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Branchenbericht Ukraine Nahrungsmittel, Getränke
Kiew (GTAI) - Die Nahrungsmittel- und Getränkeproduktion ist der wichtigste Industriezweig der Ukraine. Zwar leidet die Branche unter dem Verlust von Russland als Absatzmarkt, doch zeigen die weltweiten Exporte wieder nach oben. Das Gros der Lieferungen entfällt auf Waren mit einer geringen zusätzlichen Wertschöpfung. Wichtig wäre die Etablierung anerkannter Handelsmarken. Für ausländische Firmen bieten sich viele Geschäftschancen, sei es als Investoren oder Techniklieferanten.
28.05.2018
Fruchtbare Schwarzerdeböden und weite Anbauflächen machen die Ukraine zu einem der wichtigsten Agrarländer der Welt. Hiervon profitiert auch die lokale Lebensmittelindustrie. Die Produktion von Nahrungsmitteln und Getränken ist der wichtigste Wirtschaftszweig im Land. Mit einer abgesetzten Produktion in Höhe von umgerechnet 16,1 Milliarden US-Dollar (US$) stand die Branche 2017 für rund 30,5 Prozent des gesamten Ausstoßes im verarbeitenden Gewerbe, gefolgt von der Metallindustrie mit 14,7 Milliarden US$.
Die Ukraine verfügt über eine große Zahl überwiegend kleiner Unternehmen in der Nahrungsmittel-, Getränke- und Tabakindustrie. Laut Angaben des Statistikamtes Derzhstat waren in den Sektoren 2015 insgesamt 5.502 Firmen tätig, darunter 58 mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro.
Zu den größten Branchenplayern zählen vertikal integrierte Agrarholdings. Auch mehrere ausländische Firmen besitzen Produktionsstätten oder Tochterunternehmen in der Ukraine. Hierzu zählen AB Inbev/Efes, Carlsberg, Coca Cola, Danone, Nestlé und Pepsi. Vermehrt nutzen internationale Player ihre Werke in der Ukraine dank günstiger Produktionskosten auch für Lieferungen in andere Länder.
Ihren Bedarf an Nahrungsmitteln kann die Ukraine zum größten Teil aus eigener Produktion decken. Gleichzeitig ist die Lebensmittelindustrie eine wichtige Exportbranche. Bei Sonnenblumenöl ist die Ukraine weltweit größter Produzent, bei Eiern, Geflügelfleisch und Honig einer der wichtigsten Lieferanten der Europäischen Union (EU).
2017 | |
Einwohner (Millionen) | Ist 2017: 45,6 1), Prognose 2050: 36,4 2) |
Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel am verfügbaren Geldeinkommen (in %) | 44,1 3) |
Anteil der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie am Produktionswert der verarbeitenden Industrie (in %) | 30,5 4) |
Export von verarbeiteten Nahrungsmitteln und Getränken in Mrd. US-Dollar | 6,0 5) |
Anteil der Exporte von verarbeiteten Nahrungsmitteln und Getränken an den Gesamtexporten (in %) | 13,9 5) |
1) laut Auswärtigem Amt; durchschnittliche Bevölkerungszahl 2017 laut ukrainischem Statistikamt ohne Berücksichtigung der von Russland annektierten Autonomen Republik Krim, der Stadt Sewastopol und der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete im Osten des Landes: 42,3 Millionen Einwohner; 2) Prognose der Vereinten Nationen; 3) Angabe für 2016; 4) Angabe zur abgesetzten Produktion; Anteil ohne Getränkeindustrie: 27,2 Prozent; 5) HS-Kapitel 15 bis 22
Quellen: Auswärtiges Amt; ukrainischer Statistikdienst Derzhstat; Vereinte Nationen
Wie die gesamte Volkswirtschaft wurde auch die Nahrungs- und Genussmittelindustrie von der Wirtschaftskrise nach dem Euromaidan getroffen. Nach einem Rückgang um real 10,7 Prozent im Jahr 2015 konnte die Branche ihren Ausstoß 2016 und 2017 wieder um 4,4 beziehungsweise 2,9 Prozent steigern, liegt damit aber immer noch unter dem Vorkrisenniveau. Der Verlust von Russland als einst wichtigstem Absatzmarkt sowie von Abnehmern und Produktionsstätten in den von der Regierung nicht kontrollierten Gebieten in der Ostukraine wiegt schwer.
