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Markttrends

Die Öffnung des Bodenmarktes führt zu mehr Anreizen zu langfristigem Wirtschaften. Der Klimawandel erfordert mehr Investitionen in Bewässerungssysteme.

Von Fabian Nemitz | Kiew

Die Landwirtschaft ist ein Schlüsselsektor der ukrainischen Wirtschaft. Mit ihren großen Anbauflächen und fruchtbaren Schwarzerdeböden spielt die Ukraine schon heute eine wichtige Rolle bei der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Gleichzeitig bietet sich noch viel Potenzial zur Steigerung der Produktivität und mehr Wertschöpfung.

Pflanzenbau entwickelt sich positiv, bleibt aber noch unter Potenzial

Schwerpunkt der ukrainischen Landwirtschaft ist der Pflanzenbau. Dank moderner Technik konnten die Ernteerträge bei Getreide, Sonnenblumen, Kartoffeln und anderen Früchten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesteigert werden. Dennoch liegen die durchschnittlichen Erträge in der Ukraine immer noch unter dem Niveau von Westeuropa - trotz der besseren Böden.

Ein Grund hierfür liegt an dem geringeren Einsatz von Agrarchemie. Hinzu kommen strukturelle Faktoren, wie die geringe Mechanisierung der finanzschwachen kleinen Bauern und geringe Anreize zu langfristigen Investitionen in die Böden bei den Pächtern. Dennoch dürfte sich die Erfolgsgeschichte im Pflanzenbau fortsetzen. Nach Prognosen der Ukrainian Grain Association könnte die Ernte von Getreide und Ölsaaten bis 2026 auf 113 Millionen Tonnen steigen, gegenüber rund 90 Millionen Tonnen in den Jahren 2018 bis 2020.

Mängel im Investitionsklima bremsen Entwicklung der Tierhaltung

In der Vieh- und Milchwirtschaft stellt sich die Lage weniger positiv dar. Die Bestände an Rindern, Milchkühen und Schweinen sind in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gesunken. Auch aktuell setzt sich der Rückgang bei der Rinderpopulation, die überwiegend in kleinen Hauswirtschaften konzentriert ist, fort. Dagegen zeigt sich bei den Schweinebeständen, bei denen ein größerer Anteil auf spezialisierte Betriebe entfällt, eine Stabilisierung auf dem erreichten niedrigen Niveau. Einen leichten Aufwärtstrend gibt es bei professionellen Milchviehbetrieben.

Eine Erfolgsgeschichte ist die Geflügelzucht. Nach einem Rückgang in den 1990er Jahren erlebte die Branche in den vergangenen Jahren einen Boom, der sich künftig aber abschwächen dürfte.

Gebremst wird die Entwicklung der Tierhaltung durch Mängel beim Investitionsklima, die im Vergleich zum Pflanzenbau längeren Amortisationszyklen und hohe Kreditkosten. Hinzu kommt die im Vergleich zu Ländern in der Europäischen Union deutlich geringere Förderung.

Regierung hebt Landmoratorium auf

Ein weiterer Hemmfaktor für die Entwicklung der Landwirtschaft ist das seit 2001 bestehende Moratorium auf den Handel mit Agrarland. Allerdings hat das Parlament im Frühjahr 2020 eine Liberalisierung des Bodenmarktes beschlossen. Dabei dürfen in der ersten Stufe ukrainische Privatpersonen ab 1. Juli 2021 Agrarland mit einer Fläche von bis zu 100 Hektar kaufen. Ab 2024 erfolgt eine Öffnung des Bodenmarktes für juristische Personen und eine Ausweitung der Flächenbegrenzung auf 10.000 Hektar. Über eine mögliche Öffnung des Bodenmarktes für Ausländer, ausländische Firmen und Kapitaleigner soll ein künftiges Referendum entscheiden.

Die Aufhebung des Moratoriums war eine Vorbedingung für ein im Sommer 2020 vereinbartes Beistandspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF). In der Ukraine ist die Bodenmarktreform politisch umstritten und Gegenstand intensiver gesellschaftlicher Debatten. Auch vor diesem Hintergrund erfolgt die Öffnung des Bodenmarktes schrittweise.

Im Falle einer erfolgreichen Implementierung der Bodenreform rechnet die Weltbank mit einer zusätzlichen Steigerung des jährlichen Wirtschaftswachstums der Ukraine um bis zu 1,5 Prozent. Positive Effekte erwarten Fachleute vor allem bei Bereichen mit einem längerfristigen Investitionshorizont, wie Investitionen in Bewässerungssysteme, Bodenfruchtbarkeit, Tierhaltung oder die Veredelung von Agrargütern, die wegen geringer Eigentumsquote und rechtsunsicheren Pachtverhältnissen bislang unterblieben sind. Hinzu kommen bessere Finanzierungsmöglichkeiten. Kurzfristig dürften die Effekte der Bodenreform aber überschaubar bleiben. Erst ab 2024 rechnen Beobachter mit spürbaren Auswirkungen.

Klimawandel und Bodenerosion bergen Risiken

Herausforderungen für die ukrainische Landwirtschaft sind der Klimawandel und die Verschlechterung der Böden. Aufgrund eines schneearmen Winters und Dürre im Frühjahr verzeichnete die Ukraine 2020 große Ernteeinbußen. Künftig könnten Dürren häufiger auftreten, warnen Forscher. Gefahren birgt auch die Degradierung der Böden wegen geringer Abwechslung in der Fruchtfolge und der fortschreitenden Erosion, schreibt das Institut für Geographie der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine.

Ökologischer Landbau bietet Chancen

Die Ukraine verfügt über gute Bedingungen für die ökologische Landwirtschaft. Chancen bietet die Nähe zum kaufkräftigen europäischen Markt. Im Jahr 2019 war die Ukraine bereits mengenmäßig zweitgrößter Lieferant von biologisch erzeugten Agrarprodukten in die Europäischen Union (EU). Das Gros entfällt dabei bislang auf Rohwaren.

Allerdings hat die EU aufgrund von Chemikalienrückständen und Mängeln bei den Zertifizierungsstellen verschärfte Auflagen für die Ukraine und eine Reihe weiterer Länder erlassen. Anpassungsdruck in Bezug auf ökologische Standards in der Landwirtschaft kommen auch vom "Green Deal" der EU. Die ukrainische Regierung strebt eine Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsfläche auf 3 Prozent bis 2030 an (2019: 1,1 Prozent). Hierzu wurde 2021 erstmalig eine staatliche Förderung des Ökolandbaus eingeführt.

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