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Branchen | Russland | Bauwirtschaft

Branchenstruktur und Wettbewerbssituation

In Russland investiert der Staat kräftig in die Bauwirtschaft. Die Konkurrenz verschärft sich. Lukrative Staatsaufträge gehen meist an lokale Unternehmen.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Staatliche Förderprogramme sorgen für Optimismus

Die Immobilienbranche in Russland freut sich über gute Aussichten. Über das föderale Investitionsförderprogramm (FAIP) fließen bis 2023 etwa 30 Milliarden Euro in 1.100 öffentliche Bauvorhaben der „Nationalen Projekte“ sowie des "umfassenden Plans zur Modernisierung und Ausweitung der Infrastruktur". Für 2021 sind 9,4 Milliarden Euro eingeplant, im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 1 Prozent. Die Investitionen in Gewerbeimmobilien belaufen sich 2021 auf etwa 3,5 Milliarden Euro, schätzt Cushman & Wakefield.

Im Jahr 2020 wurden 285 Milliarden Rubel (etwa 3,4 Milliarden Euro, 1 Euro = 82,72 Rubel, Jahresdurchschnittskurs der Europäischen Zentralbank) in russische Immobilien investiert und damit 14 Prozent mehr als im Vorjahr, berechnete das Beratungsunternehmen CBRE. Die Investitionen in Wohnimmobilien stiegen gegenüber dem Vorjahr um 75 Prozent. Bei gewerblichen Immobilien wurde jedoch ein Rückgang um 4 Prozent verzeichnet. Eine Ausnahme waren Investitionen in Büroflächen mit einem Wachstum von 40 Prozent.

Ausgewählte Strukturdaten zur Bauwirtschaft in Russland (Veränderung in Prozent)

Kennziffer

2019 1)

2020

Veränderung 2020/19

Wert der Bauinvestitionen (in Mrd. Euro ) 2)

126,7

114,8

0,1 3)

gebaute Wohnfläche (in Mio. qm)

82,0

80,6

-1,8

  öffentlich

45,2

41,9

-7,3

  privat

36,8

38,7

5,2

zur Verfügung gestellte Wohnungen (in 1.000 Einheiten)

1.103

1.104

0,1

Bestand an Wohnfläche (in Mio. qm)

3.857

k.A.

k.A.

Fertigstellungen (Anzahl der Gebäude)

271.671

298.210

9,8

gebaute Gewerbefläche (in Mio. qm)

32,6

30,8

-5,5

1) Ab 2019 berücksichtigt Rosstat auch die gebauten Wohnungen auf den Datscha-Grundstücken, 2) umgerechnet zu den jeweiligen Jahresdurchschnittskursen der EZB, 3) Veränderung auf Rubel-BasisQuelle: Föderaler Statistikdienst Rosstat

Lokale Konzerne dominieren Baubranche

Russlands Baustellen sind fest in der Hand einheimischer Firmen. Ausländische Unternehmen fungieren meist als Planer und Entwickler oder produzieren Baustoffe. Als Generalunternehmer treten neben russischen auch türkische Unternehmen auf, die preislich konkurrenzfähig sind. Mit Hochtief zog sich der bis dato größte deutsche Baukonzern Ende 2017 nach einem Rechtsstreit aus Russland zurück.

TOP-10 der russischen Projektentwickler im Massensegment (Umsatz in Milliarden Euro)

Unternehmen/Zentrale

Umsatz 2019

Umsatz 1. Halbjahr 2020

GK PIK/Moskau

3,2

1,4

GK FSK/Moskau

1,6

0,3

Setl Group/Sankt-Petersburg

1,4

0,6

GK Granelle/Moskau

1,3

0,2

LSR Group/Sankt-Petersburg

1,1

0,5

Etalon Group/Sankt-Petersburg

1,0

0,4

GK Ingrad/Moskau

0,8

0,4

GK Samoljot/Moskau

0,7

0,3

RG Development/Moskau

0,5

0,2

A101/Moskau

0,5

0,1

Quelle: Forbes

TOP-5 der russischen Projektentwickler im Businesssegment (Umsatz in Milliarden Euro)

Unternehmen/Zentrale

Umsatz 2019

Umsatz 1. Halbjahr 2020

Donstroj/Moskau

1,3

0,4

MR Group/Moskau

0,8

0,3

GK Pioner/Moskau

0,6

0,2

Krost/Moskau

0,3

0,1

Taschir/Moskau

0,2

0,1

Quelle: Forbes

TOP-5 der russischen Projektentwickler im Premiumsegment (Umsatz in Milliarden Euro)