Mit ihren riesigen Agrarressourcen, dem großen Binnenmarkt und dem in vielen Bereichen noch deutlich niedrigeren Verbrauch an Lebensmitteln als in Westeuropa verfügt die ukrainische Nahrungsmittelindustrie über großes Potenzial. In die Hände spielt den lokalen Herstellern die Ausweitung des modernen Einzelhandels sowie ihre dank der Währungsabwertung gestiegene Wettbewerbsfähigkeit. Den Absatzmöglichkeiten im Inland steht jedoch die niedrige Kaufkraft und eine schrumpfende Bevölkerung gegenüber. Umso wichtiger ist deshalb die Erschließung neuer Absatzmärkte im Ausland.
Hierbei kann die Ukraine nach starken Rückgängen in der Krise Erfolge verzeichnen. Im Jahr 2017 erreichten die Exporte von verarbeiteten Nahrungsmitteln und Getränken (HS-Kapitel 15 bis 22) einen Wert von 6 Milliarden US$. Das waren 18,1 Prozent mehr als 2016 - und auch mehr als im Vorkrisenjahr 2013, als die Exporte bei knapp 5,9 Milliarden US$ gelegen hatten. In allen Warengruppen konnten 2017 gegenüber dem Vorjahr Zuwächse erzielt werden, allerdings entfielen 2017 allein 71,4 Prozent der Branchenexporte auf Sonnenblumenöl (2013: 56 Prozent). Mit Ausnahme von Speiseöl sowie Zucker und Zuckerwaren liegen die Exporte der meisten anderen Branchenprodukte immer noch deutlich unter dem Wert von 2013.
Bei den ukrainischen Exporten von Agrargütern überwiegen Waren mit einer geringen zusätzlichen Wertschöpfung. Mit mehr Weiterverarbeitung ließen sich die Erlöse noch deutlich steigern. Laut Angaben des Marktforschers Pro-Consulting könnten etwa die Margen beim Verkauf von Sonnenblumenöl um 40 Prozent zunehmen, würde das Öl abgefüllt in Flaschen als fertige Ware für den Absatz in Supermärkten verkauft.
Hemmender Faktor für die Ausweitung der Fertigungstiefe insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen ist das Fehlen günstiger Kredite. Internationale Geberorganisationen spielen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Projekten.
Die Viehhaltung ist in kleinen Hauswirtschaften konzentriert und verzeichnet seit Jahren Rückgänge. Dadurch wird auch die Entwicklung der Fleisch- und Milchverarbeitung gebremst. Das schwierige Investitionsklima sowie Mängel in der Transport- und Lagerinfrastruktur halten kapitalstarke Player vor mehr Engagement zurück.
Mehr und mehr richten die Unternehmen ihr Augenmerk auf den Markt der EU, mit der seit Anfang 2016 ein Freihandelsabkommen sowie seit Herbst 2017 ausgeweitete Zollkontingente für eine Reihe von Agrargütern bestehen. Im Jahr 2017 konnte die Ukraine die Exporte in die EU deutlich steigern. Allerdings wurden bei Nahrungsmitteln die meisten für 2018 geltenden zollfreien Quoten bereits in den ersten Monaten ausgeschöpft, darunter für Honig (8.000 Tonnen) sowie Apfel- und Traubensaft (14.000 Tonnen) bereits am 11. Januar 2018.
Chancen bietet die stärkere Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln, da hier in der Regel keine Mengenbeschränkungen für die zollfreie Lieferung gelten. Bei der Erfüllung der für den Export in die EU notwendigen Standards sowie bei der Veredelung von Nahrungsmitteln bieten sich viele Kooperationschancen für ausländische Unternehmen.
