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Georgische Landwirtschaft bietet vielfältige Geschäftschancen
Der Agrarsektor befindet sich in einem Wandel hin zu größeren Produktionseinheiten und einer höheren Wertschöpfung. Nationale und internationale Fördermittel begünstigen den Trend.
04.05.2021
Von Uwe Strohbach | Tiflis
In die Landwirtschaft der Republik Georgien kommt Bewegung. Neue Kooperativen für die Pflanzen- und Tierproduktion bieten der vorherrschenden Subsistenzwirtschaft zunehmend Paroli. Dabei handelt es sich um freiwillige Zusammenschlüsse mehrerer kleinbäuerlicher Agrarproduzenten zu größeren Wirtschaftseinheiten.
Größere Projekte gibt es für die Errichtung von Obst-, Gemüse-, Nuss- und Mandelbaumplantagen. Viele Bauern investieren in Gewächshäuser. Die institutionellen Rahmenbedingungen im Wirtschaftszweig haben sich deutlich verbessert. Dies gilt beispielsweise für die Zertifizierung, Normen und Standards, Qualitätskontrollen und die Unternehmensförderung.
Agrarsektor steht vor großen Herausforderungen
Georgien muss jedoch noch viele Hürden beim Aufbau einer leistungsfähigen und nachhaltigen Agrarproduktion meistern. Die Landwirtschaft beschäftigte 2020 rund zwei Fünftel aller erwerbstätigen Personen, trug aber nur 8 Prozent zur gesamtwirtschaftlichen Produktion bei. Die hohe Beschäftigungsrate weist auf eine geringe Effizienz der agrarischen Erzeugung hin.
SWOT-Analyse Landwirtschaft Georgiens
Strengths | Weaknesses |
Große Pflanzenvielfalt dank acht verschiedener Klima- und Vegetationszonen | Geringe Produktivität durch große Fragmentierung der Agrarflächen *) |
Reiche Wasserressourcen und niedrige Wasserpreise | Mangelhaftes Fachwissen der meisten Bauern |
Hohe Verfügbarkeit von Arbeitskräften und günstige Lohnkosten | Unzureichend entwickelte Infrastruktur (ländliche Entwicklung, Dienstleistungen, Logistik) |
Liberales geschäftliches Umfeld, einfache Zollabwicklung und niedrige Steuern | Begrenzter Zugang zu günstigen Krediten |
Zahlreiche Freihandelsabkommen und guter Zugang zum EU-Markt | Eingeschränkte Möglichkeiten für den Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen durch Ausländer |
Opportunities | Threats |
Potenzielle Ressourcen für die Versorgung von bis zu 10 Millionen Menschen | Investitions- und Modernisierungsstau in den landwirtschaftlichen Kooperativen |
Beachtliches Potenzial für den ökologischen Landbau | Unzureichende Fortschritte bei der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften und Managern |
Wachsende Nachfrage nach Landtechnik, Lebensmitteltechnologien und Logistikkapazitäten | Große Wechselkursschwankungen und Gefahr einer Abwertung der nationalen Währung |
Großer Bedarf an Trainings-, Beratungs- und Ausbildungsprogrammen | Wiederaufflammende Konflikte in den georgisch-russischen Beziehungen (Russland ist Hauptexportland georgischer Ernährungsgüter) |
Gute Chancen für wachsende Exporte der Ernährungswirtschaft in die EU und andere Länder | Ausbleibende Erfolge beim Abbau der Subsistenzwirtschaft |
Zudem liegt bislang ein großes Ausbaupotenzial für die Produktion und den Export brach. Ein großer Teil der Acker- und Weideflächen wird nicht genutzt. Die wirtschaftlichen Kennziffern vieler Kooperativen bleiben noch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Ursachen sind unzureichende Fachkenntnisse der Beschäftigten, eine mangelnde Implementierung moderner Managementmethoden und eine schwache Ausstattung mit leistungsfähiger Landtechnik. Die Verluste beim Transport und der Lagerung von Obst, Gemüse und Wein sind hoch.
Grundlegende Neuordnung der Landregistrierung in Sicht
Nachholbedarf gibt es nicht zuletzt bei der Formalisierung und Sicherung von Verfügungsrechten. Bislang sind nur etwa 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen registriert. Es gibt keine verlässlichen Daten über die Quantität, reale Nutzung und den Zustand der Acker- und Weideflächen. Die Regierung hat die Neuordnung der Landregistrierung auf ihre Reformagenda gesetzt.
Die seit 2020 tätige Agentur für nachhaltige Landbewirtschaftung und Landnutzungsüberwachung (Agency for Sustainable Land Management and Land Use Monitoring) soll Klarheit über die Besitzrechte und verfügbaren Böden schaffen. Formale Besitztitel dürften den Zugang zu Krediten und somit die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessern. Die Agentur erhält bei der Dokumentation und Erfassung von Besitzrechten Unterstützung vom Verwaltungsreformfonds des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP Governance Reform Fund/GRF) und von der französischen Entwicklungsagentur Agence Française de Développement (AFD).
Regierung und internationale Geber unterstützen Neuausrichtung
Neue Reformansätze, nationale und internationale Förderprogramme sowie eine bemerkenswerte Initiative für den Aufbau eines großen Gewächshaus-Clusters sprechen dafür, dass das Land seine Defizite in der Agrarproduktion abbauen will. Auch ausländische Anbieter von Landtechnik, Zulieferer und Beratungsdienstleister profitieren von den Förderinstrumenten und der Clusterinitiative.
