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Die Aussichten für den Agrarsektor Südafrikas heben sich von den Gesamterwartungen für 2021 deutlich ab. Die Nahrungsmittelverarbeitung leidet jedoch unter einem schwachen Konsum.
16.02.2021
Von Fausi Najjar | Johannesburg
In Südafrika ist für das Jahr 2021 beim Realwachstum lediglich mit einer schwachen Erholung von unter 2 Prozent zu rechnen. Schon im 4. Quartal 2020 haben eine zweite Infektionswelle und anschließende Lockdown-Maßnahmen dem Land zugesetzt. Vor allem die Tourismus-Saison ist schwer in Mitleidenschaft gezogen. Im 1. Quartal 2021 zeichnen sich Schwierigkeiten beim Corona-Impfprogramm ab. Zwar konnte die Regierung die heftige Kritik, die Besorgung von Impfstoffen sei verschleppt worden, weitgehend abmildern. Jetzt haben die Verantwortlichen aber das Problem, dass die Wirkung des bestellten Corona-Impfstoffes von AstraZeneca für die in Südafrika aufgetretene Variante namens 501.V2 viel zu gering ausfällt. Nun muss die Regierung schnell umdisponieren und neue Impfstoffe beschaffen. Allein aus diesem Grund ist mit einer breiten Impfkampagne nicht vor der 2. Jahreshälfte zu rechnen.
Neben dem Bergbau hebt sich das Agrarwachstum positiv vom Gesamtbild ab. Dank ergiebiger Regenfälle ist die Landwirtschaft 2020 um mehr als 9,5 Prozent gewachsen. Im Jahr davor - 2019 - war der Sektor um knapp 7 Prozent geschrumpft. Für 2021 ist konservativ geschätzt mit einem Plus von nochmals 3 bis 4 Prozent rechnen. Dies ist angesichts der starken Zahlen von 2020 beachtlich. Grund dafür ist der anhaltend starke Regen in fast allen Landesteilen. Das lässt sich an der durchschnittlichen Auslastung der übers Land verteilten Staudämme zeigen. Diese lag Anfang Februar 2021 im Durchschnitt bei 85,4 Prozent. Zum gleichen Zeitpunkt des Jahres davor waren es 61,8 Prozent.
Das hohe Agrarwachstum beflügelt den Import von Landmaschinen. Im Januar 2021 haben die Traktorverkäufe mit 328 Einheiten gegenüber dem entsprechenden Monat des Vorjahres um 28 Prozent zugenommen. Insgesamt dürfte der Absatz 2021 um 10 Prozent zulegen. Dabei war 2020 an sich bereits ein gutes Jahr. Die durch lange Dürreperioden in den Vorjahren finanziell stark angeschlagenen Bauern konnten wieder mehr in ihren Fuhrpark investieren. Die Stückzahl der verkauften Traktoren ist deswegen gegenüber dem Jahr 2019 um 9 Prozent gestiegen. Bei den Erntemaschinen lag der Zuwachs bei 23 Prozent.
In seiner Parlamentsansprache zur Lage der Nation am 11. Februar 2021 hat Präsident Cyril Ramaphosa für das kommende Finanzjahr 2021/22 (1. April bis 31. März) die Gründung einer Agentur für Land- und Agrarreformen angekündigt, um - bei einer stark ungleichen Verteilung - die historisch benachteiligte schwarze Bevölkerungsmehrheit besser mit Landbesitz auszustatten. Tatsächlich sind nach langen Verzögerungen bei der Landverteilung Fortschritte erzielt worden. Im Jahr 2020 wurden 700.000 Hektar staatseigener Agrarflächen an Begünstigte abgegeben. Kritiker beklagen allerdings, dass die Flankierung des Staates für den Aufbau einer profitablen Bauernschaft zu schwach ausfällt.
Noch vor Ende März 2021 will die südafrikanische Regierung das umstrittene Gesetz zur Enteignung ohne Kompensation (Expropriation Bill) nach einer langen Phase öffentlicher Anhörungen abschließen. Auf der politischen Agenda steht außerdem eine Verfassungsänderung, um die Möglichkeit einer entschädigungslosen Enteignung zu stärken. Die Diskussion um eine entschädigungslose Landenteignung hat für eine starke gesellschaftliche Polarisierung und eine erhebliche Verunsicherung bei den rund 30.000 weißen Farmern sowie bei Investoren gesorgt. Folgt man allerdings eingehenderen Analysen der tatsächlichen Entwürfe, dann würden das neue Gesetz und die Vorlage zur Verfassungsänderung willkürlichen und überbordenden Eingriffen in die Eigentumsrechte keinen Vorschub leisten. Sollten sich die Gesetzesvorhaben tatsächlich kaum auf die Landreformen und die unternehmerische Praxis auswirken, wäre die scharfe Rhetorik sowohl von Gegnern als auch Befürwortern des Gesetzesvorhabens hinfällig.
Zwar schiebt das starke Wachstum in der Landwirtschaft die Nahrungsmittelverarbeitung an, die Geschäftsaussichten der Nahrungsmittel- und Verpackungsindustrie stehen jedoch auf schwächeren Beinen. Grund dafür ist die Flaute beim Endkonsum. Wachstumsprognosen zufolge wird der gesamte Privatkonsum erst im Laufe des Jahres 2023 den Stand von 2019 erreichen. Bei den Pro-Kopf-Einkommen dürfte das voraussichtlich noch später der Fall sein. Wegen der Wirtschaftskrise werden viele Konsumenten auf den Kauf von hochpreisigen Nahrungsmitteln verzichten. Eine durch eine wachsende, städtische Mittelschicht getriebene Diversifizierung der Nachfrage nach Nahrungsmitteln dürfte an Tempo verlieren.
Vor dem Bankrott stehen insbesondere kleine Weingüter, Brauereien und Gin-Hersteller. Das im Zuge von Lockdown-Maßnahmen zeitweise verhängte Verkaufsverbot für Alkohol setzt den Wein-, Bier- und Spirituosenerzeugern deutlich zu. Hinzu kommt das Ausbleiben der Touristen sowie die zeitweilige Schließung beziehungsweise verkürzte Öffnungszeiten in der Gastronomie.
Der Einzelhandel zählte im Jahr 2020 zu den Gewinnern der Coronapandemie. Dies geht aus den überwiegend positiven Jahresabschlüssen der großen Einzelhandelsunternehmen, wie ShopRite, Spar, Pick n Pay und Woolworth hervor. Von niedrigem Niveau ausgehend werden Nahrungsmittel verstärkt online bestellt.