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USA leiten Ende des Öl- und Gasfracking ein

Das Fracking machte die USA 2019 zum Energienettoexporteur. Doch die Zukunft der Öl- und Gasbranche ist ungewiss.

Von Ullrich Umann | Washington, D.C.

Mit hydraulischem Fracking und Horizontalbohrtechnologie verwandelten große Energiekonzerne und hunderte mittelständische Förderunternehmen die USA in den größten Erdgasproduzenten der Welt. Auch die Förderung von Erdöl ist seither beträchtlich gestiegen. Im Ergebnis sind die USA 2019 zu einem Nettoexporteur von Kohlenwasserstoffen avanciert. Doch scheint dieser wirtschaftliche Vorteil von nur vorübergehender Natur zu sein.

Zeithorizont für Öl und Gas schwindet

Mit der Amtsübernahme von Joe Biden als 46. US-Präsident im Januar 2021 hat sich die Energie- und Umweltpolitik der US-Regierung zugunsten regenerativer Energieträger und des Klimaschutzes verschoben. Bis 2035 soll die Energiewirtschaft laut Fact Sheet des Weißen Hauses komplett CO2-frei werden: Damit rückt das Ende fossiler Brennstoffe in greifbare Nähe.

Kapitalgeber steuern bereits auf den Ausbau erneuerbarer Energiequellen um. Europäische Geldinstitute wie die Deutsche Bank und Societe General geben Frackingfirmen überhaupt keine Kredite mehr und US-Banken haben ihre entsprechenden Programme reduziert.

Der Öl- und Gaswirtschaft fällt es in der Folge schwer, überhaupt noch Darlehen zu günstigen Bedingungen zu erhalten. Im Ergebnis können sie weniger fabrikneue Bohr- und Fördertechnik als in früheren Jahren ordern. Zumindest 2021 sollen die Investitionen in Öl- und Gasfördertechnik aber vorübergehend stabil bleiben, bewegt sich doch der Ölpreis seit Monaten oberhalb der 50-US-Dollar-Marke, was den meisten Förderfirmen Mehreinnahmen beschert.

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Förderunternehmen passen Nachfrage an

Frackingfirmen erwirtschafteten im 1. Quartal 2021 einen Gewinn von 4,1 Milliarden US-Dollar (US$). Hinzu kommen noch einmal die Gewinne der großen Ölkonzerne. Wie die Unternehmensberatung Rystad Energy auf dieser Basis kalkulierte, dürfte die Branche im Jahr 2021 insgesamt 28 Milliarden US$ investieren.

So seltsam es klingen mag, mit den wachsenden wirtschaftlichen Unwägbarkeiten in der Öl- und Gasindustrie, insbesondere infolge der neuen Energie- und Umweltpolitik der US-Regierung, steigt die Nachfrage nach Rohrleitungen, Filter- und Reinigungstechnik für Kohlenwasserstoffe sowie Pumpen und Kompressoren. Denn immer mehr Förderfirmen wollen das bei der Ölerzeugung anfallende Begleitgas nicht mehr wie gewohnt abfackeln, sondern auffangen und über Rohrleitungen Erdgaskunden zuführen.

Einen öffentlichkeitswirksamen Anfang machte der Ölriese BP im April 2021 mit seiner Ankündigung, alles Begleitgas gewerblich nutzen zu wollen, das an seinen Ölbohrtürmen in Texas und New Mexico anfällt. Wie es aus dem Konzern hieß, werden in die erforderlichen Ausrüstungen und Pipelines bis 2025 insgesamt 1,3 Milliarden US$ investiert.

Begleitgas wird industriell genutzt

Zusätzlich plant BP, seine Ölförderung in einem ersten Schritt bis 2030 um 40 Prozent herunterzufahren, um damit seinen fossilen Fußabdruck zu verringern. Im Gegenzug möchte der Konzern die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen aufbauen und hochfahren, um die fossile Lücke mit Solar- und Windstrom zu füllen.

BP hat mit dem Auffangen des Begleitgases in der Branche Zeichen gesetzt. Wettbewerber wie Chevron und Exxon kündigten inzwischen an, einen ähnlichen Weg gehen zu wollen. Neben dem Auffangen von Begleitgas gehört dazu das Einlagern von Kohlendioxid in ehemaligen unterirdischen Öl- und Gaslagerstellen.

Anders stellt sich die wirtschaftliche Lage der vielen kleinen und mittleren Frackingfirmen dar. Sie können die Investitionsmittel zum Auffangen und Transport des Begleitgases nur zum Teil aufbringen. Im März 2021 meldete das Wall Street Journal zudem, dass Frackingfirmen trotz des aktuell hohen Ölpreises ihre Förderquoten auf einem niedrigen Niveau halten. Darunter leiden wiederum die Betreiber der Tankerflotten, die ihre Schiffe nicht mehr schnell genug voll bekommen.

Erklärt wird das gedrosselte Förderniveau mit der sinkenden Zukunftsgewissheit der Öl- und Gasbranche. Auf der einen Seite sind Darlehen nur noch schwer erhältlich. Auf der anderen Seite wenden die Frackingfirmen inzwischen bis zu 30 Prozent ihrer Einnahmen auf, um Schulden abzubauen und Dividenden auszuzahlen, so als renne ihnen die Zeit davon. Nach Angaben der Unternehmensberatung Wood Mackenzie schob die Frackingbranche zum Jahresanfang 2021 Verbindlichkeiten in Höhe von 148,6 Milliarden US$ vor sich her.

Frackingfirmen bauen Schulden ab

Frackingfirmen wie Occidental Petroleum Corp. und Ovintiv Inc. erklärten den Schuldenabbau als ihr wichtigstes Ziel für 2021. Pioneer Natural Resources Co. und Devon Energy Corp. wollen es dagegen noch einmal wissen und zahlen mehr Dividenden aus in der Hoffnung, dadurch Investoren zurückgewinnen zu können. In beiden Fällen gehen die Zahlungen auf Kosten von Betriebserweiterungen. Allein im April 2021 wurde in den verbliebenen 378 Bohrlöchern täglich 2 Millionen Barrel Öl weniger gefördert als noch vor der Pandemie - zu Spitzenzeiten waren bis zu 683 Bohrlöcher aktiv.

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Wie der Bohrdienstleister Baker Hughes Co. mitteilte, reduzieren Frackingfirmen die Anzahl ihrer vorbereiteten Bohrlöchern und erschließen weniger neue. Sollte die Erschließung weiter stagnieren, droht das Förderniveau bis Jahresende weiter zu sinken, stellte die Investitionsgesellschaft OnyxPoint Global Management LP fest. So seien zur Aufrechterhaltung des derzeitigen Förderniveaus 450 und zur Rückkehr zum Vorkrisenniveau sogar 575 aktive Bohrlöcher notwendig. Dank anhaltend hoher Ölpreise hatte sich die Lage im Frackingsektor im Juli 2021 mit 484 aktiven Bohrlöchern jedoch noch einmal erholt.

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