Branchencheck | Russland

Covid-19 dämpft Wachstumsaussichten der russischen Industrie

Die Coronapandemie hat Russlands Industrie fest im Griff. Während die Rohstoffförderung sinkt, trotzt das verarbeitende Gewerbe der Krise. Bestimmte Branchen profitieren sogar.

27.11.2020

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Die Folgen der zweiten Pandemiewelle verhindern eine rasche Erholung der Industrieproduktion im 1. Halbjahr 2021. Niedrige private Investitionen, eine sinkende Kaufkraft und geringe Nachholeffekte lassen die Nachfrage nach Industriegütern sinken. Trotzdem blicken die Chemieindustrie, die Gesundheitswirtschaft, die Land- und Ernährungswirtschaft und der IT-Sektor positiv ins neue Geschäftsjahr.

Maschinenbau

Die verarbeitende Industrie bleibt bis ins zweite Quartal 2021 hinein auf Schrumpfkurs. Die Regierung entwickelt wichtige Maschinenbausparten. Der schwache Rubel verteuert Importe.

Hersteller von Landtechnik, Bau- und Lebensmittelmaschinen bleiben 2021 auf Wachstumskurs. Der Flugzeug- und Schienenfahrzeugbau kämpft hingegen ums Überleben. Die Regierung verlängert die Programme zum vergünstigten Leasing von Land- und Baumaschinen. Die „Strategie zur Entwicklung der verarbeitenden Industrie bis 2035“ soll den Ausstoß lokaler Maschinenbauer ankurbeln. Die Rubelabwertung und die Verschärfung der Importsubstitutionspolitik erschweren Einfuhren. Die Russische Eisenbahn RZD möchte mit Uralskiye Lokomotivy, Sinara und Siemens ab 2024 Hochgeschwindigkeitszüge im Gebiet Swerdlowsk lokal fertigen.
Weitere Informationen:
Covid-19 bremst Modernisierung des russischen Maschinenbaus
Coronakrise senkt Nachfrage nach Antriebstechnik in Russland
Russische Papierindustrie trotzt dem Coronavirus

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Chemieindustrie

Hersteller von Arzneimitteln, petrochemischen Erzeugnissen und Agrarchemikalien blicken positiv ins Geschäftsjahr 2021. Große Investitionsvorhaben werden wie geplant umgesetzt.

Die chemische Industrie profitiert in der Pandemie von der steigenden Nachfrage nach Medikamenten, Desinfektionsmitteln und Plastikgeschirr. In der Petrochemie laufen Großprojekte zum Bau von Gasverflüssigungsanlagen weiter. RusChimAljans errichtet in Ust-Luga im Gebiet Leningrad ein Werk zur Verarbeitung von Ethangas und zur Produktion von Flüssiggas. Hersteller von Agrarchemikalien profitieren vom Wachstum der heimischen Landwirtschaft und investieren in den Ausbau und die Modernisierung ihrer Kapazitäten. Polymererzeuger leiden hingegen unter der geringen Nachfrage aus dem Auto- und Maschinenbau.
Weitere Informationen:
Russische Chemieindustrie wächst trotz Krise
Russlands Petrochemie bietet weiterhin gute Lieferchancen

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Energiewirtschaft

Förderung und Export fossiler Brennstoffe dominieren Russlands Energiewirtschaft. Die Regierung treibt den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft voran und fördert erneuerbare Energien.

Russland investiert Milliarden in die Modernisierung konventioneller Kraftwerke. In ihrer Energiestrategie bis 2035 setzt die Regierung auch auf Wasserstoff. Im Zuge der Dekarbonisierung der EU soll der Energieträger zum klimaneutralen Exportschlager werden. Trotz des bislang geringen Anteils von Solar- und Windenergie an der Stromerzeugung steigen die Investitionen in erneuerbare Energien. Die Regierung verlängert das Förderprogramm DPM-VIE bis 2035. Siemens Gas Turbine Technologies (SGGT) fertigt die Ausrüstung für den Bau von 57 Windkraftanlagen von Siemens Gamesa und Enel Russia im Gebiet Murmansk.
Weitere Informationen:
Russland möchte bis 2035 Weltmarktführer bei Wasserstoff werden
Russland plant weitere Förderung der Windenergie
Russland holt für Nördlichen Seeweg deutsche Partner ins Boot

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Bauwirtschaft

Die Regierung investiert in den Ausbau und die Modernisierung der Verkehrs-, Schienen- und Hafeninfrastruktur. Die vergünstige Vergabe von Baukrediten kurbelt den Wohnungsbau an.