Wichtig für weitere Erfolge, insbesondere auf dem Markt der EU, wäre laut Branchenkennern die Etablierung anerkannter Handelsmarken. Hinderlich für den Absatz ist vielfach das schwierige Image der Ukraine, die mit Schlagwörtern wie Korruption und Tschernobyl in Verbindung gebracht wird.
Unternehmen: Projekt | Projektverantwortlicher | Projektstand | Kosten/Anmerkung |
Agrarholding MHP: Erweiterung von Geflügelzuchtanlage im Gebiet Winnyzja | IR-Director: Anastasiya Sobotyuk; E-Mail: a.sobotyuk@mhp.com.ua | Geplante Inbetriebnahme im 2. Quartal 2018 | 400 Mio. US$; Ausbau der Kapazitäten um 260.000 t/Jahr |
Delta Wilmar: Bau eines Plfanzenölwerks im Hafen Yuzhny (Gebiet Odessa) | Internet: http://www.deltawilmar.com | Projekt Anfang 2018 wegen Erpressungsversuchen gestoppt | 150 Mio. US$; Jahreskapazität: 600.000 t |
Kernel: Bau von Werk zur Produktion von Pflanzenöl im Gebiet Chmelnyzkyj | Generaldirektor Yevhen Osypov; Internet: http://www.kernel.ua | Umsetzung bis Mitte 2020 geplant | 130 Mio. US$ |
Roshen: Bau von Werk für Herstellung von Dauerbackwaren in Boryspil (Gebiet Kiew) | Internet: http://www.roshen.com | im Gang; Umsetzung in zwei Phasen bis 2020; Abschluss der ersten Phase bis November 2018 geplant | Kosten für 1. Stufe: rund 60 Mio. US$; Jahreskapazität: 20.000 t |
Nyva Pereyaslavschyny: Bau von Schweinefarm, Fleischverarbeitungswerk und Wiederverwertungsanlage für Abfälle | Oleksandr Kucher (CFO), E-Mail: a.kucher@niva-sa.com.ua; Tel.: 00380 50/351 86 95; Internet: http://niva-group.com | Unterzeichnung von Kreditvertrag mit IFC über 12,5 Mio. US$ am 11.5.18; Realisierungszeitraum: 2018 bis 2019 | 35 Mio. US$ |
Agrofusion: Ausbau der Verarbeitung von Tomaten | Olga Zhukova (Leiterin der Finanzabteilung), E-Mail: Olga.Zhukova@inagro.ua; Tel.: 00380 512/58 79 08 | in Vorbereitung; IFC prüft bis 14.6.18 Vergabe über Kredit in Höhe von 17 Mio. US$; geplante Realisierung: 2018 bis 2019 | Geschätzte Kosten: 30 Mio. US$; EBWE und EIB hatten Unternehmen 2017 bereits Kredite gewährt, darunter in Unternehmenstochter Organic Systems |
Nestlé: Modernisierung von Mivina-Werk in Charkiw | Ansprechpartner: Thomas Ringger (E-Mail: Thomas.Ringger@ua.nestle.com)Internet: http://www.nestle.ua | Fertigstellung von Projektplan Anfang 2018; geplante Realisierung: 2018 bis 2021 | rund 23 Mio. US$; Produktion von Nudelfertiggerichten |
Quellen: Pressemeldungen; Recherchen von Germany Trade & Invest
WorldFood Ukraine, Fachmesse für Lebensmittel, Getränke, Verarbeitung, Technologien, Ingredienzen & Verpackung, Kiew, 23.-25. Oktober 2018 (http://worldfood.com.ua)
International Forum of Food Industry and Packaging (IFFIP), Fachmesse mit Ausstellungen "Pack Fair", "FoodExpo", "Food TechMash", "Backery and confectionery industry", Kiew, April 2019 (http://www.iffip.kiev.ua)
Weitere Informationen zu Wirtschaftslage, Branchen, Geschäftspraxis, Recht, Zoll, Ausschreibungen und Entwicklungsprojekten in der Ukraine können Sie unter http://www.gtai.de/ukraine abrufen.
Weitere Artikel zur Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie in Bulgarien, Rumänien, Russland, der Türkei und der Ukraine finden Sie unter: http://www.gtai.de/ernaehrung-gus-soe