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Marktentwicklungen und -trends
In der Gesundheitswirtschaft Usbekistans gibt es so viele Ausbauinitiativen wie noch nie zuvor. Grund sind eine große Liberalisierungswelle und tiefgreifende Reformen.
15.07.2021
Von Uwe Strohbach | Taschkent
Der usbekische Markt für Medizintechnik wird für ausländische Firmen attraktiver. Hauptreiber des Geschäfts sind Reformen, viele Ausbauprojekte des öffentlichen und privaten Gesundheitssektors sowie die geplante Einführung einer Krankenpflichtversicherung.
Der starke Bevölkerungszuwachs und der zunehmende Anspruch des sich immer mehr herausbildenden Mittelstandes an eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung kurbeln die Nachfrage nach Medizintechnik an. Auch nehmen Zivilisations-, chronische und allergische Erkrankungen zu.
Marktkenner erwarten bis 2025 ein jährliches Absatzwachstum von etwa 8 bis 12 Prozent. Der jährliche Marktumsatz dürfte von geschätzten bis zu 450 Millionen US-Dollar (US$) 2021 (inklusive offiziell nicht registrierter Importe) auf voraussichtlich 700 bis 750 Millionen US$ im Jahr 2025 steigen. Der Pro-Kopf Branchenumsatz bleibt allerdings auch im Zieljahr mit wenig mehr als 20 US$ immer noch sehr gering.
Markt für Medizintechnik in Usbekistan (Marktvolumen in Millionen US-Dollar)
2019 | 2020 | 2021 | 2022 |
---|---|---|---|
400 | 370 | 430 - 450 | 480 - 520 |
Der Nachholbedarf bei der Ausrüstung öffentlicher Krankenhäuser mit moderner Technik ist enorm. Von den 110.000 erfassten und genutzten Geräten zur Diagnose, Therapie und Prävention von Krankheiten bedürfen 40.000 einer Erneuerung.
Der Mangel an moderner Medizintechnik gilt neben den großen Defiziten in der Gesundheitsinfrastruktur in den Provinzen sowie in der Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals als einer der Gründe dafür, dass der größte Teil der Bevölkerung der Gesundheitsversorgung im Land sehr kritisch gegenübersteht.
Viele angekündigte öffentliche und private Projekte mit dem Ziel, die medizinische Versorgung auszubauen, stimmen zuversichtlich, dass Usbekistan den Investitionsstau im Gesundheitswesen schrittweise auflösen kann. Die Regierung hat die Verbesserung des Gesundheitswesens zu einem ihrer vordringlichen wirtschaftspolitischen Ziele erklärt.
Ausländische Anbieter dominieren das Branchengeschäft
Der Markt für Medizintechnik wird fast ausschließlich über Importe gedeckt. Ausländische Lieferanten stehen für mehr als 95 Prozent des wertmäßigen Gesamtbedarfs. Unter Einschluss technischer Erzeugnisse der Sparte medizinische Verbrauchsartikel ist diese Quote etwas geringer.
Die Hauptlieferanten kommen aus China, Deutschland, Japan, Russland, Südkorea, der Türkei und den USA. Deutsche Anbieter genießen in Usbekistan einen sehr guten Ruf. Ihr Anteil an den offiziell erfassten Branchenimporten betrug in den Jahren bis 2016 im Schnitt ein Sechstel.
Seit dem Start der Liberalisierungs- und Reformwelle 2017 hat sich der Wettbewerb unter den ausländischen Medizintechnik-Lieferanten deutlich verschärft. Immer mehr Unternehmen sowohl aus den traditionellen Liefernationen als auch anderen Ländern drängen auf den Markt.
So gewann das indische Unternehmen NephroPlus (NephroCare Health Services Privat Limited) Ende 2020 eine internationale Ausschreibung für den Bau, die technische Ausstattung und den Betrieb von vier Dialysekliniken. Das schweizerisch-usbekische Joint Venture Swiss Lab (Schweiz) betreibt seit Ende 2019 ein Netz von Diagnoselabors.
Das Unternehmen Kani-Med Healthcare, Teil der türkischen Alles Saglik Grup, engagiert sich beim Aufbau eines Netzes von klinischen Labors. Nach Angaben der Nationalen Kammer für innovatives Gesundheitswesen hat die italienische Gesellschaft Opera Company ihr Interesse an der Errichtung eines Zentrums für Endokrinologie in Namangan und eines Polikliniknetzes für das gleiche Fachgebiet bekundet. Israelische, türkische, indische und russische Firmen wollen in den usbekischen Gesundheitsmarkt investieren. Deutsche Medizintechnikprodukte kommen nach wie vor in vielen international finanzierten Projekten zum Einsatz.