Ein Vergaberekord bei vergünstigten Hypothekenkrediten im Jahr 2020 wird im Jahr 2021 die Auftragsbücher von Wohnungsbau- und Projektierungsgesellschaften füllen. Die Regierung will wichtige Infrastruktur-Großprojekte in jedem Fall realisieren und stellt im „Aktionsplan zur Wiederbelebung der Wirtschaft“ Milliarden für den Bau neuer Fernstraßen und Schienenwege im Süden Russlands, die neue Mautautobahn zwischen Moskau und Kasan sowie die Hochgeschwindigkeitszugstrecke von Moskau nach Sankt Petersburg bereit. Die Modernisierung der Häfen entlang des Nördlichen Seewegs soll mehr Frachtumschlag nach Russland umleiten.
Weitere Informationen:
Infrastruktur-Großprojekte werden trotz Pandemie umgesetzt
Nachfrage nach Gebäudetechnik in Russland steigt
Branchenanalyse: Großprojekten drohen Verzögerungen

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Gesundheitswirtschaft

Die zweite Pandemiewelle bringt das Gesundheitssystem an die Belastungsgrenze. Die Regierung erhöht die Corona-Hilfen. Medizintechnikimporte werden aufwändiger. Telemedizin boomt.

Die Produktion von Schutzausrüstung, Coronatests, Corona-Impfstoffen und Beatmungsgeräten läuft auf Hochtouren. Die Regierung stellt den am stärksten betroffenen Regionen weitere Gelder zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung und investiert im Rahmen des nationalen Projekts „Gesundheitswirtschaft“ in den Ausbau der medizinischen Grundversorgung. Die Regierung verlängert die vereinfachte Registrierung von Medizintechnik im Kampf gegen Covid-19. Zugleich steigt der bürokratische Aufwand und macht Einfuhren medizinischer Ausrüstung aufwändiger. Der Markt für E-Health-Lösungen profitiert von den Beschränkungen und entwickelt sich dynamisch.
Weitere Informationen:
Russland investiert in bessere medizinische Versorgung
Nachfrage nach Telemedizin in Russland steigt
Russische Arzneimittelhersteller erfreuen sich Sonderkonjunktur

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Landwirtschaft

Russlands Landwirte setzen trotz der Coronakrise ihren Wachstumskurs fort. Investitionen fließen in neue Viehzucht- und Milchviehbetriebe. Der Markt für Biolebensmittel wächst.

Russland fährt in der Saison 2020/2021 die zweitgrößte Getreideernte der Geschichte ein. Die Urbarmachung neuer Anbauflächen soll die Ernteerträge weiter steigern. Dadurch steigt die Nachfrage nach Saatgut, das verstärkt lokal hergestellt werden soll. Viehzüchter investieren in neue Ställe und setzen auf lokales Genmaterial, um ihre Wertschöpfung zu steigern. Milcherzeuger erweitern ihre Kapazitäten. Russlands größter Milchproduzent, Ekoniva, investiert in neue Milchviehbetriebe in Tatarstan und den Regionen Moskau und Kaluga. Die Regierung verlängert die Förderprogramme. Der Ökolandbau ist im Kommen.
Weitere Informationen:
Russland will weniger Genmaterial für die Tierzucht importieren
Russland forciert Lokalisierung von Saatgut
Gebiet Woronesch als Wachstumsinsel in Südrussland
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Nahrungsmittelindustrie

Die Herstellung von Nahrungsmitteln bleibt 2021 ein Wachstumstreiber. Der Onlinehandel mit Lebensmitteln steigt rasant. Die Kennzeichnungspflicht wird auf Milchprodukte und Getränke ausgedehnt.

Russlands Nahrungsmittelerzeuger profitieren von der steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln, vor allem im Billigpreissegment. Zur Steigerung der Wertschöpfung kommen verstärkt Automatisierungslösungen zum Einsatz. Milcherzeuger investieren in den Ausbau ihrer Verarbeitungskapazitäten. Ekoniva will die Menge der verarbeiteten Milch bis 2023 auf etwa 2.000 Tonnen pro Tag vervierfachen. Der Onlinehandel mit Lebensmitteln verzeichnet überdurchschnittliche Wachstumsraten. Biolebensmittel erfreuen sich steigender Beliebtheit. Milch und Milchprodukte, Trinkwasser und Bier müssen ab 2021 digital gekennzeichnet werden.
Weitere Informationen:
Milchwirtschaft gehört zu den Krisengewinnern
Ausländische Konzerne produzieren vermehrt Lebensmittel in Russland
Russland präzisiert Regeln zur digitalen Kennzeichnung von Waren
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Metallindustrie

Russlands Stahlhersteller profitieren 2021 von staatlichen Investitionen in Bauprojekte. Modernisierungsvorhaben werden trotz Coronakrise umgesetzt. Der Bedarf an Umwelttechnik steigt.

Der Markt für Metallurgieerzeugnisse wird bis Ende 2021 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Den Nachfragerückgang aus der Kfz-Industrie gleicht der steigende Bedarf an Baustahl mehr als aus. Projekte zur Modernisierung der Anlagen laufen wie geplant weiter. NLMK erneuert bis 2022 für 1,8 Milliarden Euro die Hochöfen im Stahlwerk in Lipezk. Investitionen in die Steigerung der Produktivität erhöhen den Bedarf an Industrie 4.0-Lösungen. Strengere Umweltauflagen zwingen Metallurgiekombinate zur Einführung von besten verfügbaren Techniken (BVT) und zur Beschaffung von Umwelttechnik.
Weitere Informationen:
Russlands Metallurgiekonzerne schmieden große Investitionspläne
Russische Stahlkonzerne setzen auf digitale Lösungen
Russlands Metallurgie investiert in moderne Umwelttechnik
Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Pkw- und Nfz-Produktion

Die Produktion von Kfz bleibt 2021 auf niedrigem Niveau. Autobauer mit hohem Lokalisierungsgrad erhalten mehr Industriesubventionen. Die Regierung fördert die Bauteilefertigung.

