustellen sind 200.000 offene Stellen zu besetzen. Baufirmen werben sich gegenseitig Arbeitsmigranten ab und treiben damit die Kosten zusätzlich in die Höhe. Im Wettbewerb um Arbeitskräfte profitieren zudem wohlhabendere zulasten ärmerer Regionen.

Für Abhilfe sollen Strafgefangene sorgen. Von den landesweit rund 480.000 Häftlingen kämen rund 188.000 für einen Einsatz auf dem Bau in Frage, erläutert Justizminister Konstantin Tschujtschenko. Dieser solle jedoch auf freiwilliger Basis erfolgen. Marat Chusnullin, stellvertretender Ministerpräsident für Bauwirtschaft, schlägt vor, darüber hinaus Rentner zu reaktivieren und auf dem Bau einzusetzen.

Baubranche ächzt unter steigenden Materialkosten

Russland bekommt die Auswirkungen des weltweiten Preisanstiegs für Rohstoffe wie Metall, Holz oder Kunststoff sowie von Lieferengpässen im Zuge der Coronapandemie immer stärker zu spüren. Im 1. Halbjahr 2021 legten die Kosten für Baustoffe gegenüber Dezember 2020 um 19,6 Prozent zu, meldet der Föderale Antimonopoldienst (FAS). Kupferkabel verteuerten sich um rund ein Viertel, Beton um 12 Prozent, Dämmstoffe um bis zu 20 Prozent und Sperrholz um etwa die Hälfte. Ein Ende der Preisrallye ist nicht unmittelbar in Sicht. Erst Mitte 2022 werden sich die Preise wieder einpendeln, jedoch auf einem höheren Niveau als vor Beginn der Pandemie.

Die steigenden Kosten für Baumaterialien machen einen Teil der staatlichen Aufträge im öffentlichen Bauwesen unrentabel. Vor allem kleinere Unternehmen können die Mehrkosten nicht lange stemmen, beklagt „Opora Rossii“. Ohne staatliche Unterstützung werde ein Teil der Staatsaufträge zum Bau von Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern nicht fristgerecht fertiggestellt, warnt der Unternehmerverband.

Regierung will Bauwirtschaft ankurbeln

Mit der Strategie zur Entwicklung der Bauwirtschaft will das Bauministerium der Branche weiteren Schwung verleihen. Bis 2030 soll der Anteil der Bauwirtschaft an der Entstehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Basisszenario von derzeit 5,1 auf 5,8 Prozent steigen. Die jährlich fertiggestellte Wohnfläche soll auf 120 Millionen Quadratmeter zunehmen, Investitionen in das Anlagevermögen auf 1,6 Billionen Rubel wachsen. Dazu müssen jedoch Bremsklötze wie steigende Raten für Hypothekenkredite, ein Dickicht an Bauvorschriften und die niedrige Digitalisierungsquote bewältigt werden.

Wohnungsbau zeigt sich krisenresistent

Russlands Wohnungsbau zeigt sich unbeeindruckt von der Coronalage. Für 2021 rechnet Vizepremierminister Chusnullin mit 85,6 Millionen Quadratmeter neuer Fläche. Im Jahr 2022 sollen 90 Millionen Quadratmeter Wohnraum errichtet werden, bis 2030 insgesamt 1,1 Milliarden Quadratmeter. Von Januar bis August 2021 wurden rund 52,3 Millionen Quadratmeter Wohnraum fertiggestellt, ein Plus von 29,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Zunehmend im Trend liegen Einfamilienhäuser. Im 1. Halbjahr 2021 wurden rund 20 Millionen Quadratmeter Wohnraum in Einfamilienhäusern übergeben - ein Rekordwert in den letzten zehn Jahren. Weiteren Schwung verleihen soll ein Programm zur Vergabe vergünstiger Hypothekenkredite für Einfamilienhäuser, das die Regierung bis Ende 2021 ausarbeitet.

Wichtigster Entwicklungstreiber sind vergünstigte Hypothekenkredite. Im 1. Halbjahr 2021 wurden rund 936.000 Kredite im Umfang von rund 30,8 Milliarden Euro vergeben – mengenbezogen ein Plus von 44 Prozent und wertbezogen ein Zuwachs von 74 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Bis 2030 sollen pro Jahr mindestens 2,3 Millionen vergünstigte Hypothekenkredite gewährt werden. Um eine Überhitzung des Marktes zu verhindern, gelten seit 2. Juli 2021 neue Kriterien. Für einen Jahreszinssatz von 7 Prozent können bis 1. Juli 2022 maximal 3 Millionen Rubel aufgenommen werden. Familien mit Kindern können bis 31. Dezember 2023 für einen Jahreszins von 6 Prozent je nach Region Kredite von bis zu 12 Millionen Rubel erhalten.

Die MR Group saniert für rund 250 Millionen Euro ein historisches Wohnviertel in der Moskauer Nikolskaja Straße. An der Prachtstraße Arbat baut sie für 125 Millionen Euro die Gebäude der Genossenschaft Moskowski Potschtowik zu Elitewohnungen um. Der Luxusimmobilienentwickler Vesper errichtet für rund 250 Millionen Euro Wohnungen und Büros in der Nähe des Kiewer Bahnhofs. Darüber hinaus setzt die Hauptstadt ihr Renovierungsprogramm fort und steckt bis 2024 rund 6,2 Milliarden Euro in den Neubau moderner Mehrfamilienhäuser.

Gazprom stellte Ende Mai 2021 das Architekturkonzept für den Bau des „Lachta Center 2“ vor. Der rund 700 Meter hohe Wolkenkratzer soll das zweithöchste Bauwerk der Welt werden.

In Bolschoi Kamen in der Region Primorje errichtet SSK Swesda Wohnungen für Mitarbeiter der gleichnamigen Werft.

Ausgewählte Großprojekte im Wohnungsbau

Vorhaben / Region

Investitionssumme (in Mrd. Euro)

Projektstand

Projektträger

Smart City Gattschina Gardens / Wyritza, Gebiet Leningrad

2,5

Im Bau; geplante Fertigstellung: 2030

CastorX Capital, OOO SZ Gatchinskaja Golf-Derewnja, Sberbank (Finanzierung)

Wohnanlage / Gebiet Moskau; Auf 585 ha entstehen 2,3 Mio. Quadratmeter Wohnhäuser, Einzelhandels- und Büroräume sowie Infrastrukturobjekte

2,4

Projektierung; geplante Fertigstellung: 2035

Samoljot 

Wohnanlage Ostrow / Moskau

1,6

Projektierung, geplante Fertigstellung: 2024

Donstroj

Wohnanlage Sydney City / Moskau

1,1

Im Bau; geplante Fertigstellung: 2028

FSK

Wohn- und Geschäftsanlage / Insel Russkij, Wladiwostok, Region Primorje

1

Geplante Fertigstellung: 2026-2028

Dom.RF, LH Corporation (Südkorea)

Wohnviertel Juschnaja Bitza / Moskau

0,7

2. Stufe im Bau; geplante Fertigstellung: 2028

FSK

Wohnanlage / Gebiet Moskau

0,6

Geplante Fertigstellung: 2028

Samoljot

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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