Staat ist Hauptabnehmer, aber private Akteure ordern von Jahr zu Jahr mehr
Hauptabnehmer von Medizintechnik sind öffentliche medizinische Einrichtungen im Kompetenzbereich des Gesundheitsministeriums. Die Käufe werden zumeist über projektgebundene internationale Darlehen finanziert.
Die aktuell laufenden ausländischen Kredite für das Gesundheitswesen insgesamt summieren sich auf circa 400 Millionen US$. Hinzu kommen noch ab 2020 bereitgestellte Darlehen für den Kampf gegen das Coronavirus einschließlich des Ausbaus des sanitär-epidemiologischen Dienstes in Höhe von etwa 300 Millionen US$.
Das Gewicht der privaten Akteure am Gesamtumsatz des Gesundheitsmarktes ist noch überschaubar, zeigt aber im Trend sichtlich nach oben. Die Anzahl privater medizinischer Einrichtungen stieg bis Anfang 2021 auf rund 6.000, gegenüber 3.800 Einrichtungen Ende 2017. Der Privatsektor ist vor allem in der Hauptstadt Taschkent präsent, gewinnt aber auch in den Provinzen stärker an Bedeutung
In - und ausländische Unternehmen engagieren sich zunehmend im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) bei der Gründung, technischen Ausstattung und beim Betrieb von medizinischen Versorgungs- und Laborzentren. Diese und andere PPP-Vorhaben im Gesundheitssektor sind über die Agentur für die Entwicklung öffentlich-privater Partnerschaften PPPDA abrufbar.
Zahlreiche Erneuerungs- und Ausbauprojekte in der Pipeline
Die Gesundheitsreform spiegelt sich in einer wachsenden Anzahl von Projekten wider deren Ziel es ist, medizinische Objekte zu erneuern oder zu bauen und mit Medizintechnik auszustatten. In den Jahren 2020 bis 2024 sind allein 120 Millionen US$ vorgesehen um ein Netzwerk aufzubauen für die Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen des Blutes, des Knochenmarks und des Immunsystems (Hämatologie).
Geplant ist eine internationale Ausschreibung für die Positronen-Emissions-Tomografie-Diagnostik im staatlichen wissenschaftlich-praktischen Zentrum für Onkologie und Radiologie in Taschkent. Das Vorhaben soll als PPP-Projekt realisiert werden. Zu einer Interessenkundgebung hat das Gesundheitsministerium bereits aufgerufen.
Ferner stehen der Aufbau und Betrieb von drei radiotherapeutischen Zentren auf der Liste der PPP-Projekte. Das Gesundheitsministerium will 2021 bis 2023 rund 170 regionale und städtische medizinische Objekte mit Computertomografen ausstatten, bei der Eröffnung von 320 Hausarztpraxen und 85 Familienkliniken mitwirken und das Filialnetz spezialisierter Versorgungszentren kräftig erweitern.
Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Usbekistan (Auswahl; Investitionssummen in Millionen US-Dollar)
Projekt | Investitionssumme | Anmerkung | Internetadresse |
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Tashkent Pharma Park (Pharmafarbriken, mehrere Kliniken, F&E- und Bildungseinrichtungen für den Gesundheitssektor) | 280 | Realisierung: 2020 bis 2024, Kofinanzierung durch die Eximbank Korea | |
Errichtung und technische Ausstattung von 10 Kliniken | 200 | Projekt in Frühphase | VP Group (Israel), Kontakt über das Ministerium für Gesundheitswesen |
Medizinisches Mehrprofilzentrum | 125 | Projekt in Vorbereitung, Machbarkeitsstudie liegt vor, Finanzierung durch EDCF (Südkorea) | |
Erneuerung/Bau und technische Ausstattung von Geburtskliniken und Zentren für Pränataldiagnostik | 120 | Realisierung: 2021 bis 2023 | |
Bau und technische Ausstattung eines Zentrum für Neurologie und Schlaganfallmedizin | 100 | Projekt in Vorbereitung, Finanzierung durch JICA (Japan) | |
Ausstattung onkologischer Kliniken mit Medizin- und Labortechnik | 70 | Realisierung: 2020 bis 2024, Kredite der IDB und anderer Geber | |
Verbesserung der medizinischen Primärversorgung (Hausarztpraxen und Polikliniken) | 60 | Realisierung: 2019 bis 2022 Finanzierung durch die ADB | |
Ausstattung der staatlichen Zentren für Kardiologie und Endokrinologie mit Medizintechnik | 50 | Projekt in Vorbereitung, Finanzierung durch die ADB geplant | |
Errichtung von 91 regionalen Filialen staatlicher medizinischer Fachzentren | 30 | Realisierung: 2021 bis 2022/2023 |
Tiefgreifende Reformen krempeln die Gesundheitsfürsorge um
Usbekistan hat seit 2017 rund 230 Dokumente verabschiedet, um die medizinische Fürsorge umfassend zu reformieren und auszubauen. Zu den Kernelementen der Reform zählen eine Neustrukturierung der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens, ein massiver Ausbau der Primärversorgung (einschließlich Vorsorge) und ebenso des regionalen Netzes spezialisierter medizinischer Zentren.