Die Viruspandemie drückt den niedrigen Auslastungsgrad vieler Autowerke weiter. Branchenprimus AwtoWAZ geht ab Januar 2021 für sechs Monate zu einer Vier-Tage-Woche über. Die Regierung erhöht den Anteil der Industriesubventionen, die an den Lokalisierungsgrad gekoppelt sind, auf 75 Prozent. Damit die Autobauer ihre Lokalisierungszusagen einhalten können, subventioniert das Industrieministerium die Ansiedlung von Kfz-Zulieferern. Der chinesische Autobauer Haval investiert über einen Sonderinvestitionsvertrag etwa 470 Millionen Euro in den Aufbau einer Motoren- und Getriebefertigung im Gebiet Tula.
Weitere Informationen:
https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/russland/covid-19-auswirkungen-auf-internationale-lieferketten-in-der-kfz-industrie-241962
Auto- und Maschinenbauer investieren ins Gebiet Uljanowsk
Russische Kfz-Industrie investiert in Tatarstan

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Umwelttechnik

Der Bedarf an Umwelttechnik bleibt hoch. Der Klimawandel und die geplante CO₂-Grenzsteuer der EU auf Rohstoffexporte erhöhen den Druck, klimaneutraler zu werden.

Im Zuge der Umsetzung des nationalen Projekts „Ökologie“ müssen Regionen, Kommunen und Unternehmen moderne Technologien zur Abfallverwertung, Luftreinhaltung und zum Gewässerschutz beschaffen. Bis 2024 sollen 850 Anlagen zur Deponierung und Verarbeitung von Müll, sowie 350 Sortieranlagen im Land entstehen. Großes Potenzial bietet die Verarbeitung von Industrieabfällen. Um die CO₂-Bilanz zu verbessern, soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 70 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Damit will die Regierung die Auswirkungen des Klimawandels verlangsamen und Mehrausgaben durch die geplante CO₂-Grenzsteuer der EU vermeiden.
Weitere Informationen:
Verwertung von Industrieabfällen verspricht Milliardengeschäft
Industriebetriebe im Ural wollen mehr Abfälle verwerten
Klimawandel bedroht Russlands ehrgeizige Arktispläne

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Informations- und Kommunikationstechnik

Der Umstieg auf Telearbeit beschert Russlands IT-Unternehmen steigende Umsätze. Die Regierung fördert einheimische Softwarehersteller und investiert in den Aufbau eines 5G-Netzes.

Russlands Firmen schicken auch im Jahr 2021 einen Teil ihrer Mitarbeiter ins Homeoffice. Der Bedarf an digitalen Lösungen bleibt entsprechend hoch. Die Regierung will bei staatlichen Beschaffungen ausländische Hard- und Software durch einheimische Angebote ersetzen. Um die Entwicklung zu beschleunigen, erhalten lokale Hersteller von Software sowie Mikro- und Funkelektronik Steuernachlässe. Wichtigster Entwicklungstreiber in den kommenden Jahren soll der Aufbau eines landesweiten 5G-Netzes werden. Federführend für den Aufbau der Netzinfrastruktur mit einheimischer Technik ist die Staatsholding Rostec.
Weitere Informationen:
Softwarebranche soll zum Konjunkturmotor werden
Mobilfunkstandard 5G startet später als geplant
Russland will Chips und Speicher selbst herstellen

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

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Pkw- und Nfz-Markt

Russlands Automarkt kommt 2021 nur schwer in die Gänge. Die Regierung steuert gegen und verlängert die Absatzförderprogramme. Zwei IT-Schwergewichte entwickeln das autonome Fahren.

Steigende Preise durch die Rubelabwertung in Kombination mit sinkenden frei verfügbaren Einkommen drücken die Kaufkraft im Jahr 2021. Daran ändern auch die 190 Millionen Euro der Regierung für Absatzförderprogramme wenig. Für das Jahr 2020 rechnet die Association of European Businesses (AEB) mit einem Absatzrückgang um 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf etwa 1,5 Millionen Fahrzeuge. Die Krisen geschüttelte verarbeitende Industrie hat nur geringen Bedarf an neuen Nutzfahrzeugen und Lkw. Beim perspektivreichen autonomen Fahren ringen der IT-Konzern Yandex und das digitale Bankhaus Sber um Marktanteile.
Weitere Informationen:
Coronavirus sorgt für Absatzeinbruch am russischen Automobilmarkt
Russland erschwert Marktzugang für Kfz und Kfz-Teile
Russischer Internetkonzern Yandex treibt autonomes Fahren voran

Von Gerit Schulze | Moskau

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