Seit 2013 fördert der Staat mit dem Programm „Günstiger Agrarkredit“ jährlich mehrere Tausend Agrarproduzenten mit Zuschüssen für Kredite und Leasingverträge. Die Kofinanzierung summierte sich 2020 auf 21 Millionen US-Dollar (US$) und soll 2021 auf 23 Millionen US$ steigen. Der Etat für Fördermittel und Subventionen in der Landwirtschaft beträgt 2021 rund 130 Millionen US$. Die Gelder sind vorrangig für die Fortsetzung von Programmen in den Sparten Gewächshaus-, Wein- und Teewirtschaft, Tierzucht, Pflanzenschutz, Bodenbewässerung und Landtechnik-Leasing bestimmt.
Europäische Union stellt zusätzliche Fördermittel bereit
Ende 2020 bewilligte die Europäische Union (EU) 55 Millionen Euro für eine zusätzliche vierte Phase des 2013 gestarteten Programms für die Förderung der Landwirtschaft und der Entwicklung ländlicher Regionen ENPARD. Die aktuelle dritte Programmphase von 2018 bis 2022 hat einen Etat von 77,5 Millionen US$.
Die Gelder fließen in Phase 3 und 4 in die Mitfinanzierung öffentlicher Ausgaben für den Agrarsektor, den Aufbau von Wertschöpfungsketten, die Einführung von Sicherheitsstandards und Sanitärnomen in der Lebensmittelproduktion sowie in die Förderung von Agrarexporten in die EU.
Entwicklung der Produktion agrarischer Erzeugnisse in Georgien (in 1.000 Tonnen)
Agrarisches Erzeugnis | 2018 | 2019 | 2020 |
Weizen | 107 | 101 | 101 |
Gerste | 58 | 54 | 46 |
Mais | 194 | 207 | 263 |
Gemüse | 142 | 161 | 180 |
Kartoffeln | 238 | 195 | 216 |
Kernobst | 93 | 53 | 102 |
Steinobst | 54 | 39 | 63 |
Nüsse | 23 | 31 | 41 |
Wein | 261 | 271 | 280 |
Subtropische Früchte | 23 | 20 | 22 |
Fleisch | 73 | 70 | 70 |
Vollmilch (Mio. Liter) | 555 | 562 | 573 |
Eier (Mio. Stück) | 635 | 661 | 645 |
Mit Unterstützung des ENPARD-Programms wurden bisher gut 1.000 landwirtschaftliche Kooperativen gegründet oder erweitert, etwa 2.000 Bauern bei der Realisierung ihrer Projekte finanziell unterstützt und etwa 250.000 Beschäftigte fachlich geschult. Die Schweizerische Regierung kündigte an, den Agrarsektor Georgiebs ab 2022 und bis 2025 jährlich mit 10 Millionen US$ zu fördern. Der Fokus liegt auf Projekten in der Tierzucht, im Ökolandbau und in der Aus- und Weiterbildung.
Hauptansprechpartner für die Förderprogramme sind die Agentur für die Entwicklung der Landwirtschaft und ländlicher Regionen (Agricultural and Rural Development Agency/ARDA), die Nationale Agentur für Lebensmittel (National Food Agency), die Weinagentur und das staatliche Unternehmen für Bewässerungswirtschaft Georgian Amelioration.
Die Bauernvereinigung Georgiens (Georgian Farmers' Association/GFA) mit ihren mehr als 4.000 Mitgliedern versteht sich als Interessenvertreter der georgischen Bauern. Sie unterstützt die Agrarproduzenten auch beim Absatz ihrer Produkte. Die Stiftung Pakka Foundation mit Sitz in Zürich (Schweiz) fördert in Georgien den Aufbau von bio- und fairtrade-zertifizierten Haselnusswertschöpfungsketten.
Projekte in der Land- und Fischereiwirtschaft in Georgien (Auswahl)
Projekt | Investition (Mio. US$) | Stand | Projektträger |
---|---|---|---|
Großprojekt Gewächshauscluster Imereti AgroZone (220 ha), Imeretien | k.A. | Realisierung ab 2021, Einstieg mit neuen Projekten jederzeit möglich | Agentur für ländliche Entwicklung (Agentur des Ministeriums für Umweltschutz und Landwirtschaft) |
Ausbau der Lachsfarm Gurien Fisch, Gurien | 30 | Investitionsprogramm bis 2025 (bisherige Investitionen: 1,5 Mio. US$) | GuriaFish LTD (Kontakt über die Agentur ARDA) |
Errichtung von Gewächshäusern, Herstellung von tiefgefrorenem Obst und Gemüse, Innerkartlien | 10 | Realisierung 2020 bis 2021, später Kapazitätsbausbau geplant | |
Haselnussplantage auf 650 ha (auch Verarbeitung von Nüssen), Kachetien | 10 | Realisierung ab 2021 (2021: Anbau auf 50 ha) | Chocolats Camille Bloch (Schweiz) |
Ausbau von Oliven-Plantagen in mehreren Regionen (Produktion von jährlich bis zu 10.000 Tonnen ab 2025) | k.A. | mehrere Einzelprojekte in der Planung | Georgian Olive und andere Unternehmen, Kontakt auch über die Agentur ARDA) |
Errichtung einer großen Mandelbaumplantage (125 ha), Niederkartlien | k.A. | Realisierung ab 2021 | Marneuli Almond (Kontakt über die Agentur ARDA) |