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Die polnische Bahn verbessert ihr Angebot
Der Investitionsbedarf der Bahn ist weiter hoch. Strecken sind zu modernisieren, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Mehr Komfort soll Passagiere anlocken, der Güterverkehr steigen.
20.04.2021
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Die polnische Staatsbahn PKP will 2021 rund 3,8 Milliarden Euro in ihre Infrastruktur investieren. Bis zum Jahresende 2021 soll die für das Schienennetz zuständige Bahntochter PKP Polskie Linie Kolejowe (PKP PLK) mindestens 60 Ausschreibungen für Neubaustrecken und Streckenerneuerungen bekannt geben. Die Kosten werden durch die Europäische Union (EU) in starkem Maße mitfinanziert. Die Mittel sollen sowohl aus dem noch laufenden Landesbahnprogramm (Krajowy Program Kolejowy; KPK), als auch aus dem neuen längerfristigen EU-Haushalt 2021 bis 2027 kommen.
Bestandteile der Pläne im Rahmen des KPK sind unter anderem die Modernisierung des Abschnitts der Rail Baltica von Białystok nach Ełk, der Umbau der masurisch-pommerschen Trasse Giżycko – Kętrzyn – Kościerzyna – Kartuzy, eine Umgehungsstrecke um die Stadt Poznań (Posen) und Streckenmodernisierungen in Oberschlesien. Außerdem sind einige Hundert Ausschreibungen im Gesamtwert von 143 Millionen Euro für Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten an Gleisen landesweit vorgesehen.
In der Schublade liegen darüber hinaus fertige Pläne für die nächste Finanzierungsperiode, wenn die neuen Mittel aus dem EU-Haushalt 2021 bis 2027 zur Verfügung stehen werden. PKP PLK bereitet laut ihrem Vorsitzenden Ireneusz Merchel rund 40 Ausschreibungen für die kommenden Jahre vor, die Aufträge im Gesamtwert von mehreren Milliarden Euro beinhalten.
Komfortablere internationale Verbindungen
Nachdem bislang vor allem die Fahrzeiten der Personenzüge zwischen wichtigen polnischen Metropolen verkürzt wurden, geraten nun schnellere und direkte internationale Verbindungen stärker in den Fokus. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund der Bestrebungen, Schnell- und Nachtzug-Angebote als Trans-Europ-Express (TEE) wiederzubeleben.
Priorität hat dabei unter anderem die Strecke Warschau – Berlin – Brüssel. Die Fernverkehrssparte PKP InterCity will hier mit ausländischen Bahnunternehmen und relevanten EU-Institutionen kooperieren. Das polnische Ministerium für Infrastruktur setzt bei internationalen Strecken besonders auf Nachtzüge. Anfang 2021 unterzeichnete das Ministerium mit PKP InterCity einen Rahmenvertrag im Wert von 4,6 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2030, um das Reisen per Bahn attraktiver zu machen. Ab 2023 soll eine Geschwindigkeit von bis zu 250 Kilometern pro Stunde auf Polens Gleisen möglich sein.
Die eingesetzten Waggons bieten einen immer besseren Komfort. Noch Ende 2020 hatte PKP InterCity Verträge zur Modernisierung von weiteren 125 Personenzugwagen für insgesamt 119 Millionen Euro unterzeichnet. Das gesamte laufende Investitionsprogramm von PKP InterCity hat einen Wert von über 1,5 Milliarden Euro. Künftig sollen 80 Prozent der eingesetzten Waggons neu oder modernisiert sein.
Noch aber leidet PKP InterCity unter der Coronakrise, in den ersten zehn Monaten 2020 beförderte sie 42 Prozent weniger Passagiere als von Januar bis Oktober 2019. Regionalen Bahngesellschaften erging es nicht besser. Das Amt für Bahntransport (Urząd Transportu Kolejowego; UTK), schätzt, dass 2020 nur 208 Millionen Passagiere befördert wurden nach 335 Millionen 2019. Nach der Pandemie wird es darum gehen, diese Kunden zurückzugewinnen und die Bahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel zu profilieren.
Containertransport im Fokus
Die Gütersparte PKP Cargo beförderte 2020 rund 94 Millionen Tonnen Güter, ein Minus von 13,8 Prozent gegenüber 2019. Das hauptsächlich auf Massengüter spezialisierte polnische Frachtunternehmen verliert Marktanteile an Konkurrenten. Im Februar 2021 lag der Anteil von PKP Cargo an der insgesamt transportierten Gütermenge laut UTK bei knapp 36 Prozent.
Im Kommen ist der Containerverkehr. Polens Ostseehäfen gehen davon aus, dass künftig mindestens 40 Prozent der dort umgeschlagenen Container per Bahn transportiert werden. So nähern sich die Arbeiten an der Verlängerung der Gleise im Hafen von Gdańsk (Danzig) zum dortigen Deepwater Container Terminal (DCT) dem Ende zu. Die Gleisanbindungen der Häfen Gdańsk und Gdynia (Gdingen) werden ausgebaut und modernisiert.
In der Umgebung der Häfen von Szczecin (Stettin) und Świnoujście (Swinemünde) realisiert PKP PLK Projekte im Wert von 331 Millionen Euro. Die EU kofinanziert diese im Rahmen der Connecting Europe Facility (CEF). Künftig sollen bis zu 750 Meter lange Güterzüge dort verkehren. Für eine moderne Bahnlinie entlang der Oder von Świnoujście über Szczecin nach Wrocław (Breslau) werden derzeit erste Dokumentationen und eine Machbarkeitsstudie erstellt.
Umweltschutz kann Arbeiten behindern
Bislang erwiesen sich Bedenken von Umweltschützern in Polen selten als Hinderungsgrund für laufende und künftige Bahnprojekte. Ein polnisches Sondergesetz (Specustawa) verhindert, dass Umweltschützer die Durchführung von Verkehrsinfrastrukturprojekten stoppen können. Die EU, die Polens Bahnprojekte zu 85 Prozent kofinanziert, kritisiert dieses Gesetz zunehmend. Künftig könnten daher Umweltbelange einen stärkeren Einfluss auf die Vorhaben haben oder sie gar verhindern.
Kontaktadressen
- PKP Polskie Linie Kolejowe S.A., Staatliche Bahninfrastrukturgesellschaft
- Urząd Transportu Kolejowego, Amt für Bahntransport