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Entwicklungen im Gesundheitswesen

Die Krise hat Schwächen des grundsätzlich sehr guten französischen Gesundheitssystems aufgedeckt. Die Regierung will reformieren und modernisieren. 

Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris

Mit einer starken Pharmaindustrie und einer umfassenden öffentlichen Gesundheitsversorgung spielt der Gesundheitssektor in Frankreich eine wichtige Rolle. Die Gesundheitsfürsorge bildet das Herzstück des Sozialsystems des Landes und gilt als wichtige soziale Errungenschaft, die bewahrt werden muss.

Die Coronakrise und die Belastungen des Winters 2022/23 sowie eine Verrentungswelle bei niedergelassenen Ärzten aber haben das französische Gesundheitssystem geschwächt. Die Krankenhäuser stehen am Rand der Belastbarkeit und leiden unter steigendem Personalmangel. Niedergelassene Ärzte protestieren für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und eine höhere Vergütung. Gerade in ländlichen Gebieten haben Patienten zunehmend Schwierigkeiten, zeit- und ortsnah einen Behandlungstermin bei Fach-, aber auch Allgemeinärzten zu bekommen. Auch in städtischen Regionen beschreiben immer mehr Patienten den Zugang zu medizinischen Leistungen als schwierig. Engpässe bei Standardmedikamenten wie Breitbandantibiotika oder Paracetamol, aber auch Spezialmedikamenten wie Immunsuppressoren beunruhigen Mediziner und Bevölkerung. 

Während der Coronapandemie ist die Regierung Krankenhäusern, Pflegepersonal und Ärzten durch das Investitionsprogramm Ségur zu Hilfe gekommen. Die Regierung versucht zudem, mit Einzelmaßnahmen Abhilfe bei den dringendsten Problemen zu schaffen. Im Januar 2023 hat Präsident Macron ein umfassendes Reformprojekt angekündigt, das innerhalb der kommenden zehn Jahre das Gesundheitssystem stabilisieren und zukunftsfähig machen soll. 

Medizintechnikindustrie erholt sich wieder

Die öffentlichen Krankenhäuser erwiesen sich in der Pandemie als sehr anpassungsfähig, litten aber teils unter finanziellen Einbußen. Um die öffentlichen und privaten gemeinnützigen Krankenhäuser für Ausfälle und Covid-19-Interventionen zu entschädigen, hat der Staat sowohl 2020 als auch 2021 die Einnahmen des Jahres 2019 garantiert. Auch niedergelassene Ärzte haben in beiden Krisenjahren Kompensationszahlungen erhalten. Ebenso wurden die Umsatzeinbrüche bei Apotheken 2020 und 2021 zu großen Teilen vom Staat aufgefangen.

Die Aufschiebung von planbaren Behandlungen in der Krise hatte auch Auswirkungen auf die Anbieter von Medizintechnik. In Teilbereichen war die Nachfrage teils stark zurückgegangen. Im Jahr 2022 aber hat sich die Situation wieder weitestgehend normalisiert.

Der Staat plant im Rahmen seines Innovationsprogramms France 2030, Frankreich als globales Zentrum für Gesundheitswesen zu etablieren. France 2030 stellt 400 Millionen Euro vor allem für die Entwicklung von Produkten aus den Bereichen chirurgischer Robotik, Implantate und Prothesen sowie Digitalisierung medizintechnischer Produkte zur Verfügung. 

Lohnsteigerungen und Telemedizin sollen die Versorgung verbessern

Die Pandemie und die Mängel im Gesundheitssystem, die sie aufgedeckt hat, haben 2020 und 2021 eine Reihe von staatlichen Hilfs- und Reformprogrammen angestoßen. In der Covid-Krise brachte die Regierung mit dem Ségur de la santé im Juli 2020 ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg. Es umfasst Lohnsteigerungen, um Gesundheitsberufe attraktiver zu machen und 19 Milliarden Euro für die Übernahme von Schulden der Krankenhäuser und für neue Investitionen etwa auch in die Digitalisierung. 

