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Entwicklungen im Gesundheitswesen

Tschechiens Gesundheitsmarkt ist nach dem polnischen der größte in Mittel- und Osteuropa. Die Ausgaben für Medizintechnik und Arzneimittel nehmen zu.

Von Miriam Neubert | Prag

Die Pandemie lenkte im Herbst 2021 in Tschechien erneut alle Augen auf den Gesundheitssektor, da sich die Deltawelle hochschraubte und die Krankenhausbelegung rapide anstieg. Obwohl im vergangenen Jahrzehnt Klinikbetten abgebaut wurden, liegt deren Zahl mit laut Eurostat 6,6 pro 1.000 Einwohner über dem EU-Schnitt und doppelt so hoch wie etwa in Spanien oder Italien. Das kam dem System schon während der Betawelle zugute, als die Kapazitäten schwer unter Druck kamen. Verlass ist auch auf die Qualität des Personals. Schon länger aber mangelt es an Pflegepersonal, was unter Corona zu extremen Belastungen führte. Hinzu kommen langfristige Herausforderungen wie die wachsende Zahl alter und pflegebedürftiger Menschen, immer mehr chronische Erkrankungen und ausufernde Kosten.

Viel zusätzliches Geld für Medizintechnik

Während sich das personelle Problem trotz Lohnanpassungen und Corona-Boni nicht über Nacht lösen lässt, ist das bei technischen Defiziten einfacher. Im Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen rüsten die Krankenhäuser ihre Not-, Intensiv- und Infektiologie-Abteilungen auf. Möglich machen das circa 800 Millionen Euro aus dem europäischen Antikrisenprogramm REACT-EU, die im September 2021 in das Gesundheitssystem zu fließen begannen. Hinzu kommt 2022 bis 2027 circa eine weitere Milliarde Euro aus den europäischen Aufbau- und Strukturfonds.

Technischer Erneuerungsbedarf ist vorhanden, da im Schnitt fast 42 Prozent der medizinischen Geräte nach Angaben des Amts für Gesundheitsinformationen älter sind als acht Jahre. In einzelnen Segmenten wie Hyperbar-Kammern, Zahnröntgengeräten, Gammakameras, Radionuklid-Erhitzern, Operations- und Therapielasern ist es sogar mehr als die Hälfte. Eine Finanzspritze der Regierung hat eine Reihe von staatlichen Krankenhäusern entschuldet. Kompensationszahlungen glichen die durch den Ausfall des normalen Betriebs in der Pandemie bedrohten Finanzen der Kliniken aus.

Das alles gibt dem Medizintechnikmarkt Auftrieb, der sich laut Fitch Solutions 2020 auf umgerechnet circa 1,4 Milliarden Euro belief. Der Bedarf wird zum großen Teil importiert. Wichtigstes Lieferland ist Deutschland.

Weichen für umfassende Digitalisierung gestellt

Auch die sehr fragmentierte digitale Gesundheitsinfrastruktur steht vor Investitionen. Ein Meilenstein auf dem Weg zu Vereinheitlichung und Kompatibilisierung ist das im August verabschiedete Gesetz über E-Health. Es tritt am 1. Januar 2022 in Kraft, setzt den Rahmen für die Infrastruktur, definiert Verantwortlichkeiten, legt die Rechte zur Teilung der Gesundheitsdokumentation fest. Den Kern werden drei Stammregister bilden (Dienstleistungsanbieter, Gesundheitspersonal, Patienten). Das Gesetz war ein Muss, um ab 2022 europäische Aufbaumittel für die E-Health-Infrastruktur freisetzen zu können.

Damit einher gehen auch Investitionen in Cybersicherheit. In der Pandemie haben Hacker einigen Krankenhäusern hart zugesetzt. Das rief die Initiative Hospital Security Operation Center ins Leben, eine Plattform der sich schon 42 Gesundheitseinrichtungen angeschlossen haben. Sie wollen eine sichere Kommunikationsinfrastruktur untereinander schaffen, für ein Sicherheitsmonitoring sorgen und eine Task Force aufbauen.

