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Einzelhandel wirbt mit Innovationen um neue Kunden

Russische Handelskonzerne sind sehr innovationsfreudig. Mit digitalen Technologien wollen die Ketten ihre Wettbewerbsposition festigen und die Kauflust der Verbraucher wecken.

Von Gerit Schulze | Moskau

Im russischen Einzelhandel nimmt der Wettbewerbsdruck aufgrund von Fusionen und Übernahmen zu. Zugleich trübt die schwache Einkommensentwicklung die Konsumfreude der Verbraucher. Die Handelskonzerne versuchen daher, mit weiteren Innovationen die Kunden zu halten und neue Käuferschichten zu erschließen. Dabei helfen auch Start-ups, deren Technologien eingekauft oder mit Risikokapital gefördert werden.

Russisches Risikokapital für Start-ups in aller Welt

Bereits Anfang 2020 hatte Marktführer X5 Retail Group zusammen mit Beeline (Mobilfunknetzbetreiber), Hoff (Möbelhändler) und M.Video (Elektronikhändler) die Retail Innovation Tech Alliance (RITA) gegründet. Sie soll weltweit innovative Firmen aufspüren und deren Produkte im Einzelhandel zur Anwendung bringen. Zu den Einsatzgebieten zählen Kundenpflege (Customer-Relationship-Management, CRM), Onlinehandel und Lieferlogistik, Desinfektion und kontaktlose Kundenbetreuung sowie Marketing. Erste Dealflow Sessions zur Unterbreitung von Investitionsvorschlägen organisierte RITA bereits in Russland, in den USA, in Israel und in Westeuropa.

Der zweitgrößte Handelskonzern Magnit startete zusammen mit dem Skolkovo Fonds einen Start-up-Accelerator für neue Technologien im Einzelhandel. MGNTech fördert unter anderem Ideen im Bereich Fintech, Datenanalyse, autonomes Fahren und automatisierte Aufzucht von Gemüse. Magnit will Aussagen seiner Geschäftsführung zufolge damit neue Lösungen zur Optimierung der Geschäftsprozesse finden und in den Jahren 2021 und 2022 Einsparpotenziale von über 10 Millionen Euro ausschöpfen.

Digitale Technologien auf dem Vormarsch

In den letzten Wochen hatten Russlands Supermarktketten eine Reihe von Neuerungen angekündigt. Hier eine Übersicht von Innovationen und Trends im Einzelhandel:

Zahlung per Gesichtserkennung

Die X5-Gruppe nutzt in einigen Supermärkten erstmals Systeme zur biometrischen Gesichtserkennung für die Bezahlung der Waren. Sie arbeitet dabei mit dem Bankhaus Sber und der Kreditkartenfirma Visa zusammen. Sber-Kunden werden an Selbstbedienungsterminals in Pjaterotschka- und Perekrestok-Läden per künstlicher Intelligenz automatisch erkannt und zahlen per Blickkontakt mit der Kamera. Bis Jahresende 2021 sollen 3.000 Filialen mit der Technik ausgestattet sein.

Smarte Frische-Sensoren

Zusammen mit dem israelischen Start-up Evigence Sensors führt die X5-Gruppe in Perekrestok-Supermärkten sogenannte Green Dot Labels für Fertiggerichte ein. Smarte Sensoren auf den Verpackungen zeigen die Temperatur der Lebensmittel an und informieren Kunden und Mitarbeiter in Echtzeit über die Frische der Artikel sowie die verbleibende Haltbarkeitsdauer.

Lieferung in 20 Minuten

Immer mehr russische Onlinehändler bieten in den Großstädten Expresslieferungen an. Der Non-Food-Discounter FixPrice kooperiert mit Sbermarket und wirbt mit Zustellzeiten zwischen 20 und 60 Minuten. Lieferungen innerhalb einer Stunde hatte zuvor schon Ozon in Moskau angeboten. Seit Juni ist der Service auch in einigen Stadtbezirken von Sankt Petersburg verfügbar. 

Mobile Läden

Die deutsche Warenhauskette Globus testet in Wladimir mobile Verkaufswagen, um etwa 50 Frischeprodukte aus eigener Produktion auch in die Regionen zu bringen, die bislang keine Filiale haben. Damit soll eine größere Kundennähe erreicht werden.

Kleinere Flächen

Der französische Handelskonzern Auchan will seine Hypermärkte in Russland verkleinern. Die durchschnittlich 11.500 Quadratmeter großen Warenhäuser sollen teilweise an andere Händler untervermietet werden. Außerdem sollen Flächen für die Bearbeitung von Onlinebestellungen genutzt werden. Damit reagiert das Unternehmen auf die gesunkenen Besucherzahlen und logistische Probleme beim Frischesortiment, berichtete die Zeitung Vedomosti.

Snacks aus dem Verkaufsautomaten

Der Online-Lebensmittelhändler Utkonos will in Bürozentren Verkaufsautomaten aufstellen und dort Fertiggerichte verkaufen. Das zur Severgroup gehörende Unternehmen arbeitet dabei mit dem Moskauer Technologielieferanten Briskly zusammen.

Micromarkets

Die beiden Lebensmittelhändler Wkuswill und Asbuka Wkusa haben erste Minifilialen eingerichtet. Sie bestehen oft nur aus Verkaufsautomaten, die in Business-Zentren oder gut besuchten öffentlichen Einrichtungen aufgestellt werden. Auch andere Konzerne wie X5 oder Magnit prüfen solche Verkaufskanäle.

Boom der Dark Stores

Der rasant wachsende Internethandel führt zu einem Boom bei sogenannten Dark Stores. Das sind kleinere Distributionszentren, in denen die Onlineaufträge zusammengestellt und für die Auslieferung vorbereitet werden. Im 1. Quartal 2021 gab es russlandweit bereits rund 900 solcher Mini-Warenlager. Bis Ende des Jahres erwarten Experten einen Anstieg auf über 1.000. Die meisten Dark Stores betreiben die Onlinehändler Samokat und Yandex.Lawka.

Neue Einkaufszentren entstehen

Neben den Investitionen in Technologien boomt auch der Bau neuer Einkaufszentren in Russland. Immobilienvermarktern zufolge sind derzeit 1 Million Quadratmeter in Bau. Damit entfällt mehr als ein Viertel des europäischen Bauvolumens für neue Shopping-Center auf Russland, hat das Unternehmen Cushman & Wakefield berechnet. Eine ähnliche Dynamik ist sonst nur in der Türkei zu verzeichnen.

Experten begründen die rege Bautätigkeit mit dem großen Nachholbedarf. Während in Europas modernen Einkaufszentren durchschnittlich 312 Quadratmeter Verkaufsfläche auf 1.000 Einwohner entfallen, liegt dieser Wert nach Aussage verschiedener Immobilienvermittler in Russland erst bei 150 bis 200 Quadratmetern. Vor allem in kleineren Städten mit unter 500.000 Einwohnern ist der Bedarf enorm. Dennoch entfallen etwa 40 Prozent des aktuellen Bauvolumens auf Moskau und Sankt Petersburg.

Besonders aktiv ist zurzeit der Projektentwickler Samoljot im Großraum Moskau. Er plant in seinen neuen Wohnvierteln in einer ersten Phase fünf neue Einkaufszentren mit einer Gesamtfläche von 55.000 Quadratmetern.

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