Unternehmen/Zentrale

Umsatz 2019

Umsatz 1. Halbjahr 2020

Capital Group/Moskau

1,0

0,3

Inteco/Moskau

0,5

0,1

GK Gals/Moskau

0,3

0,1

Vesper/Moskau

0,2

0,2

AB Development/Moskau

0,1

0,1

Quelle: Forbes

Einheimische Konzerne werden bei staatlichen Ausschreibungen bevorzugt

Die Regierung gründete im Dezember 2020 eine zentrale Vergabestelle für Bauaufträge bei öffentlich finanzierten Vorhaben. Die Regierung erhofft sich vom einheitlichen staatlichen Auftraggeber eine Steigerung der Qualität, eine effektivere Kontrolle der Ausgaben sowie zügigere Umsetzung der Projekte. Für Bauunternehmen beinhaltet die Gründung der staatlichen Vergabestelle faktisch ein Vergabemonopol für Aufträge bei staatlichen Bauvorhaben.

Der für Baupolitik zuständige stellvertretende Ministerpräsident Marat Chusnullin kündigte an, auch für den Infrastrukturbau einen staatlichen Monopolisten gründen zu wollen - voraussichtlich mit Awtodor als Träger. Die staatliche Autobahngesellschaft vergab im September 2020 lukrative Staatsaufträge im Wert von mehr als 5 Milliarden Euro zum Bau von Abschnitten der Mautautobahn M-12 von Moskau nach Kasan ohne Vorlage eines Konkurrenzangebots, darunter an Unternehmen kremlnaher Oligarchen wie Strojtransgas (gehört zur Volga-Unternehmensgruppe von Gennadi Timtschenko) oder Transstrojmechanisazia (gehört zu Nazproektstroj von Arkadi Rotenberg).

Der Föderale Antimonopoldienst beklagt, dass er nur etwa 3 Prozent der bestehenden Kartelle aufdecken könne. Die Marktabsprachen schädigen demnach besonders die Bauindustrie (28 Prozent der Kartelle). Der Gesamtschaden beläuft sich auf etwa 2 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts.

Staat greift Baukonzernen gezielt unter die Arme

Während der Pandemie erstellte das Bauministerium eine Liste von 76 systemrelevanten Bauunternehmen, die besondere staatliche Unterstützung erhalten, darunter zinsgünstige Kredite zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs. Um die Gelder in Anspruch nehmen zu können, müssen sich Bauunternehmen verpflichten, Bauobjekte fristgerecht fertigzustellen. Zudem müssen die Firmen mindestens 90 Prozent ihrer Arbeitnehmer weiter beschäftigen.

Ausgewählte systemrelevante Bauunternehmen in Russland

Unternehmen

Region

A101

Moskau

Granelle

Gebiet Moskau

Ingrad

Moskau

Inteco

Moskau

Kortros

Moskau

LSR Group

Sankt Petersburg

MR Group

Moskau

Gruppa PIK

Moskau

Renaissance Construction

Sankt Petersburg

Samoljot

Moskau

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Die Viruspandemie bremst die Konsolidierung des Marktes. Im Jahr 2020 meldeten 162 Baufirmen Insolvenz an, 12 Prozent weniger als im Vorjahr, meldet die Rating-Agentur des Bauwesens (RASK). Verantwortlich dafür waren die staatlichen Investitionen in die Bauwirtschaft sowie Steuerstundungen und Insolvenzmoratorien.

Wegen des akuten Mangels an Arbeitskräften geht die Russische Eisenbahn (RZD) beim Ausbau der Bakal-Amur-Magistrale (BAM) und der Tanssibirischen Eisenbahn (Transsib) ungewöhnliche Wege und setzt auf die Hilfe der Streitkräfte. Soldaten der Eisenbahntruppen bauen für 33,3 Millionen Euro den 330 Kilometer langen Abschnitt von Ulak nach Fewralsk. Die Maßnahme zeigt besonders, welche Bedeutung der Staat als Marktakteur einnimmt.

Chinesische Baufirma erhält Zuschlag für Großprojekt

Bauunternehmen aus China drängen auf den Markt. Im Oktober 2020 erhielt der chinesische Staatskonzern China Railway Construction Corporation (CRCCI) den Zuschlag für den Bau eines rund 100 Kilometer langen und 640 Millionen Euro teuren Abschnitts der Mautautobahn von Moskau nach Kasan. Damit akquirierte erstmals eine chinesische Firma einen Auftrag zur Umsetzung eines Schlüsselprojekts im russischen Autobahnbau. Der Abschluss ist ein weiterer Mosaikstein in der strategischen Zusammenarbeit zwischen Russland und China und dürfte den Weg für weitere Verträge mit chinesischen Unternehmen ebnen.

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