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Branchenbericht Südafrika Energie, übergreifend
Johannesburg (GTAI) - Die Energiekrise in Südafrika birgt Chancen. Die Nutzung erneuerbarer Stromquellen durch unabhängige Erzeuger rückt in den Fokus. 2020 ist mit Investitionsprojekten zu rechnen.
30.01.2020
In Südafrika kann die Misere des staatlichen Stromproduzenten und -versorgers Eskom getrost als größtes Einzelrisiko für die makroökonomische Stabilität 2020 gelten. Grund dafür ist eine massive Schuldenlast von rund 31,5 Milliarden US-Dollar (US$). Das entspricht rund 8,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und trotz hoher Tarifanhebungen steigt das Defizit weiter. Hinzu kommen technische Probleme, die verstärkte Stromabschaltungen (load shedding) zur Folge haben. Im Dezember 2019 sind die Abschaltungen besonders eskaliert.
Das Kapital, das der Staat Eskom nun zuschießen muss, sowie wachsender Schuldendienst verringern die Spielräume für dringende öffentliche Investitionen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Südafrika sein letztes verbleibendes Investment-Grade-Rating der Ratingagentur Moody's aufgrund der durch Eskom mitverursachten Haushaltsschieflage im März 2020 verliert. Die Folgen der Herabstufung sind nur schwer einzuschätzen. Immerhin dürfte diese teilweise schon in den Wechselkurs des südafrikanischen Rand und die Kurse an der Johannesburger Börse (JSE) eingepreist sein.
Die größten finanziellen Verluste und technischen Schwierigkeiten der Eskom rühren aus Bau der Kraftwerke Medupi und Kusile mit jeweils 4.800 Megawatt. Hier konnte nach erheblichen Verzögerungen lediglich ein Teil der geplanten Blöcke fertiggestellt werden, die zudem immer wieder ausfallen. Die Baukosten belaufen sich mittlerweile auf umgerechnet rund 30,5 Milliarden US$; das entspricht in etwa dem Dreifachen der kalkulierten Ausgaben. Schwaches Management, Entwurfsfehler und Korruption haben bislang die Umsetzung geprägt.
Ende Oktober 2019 hat das Department for Public Enterprises (DPE) einen Plan zur Entflechtung der Eskom veröffentlicht. Dieser sieht die Aufspaltung in die Bereiche Stromerzeugung, Übertragungsnetz und Systembetrieb sowie Stromverteilung vor. Start für die funktionale Aufteilung in drei Unternehmen ist nach Aussage des DPE 2021, ab 2023 sollen sie unter dem Dach einer Holding als eigenständige juristische Einheiten agieren.
Kurzfristige Erfolge sind beim Umbau des Stromkonzerns nicht zu erwarten. Befürchtungen hinsichtlich einer Privatisierung des Energiesektors und Stellenabbaus, einschließlich Kohlebergbau, bremsen die Reformen. Deswegen benötigt Südafrika parallel zu der schwierigen Umstrukturierung schnellere Lösungen.
Bei der Umsetzung rasch wirkender Maßnahmen gibt es aber offenbar innerhalb der Regierungspartei ANC ebenfalls ideologische Auseinandersetzungen über die Rolle des Privatsektors. Damit verzögert sich bislang die Lösung des akuten Versorgungsproblems.
Zusätzliche Kapazitäten für die Stromerzeugung ließen sich zum einen realisieren durch eine zügige Umsetzung der im Energieplan 2019 (Integrated Resource Plan; IRP) vorgesehenen Ausschreibungen von Wind- und Solarkraft für unabhängige Stromerzeuger (Independent Power Producer; IPP). Im IRP ist jedenfalls 2019 bis 2022 eine Bedarfslücke von 2.000 Megawatt angegeben, die rasch gedeckt werden soll.
Auch ist die außerplanmäßige Mobilisierung von Erzeugungskapazitäten in der Diskussion. Hierzu hat das Ministerium für mineralische Ressourcen und Energie (Department of Mineral Resources and Energy; DMRE) im Dezember 2019 eine Anfrage für Lösungsvorschläge gestartet. Für die Stromerzeugung für den Eigenbedarf müsste die Regierung zügig bürokratische Hürden und gesetzliche Unklarheiten abschaffen und Möglichkeiten zur Einspeisung von Strom ins öffentliche Netz erweitern.