Spezialisierte Einrichtungen in Usbekistan (staatliche wissenschaftlich-praktische Facharztzentren)
Fachbereich (Zentrum) *) | Anmerkung |
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internationales Zentrums für molekulare Allergologie in Planung | |
größere Filiale in Termiz, Provinz Syrdarja (Surchonoptical) | |
Abteilung für Medizin-Tourismus 2021 eröffnet | |
Dermatologie- und Kosmetologiedienste werden vorwiegend für Selbstzahler angeboten | |
Projekte für die Erneuerung von Medizintechnik in regionalen Filialen vorgesehen | |
Epidemiologie, Mikrobiologie, Infektions- und Parasitenerkrankungen | Fachaufsicht über Infektionskrankenhäuser und Infektionsabteilungen anderer medizinischer Objekte, Zentren für biologische Sicherheit und Gentechnologien im Aufbau |
Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates (Kinderrehabilitation) | weitere regionale Physiotherapie- und Rehabilitationszentren in Planung |
Modernisierung regionaler Klinikfilialen in der Pipeline | |
Gefäßchirurgie (chirurgische Angiologie) | zentraler Koordinator für den gesamten Fachbereich Angiologie in Usbekistan |
Ausbauprogramm für den gesamten Fachbereich 2020 beschlossen | |
Initiator und Leitung des Verbandes der Kardiologen Usbekistans | |
Investitionen in den Ausbau des Filialnetzes vorgesehen | |
mittelfristiges Ausbauprogramm Ende 2019 gestartet (Bau/Modernisierung von 14 Objekten mit 1.400 Betten) | |
Nephrologie und Nierentransplantation | Ausbau zu einem Cluster auf der Basis einer öffentlich-privaten Partnerschaft geplant |
Ausbauprogramm umfasst Projekte für 44 Millionen US$ (2018 bis 2022/2023) | |
Erneuerung und Ausbau des landesweiten Rettungsdienstes läuft auf Hochtouren | |
Bau neuer Klinikgebäude und deren Ausstattung mit Medizintechnik Mitte 2021 beschlossen | |
koordiniert 13 regionale medizinische Zentren für Kinderheilkunde | |
auch Betreiber von 13 regionalen Tuberkulosekrankenhäusern | |
regionale Ausbauprojekte in der Planung | |
Zentrum zählt zu den modernsten und größten fachärztlichen Einrichtungen Usbekistans | |
Ausbau des Filialnetzes in den Provinzen vorgesehen | |
Tätigkeitsschwerpunkt ist die Behandlung von chronischer Hepatitis und Leberzirrhose |
Infolge des bisher mangelnden quantitativen und qualitativen Ausbaus von Polikliniken und Ambulatorien ist der Krankenhaussektor überstrapazierte und wenig effizient - er steht vor einer Neuausrichtung.
Grundrichtungen und Hauptziele der Gesundheitsreform Usbekistans
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Obligatorische Krankenversicherung für alle ab 2025
Usbekistan plant eine Krankenpflichtversicherung schrittweise einzuführen. Ein Pilotprojekt startet Mitte 2021 in der Provinz Syrdarja. Ab 2023 werden die Einwohner von fünf weiteren Provinzen und der Autonomen Republik Karakalpakstan in das Versicherungssystem integriert. Ab 2025 soll die Versicherungspflicht landesweit gelten.
In Gulistan, der lokalen Hauptstadt der Provinz Syrdarja, entsteht ab Mitte 2021 unter Einbindung führender lokaler medizinischen Zentren und Kliniken das erste medizinische Cluster in Usbekistan. Es bildet einen wichtigen Baustein für das neue Versicherungsmodell. Der Aufbau weiterer Cluster soll folgen.
Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Usbekistan
Indikator | Wert |
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Einwohnerzahl (1. 1.21, in Mio.) | 34,6 |
Bevölkerungswachstum (1. 1.21:1.1.20, in %) | 1,9 |
Altersstruktur der Bevölkerung (2019) | |
Anteil der unter 14-Jährigen (in %) | 27,4 |
Anteil der über 65-Jährigen (in %) | 4,3 |
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2019, in Jahren) | 75,1 |
Durchschnittseinkommen (2020, in US$) | 1.165 |
Gesundheitsausgaben pro Kopf (2018, in US$) | 82,3 *) |
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2018, in %) | 5,3 *) |
Ärzte insgesamt/100.000 Einwohner (2019) | 271,0 |
Zahnärzte/100.000 Einwohner (2019) | 25,7 |
Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2019), davon | 452,0 |
privat | 55,0 |
öffentlich | 397,0 |