Die Telemedizin hatte auch in Frankreich durch Covid-19 einen starken Zulauf. Die Zahl der von der Sozialversicherung rückerstatteten Videosprechstunden ist von 140.000 im Jahr 2019 auf 13,5 Millionen 2020 angestiegen. Im Jahr 2021 gingen sie zwar auf 9,4 Millionen zurück, machen aber immer noch 3,7 Prozent aller erstattungsfähigen Sprechstunden aus. Nach Abflauen der akuten Gesundheitskrise hat die Regierung die Rückerstattungsfähigkeit von Telekonsultationen seit dem 1. Oktober 2022 eingeschränkt. Statt 100 Prozent der Gebühren werden lediglich 70 Prozent durch die allgemeine Krankenversicherung übernommen.

Die Teleüberwachung kann seit 2022 vorläufig von der Sozialversicherung übernommen werden. Im Juli 2023 soll ein Gesetz in Kraft treten, das die Kostenübernahme telemedizinischer Überwachung dauerhaft regelt. Darüber hinaus fördert der Staat massiv die Ausweitung von Digital Health-Lösungen für Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime. Mit ihrer Digital Health-Offensive hofft die Regierung, gerade unterversorgte Gebiete besser medizinisch abdecken zu können. Allerdings ist der Zulauf auf dem Land zu Teledienstleistungen bislang niedriger als in städtischen Gebieten. 

Fördermittel und schnellere Zulassung

Die erfolglosen Bemühungen der Pharmahersteller in Frankreich, im Inland kurzfristig Impfstoffe zu entwickeln, waren in Politik und Öffentlichkeit als Anzeichen für einen Rückstand in der Forschung und insbesondere in der medizinischen Biotechnologie gewertet worden. Erst Ende 2022 konnte Sanofi in Kooperation mit GSK einen eigenen Impfstoff auf den Markt bringen. Zwar stellen einige Unternehmen in Frankreich als Auftragnehmer Impfstoffe anderer Hersteller her, aber insgesamt wurde dem Sektor ein Niedergang bescheinigt. Nach dem Willen der Regierung soll Frankreich vor allem den Rückstand in der Biotechnologie bis 2030 aufholen. Dafür gibt es Fördermittel für Forschung aber auch für Relokalisierungs-, Modernisierungs- oder simple Ausbauprojekte. Im Rahmen des Förderprogramms France 2030 hat die Regierung eine Milliarde Euro für die Entwicklung von 30 Biomedikamenten bereitgestellt. 

Die Regierung will die Relokalisierung der Produktion von Medikamenten fördern, die sich als besonders sensibel gegenüber Störungen der Lieferketten erwiesen haben. Vereinzelt kommt es zur Ansiedlung oder Ausweitung pharmazeutischer Produktion.

Der Verband für Medizintechnik aber fordert dringend eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Insbesondere wird eine Verkürzung der weit überdurchschnittlichen Dauer des Zeitraums zwischen Zulassung und Erstattungsfähigkeit gefordert. Die Zulassung von Medikamenten für innovative Präparate ist allerdings beschleunigt worden.

Eckdaten Gesundheitsmarkt

Indikator

Wert

Einwohnerzahl (1.1.2022 in Mio.)

67,8

Bevölkerungswachstum (2021 in % p.a.)

0,3

Altersstruktur der Bevölkerung (1.1.2022)

 Anteil der unter 15-Jährigen (in %)

17,4

 Anteil der über 65-Jährigen (in %)

21,0

Durchschnittseinkommen (2019 netto in Euro)

22.040

Gesundheitsausgaben (2021, Mrd. Euro)

107,9

 pro Kopf (2021 in Euro)

5.170

Anteil der Gesundheitsausgaben

 am BIP (2021 in %)

12,4

Medizinische Produkte (2020 in %)

13,3

Anzahl Krankenhäuser (2020), davon

2.989

 öffentlich (in %)

45,0

 privat (in %)

55,0

Ärzte/1000 Einwohner (2020)

3,2

Krankenhausbetten/1000 Einwohner (2020)

5,7

Quelle: OECD 2022; Drees 2021; Insee 2021, Fitch Solutions

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