Das DMRE hat die finale Version des IRP 2019 Mitte Oktober 2019 veröffentlicht. Darin wird der Energiemix für die Stromerzeugung bis 2030 festgelegt. Insgesamt sind neue Nennkapazitäten von 29.500 Megawatt vorgesehen. Der Großteil davon wird auf die erneuerbaren Quellen Wind- und Solarenergie entfallen. Auch sollen neue Kapazitäten bei Kohle-, Gas-, Pumpspeicher- und Wasserkraftwerken geschaffen werden. Im Gegenzug zum Neubau von Kohlekraftwerken ist der Rückbau alter Anlagen geplant.
Ausschreibungen für IPP oder Details, wie diese sich zusammensetzen, gibt es noch nicht. Derlei Ausschreibungen erfolgen im Rahmen des REIPPP-Programms (Renewable Energy Independent Power Producer Programme). Gegenwärtig wird die verspätete Ausschreibungsrunde REIPPP 4 umgesetzt.
Die Endversion des IRP gilt unter Experten als Verbesserung gegenüber älteren Versionen. Dennoch bleiben die Determinanten und deren Gewichtung unklar. Der IRP orientiert sich nicht ausschließlich an den günstigsten Gestehungskosten pro Betriebsstunde, was zu einer stärkeren Berücksichtigung von erneuerbaren Energien geführt hätte. Immerhin gewinnen diese ein höheres Gewicht im Energiemix. Der Plan zieht aber auch Aspekte wie die Sicherung der Grundlast heran und berücksichtigt schließlich die große politische und wirtschaftliche Rolle des Kohlesektors.
Installierte Nennleistung 2018 in MW | Installierte Nennleistung 2030 in MW | Jährlicher Anteil an den MW/h 2030 in Prozent | |
Kohle | 37.149 | 33.364 | 58,8 |
Atom | 1.860 | 1.860 | 4,5 |
Wasserkraft | 2.100 | 4.600 | 8,4 |
Pumpspeicher | 2.917 | 5.000 | 1,2 |
Fotovoltaik (Großanlagen) | 1.474 | 8.288 | 6,3 |
Wind (Großanlagen) | 1.980 | 17.742 | 17,8 |
Solarthermische Großanlagen | 300 | 600 | 0,6 |
Gas und Diesel | 3.830 | 6.380 | 1,3 |
Dezentrale Anlagen *) | 499 | k.A. | k.A. |
*) Im IRP ist von 2019 bis 2022 ein Bedarf von 2.000 Megawatt und damit ein entsprechender Ausbau ausgewiesen, danach jährlich 200 Megawatt
Quelle: Integrated Resource Plan 2019
Bei der Windkraft sind bis 2030 neue Ausschreibungen von 14.400 Megawatt geplant, bei Fotovoltaik-Großanlagen von 6.000 Megawatt. Pumpspeicherkraftwerke sollen 2.100 Megawatt zur Verfügung stellen, während es bei der Wasserkraft 2.500 Megawatt sind. Als Pumpspeicher ist die Nutzung ausgedienter Minenschächte in der Diskussion.
Für die Wasserkraft sieht der IRP Strom aus dem geplanten Grand Inga Staudammsystem in der Demokratischen Republik Kongo vor. Die Umsetzung des 80 Milliarden US$-Megaprojekts gilt jedoch als unwahrscheinlich und ist gesellschafts- und umweltpolitisch umstritten. Vorgesehen ist auch, 3.000 Megawatt auf Basis von Gas aus Mosambik zu beziehen. Erfolgen soll darüber hinaus die Umstellung von Dieselkraftwerken auf Gas.
Der Ausbau von Kohle wird im IRP auf 1.500 Megawatt begrenzt. Gleichzeitig sollen alte Kraftwerke mit mehr als 11.000 Megawatt zurückgebaut werden. Nicht zuletzt ist unsicher, wie der Bau neuer Kohlekraftwerke finanziert werden soll. Zwei ausgeschriebene und vergebene Anlagen mit insgesamt 1.500 Megawatt kommen wegen Finanzierungschwierigkeiten nicht voran.
Die Option, neue Kernkraftwerke zu bauen, ist im Energieplan zunächst auf Eis gelegt: Erst ab 2030 soll der Ausbau der Kernkraft wieder zur Entscheidung vorgelegt werden. Avisiert ist jedoch eine Verlängerung des Betriebs des Atomkraftwerks Koeberg bei Pretoria mit 1.860 Megawatt von 2024 auf 2040.
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