Die Vorteile bereits digitalisierter Abläufe haben viele Menschen unter Corona schätzen gelernt. Seit 2018 ist die elektronische Ausstellung von Rezepten und Überweisungen gängige Praxis. Bei Krankschreibungen startete sie passgenau Anfang 2020 und fand sofort massive Anwendung. Die Verschreibungsakte des Patienten ist seit Mitte 2020 für Apotheken, Ärzte und Patienten abrufbar. Sie wird von der Mehrheit der Ärzte wenigstens zuweilen genutzt und hilft in Apotheken, Kompatibilitäten von Medikamenten zu überprüfen.

Tschechiens dynamischer IT-Sektor hat mit Ausbruch der Pandemie zu digitalen Lösungen beigetragen – ob bei der Verfolgung von Infektionsketten durch Apps oder dem elektronischen Nachweis von Tests und Impfungen. Das durch Corona geschärfte Gesundheitsbewusstsein steigert das Interesse an digitalen Produkten, Wearables und telemedizinischen Angeboten. Solche Produkte und Dienste werden noch nicht verschrieben.

Stark wachsende Arzneimittelausgaben

Hingegen hat die Verschreibung von Arzneimitteln unter Corona zugelegt. Nach Angaben der Analysegesellschaft IQVIA nahmen sie von Juli 2020 bis Juni 2021 um ein Zehntel auf umgerechnet 75 Milliarden Tschechische Kronen zu, umgerechnet circa 2,8 Milliarden Euro. Als wichtigster Treiber etablieren sich innovative Medikamente. Beim Absatz freiverkäuflicher Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel war es ein Zuwachs um 5 Prozent auf umgerechnet 1,2 Milliarden Euro.

Die Pharmaindustrie ist eine eher kleine, aber äußerst dynamische Branche, deren Umsätze 2019 um 16 Prozent auf umgerechnet über 1,5 Milliarden Euro anzogen und auch 2020 Zuwächse verzeichnete. Der Großteil der Arzneimittelproduktion wird exportiert. Den heimischen Bedarf decken in hohem Maße Importe.

Corona hat Pharma- und Biotechnologieunternehmen aufgemischt. Im Mai 2020 übernahm das US-Unternehmen Novavax eine Impfstoff-Anlage östlich von Prag, in der sie ihren Covid-19-Impfstoffkandidaten NVX-CoV2373 produzieren will. Die hohe Nachfrage nach Coronatests hält Labore und Biotechnologiefirmen in Atem. Tschechiens Krankenversicherungen haben seit Ausbruch des Virus fast 620 Millionen Euro für PCR- und Antigentests bezahlt.

Für Hersteller von Schutzkleidung hat sich die Lage nicht optimal entwickelt. Angesichts der anfänglich erschreckend defizitären Versorgung hatte der Staat neue Produktionskapazitäten mit Programmen unterstützt. Dadurch gibt es hinreichend Kapazitäten für FFP2-Masken, oft mit dem innovativen Einsatz von Nanomaterialien, die eine Stärke tschechischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind. Doch werden inzwischen wieder verstärkt günstigere asiatische Produkte eingekauft.

Eckdaten Gesundheitsmarkt

Indikator

Wert

Einwohnerzahl (2020 in Mio.)

10,7

Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.)

0,03

Altersstruktur der Bevölkerung (2020)

  Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

16,1

 Anteil der über 65-Jährigen ( in %)

20,2

Durchschnittseinkommen (2020 in Euro)

1.349

Gesundheitsausgaben *)

 pro Kopf (2019 in Euro)

1.744

 öffentlich (2019, Mrd. Euro)

15,4

 privat (2019, Mrd. Euro)

3,2

Anteil der Gesundheitsausgaben 

 am BIP (2019 in %, öffentl. und privat) *)

8,3

 Medikamente (2019 in %)

19,6

Anzahl Krankenhäuser (2020), davon

263

 öffentlich (in %)

62,4

 privat (in %)

37,6

Ärzte/1000 Einwohner (2019)

4,1

Krankenhausbetten/1000 Einwohner (2019)

6,6

*) Zahlen der Gesundheitsrechnung des Statistikamts in laufenden Preisen; in der Methodologie der OECD 7,8 Prozent am BIPQuelle: OECD; Tschechisches Statistikamt; Wechselkurs Tschechische Nationalbank

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