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Branchen | Aserbaidschan | Wasserwirtschaft

Klimawandel forciert Wasser- und Bewässerungsprojekte

Aserbaidschan wappnet sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels mit einem Aktionspaket für die rationelle Wassernutzung. Es bietet viel Liefer- und Kooperationspotenzial.

Von Uwe Strohbach | Baku

Aserbaidschan muss in den nächsten Jahren gleich zwei große Probleme bei der Wasserversorgung bewältigen: Zum einen besteht erheblicher Nachholbedarf bei der Wasserversorgung. Dringende Aufgabe ist es, Trink- und Brauchwasser sowie Wasser für die landwirtschaftliche Melioration ausreichend und in guter Qualität zur Verfügung zu stellen. Auch in der Abwasserwirtschaft herrscht hoher Investitionsdruck.

Zum anderen ist das Land im Südkaukasus zunehmend gezwungen, Wasser rationeller zu nutzen. Dazu drängen ein sinkendes natürliches Wasserangebot, zunehmende Niederschlagsdefizite und längere Trockenzeiten. Wassermangel und Klimawandel führen zu Ernteausfällen und Verlusten in der Viehhaltung.

Kurs auf ressourcenschonende und klimaadaptierte Wasserwirtschaft

Die Regierung hat ein neues Aktionsprogramm für die Wasser-, Abwasser- und Bewässerungswirtschaft auf den Weg gebracht. Der Druck durch Wirtschaft und Bevölkerung auf die zentralen Entscheider ist größer geworden, die angestauten Defizite wirkungsvoll und beschleunigt anzugehen. Dringend notwendig sind forcierte Investitionen in die wasserwirtschaftliche Infrastruktur.

Seit April 2020 erarbeitet eine Regierungskommission unter Leitung des Vizepremiers Schahin Mustafayev zentrale Brancheninitiativen und koordiniert prioritäre Wasser-, Abwasser- und Bewässerungsprojekte. Ihr gehören Vertreter aus vier Ministerien (Umwelt und natürliche Ressorcen, Wirtschaft, Landwirtschaft und Finanzen), den drei staatlichen Unternehmen für Bewässerung, Trinkwasserversorgung und Stromerzeugung sowie aus der Staatlichen Agentur für Wasserressourcen an. Die Eckpunkte der langfristigen nationalen Strategie für die rationelle Nutzung der Wasserressourcen dürften bis Ende 2021 stehen. 

Ausgewählte Daten der Wasserwirtschaft Aserbaidschans (in Millionen Kubikmeter)

2000

2010

2015

2019

2020

Potenzielles Wasserdargebot

36.693

42.445

30.511

29.000

28.000

  Inländische Ressourcen

9.247

10.640

7.985

k.A.

k.A.

  Zufluss aus dem Ausland (Grenzflüsse)

27.446

31.805

22.526

k.A.

k.A.

Wasserentnahme aus natürlichen Wasserressourcen

11.110

11.566

12.285

13.227

12.961

  pro Einwohner (in cbm)

1.397

1.295

1.289

1.335

1.300

Wasserverbrauch, insgesamt

6.588

7.715

8.567

9.472

9.693

  Bewässerung/Landwirtschaft (inklusive Forstwirtschaft)

3.819

5.497

6.057

7.038

7.252

  Industrie und andere Wirtschaftssektoren (vorwiegend
  Stromwirtschaft) 

2.316

1.742

2.117

2.070

2.073

   Trinkwasser

82

54

46

42

45

      Stadt Baku

k.A.

37

31

18

16

      Regionen Abscheron und Chizi

k.A.

3

5

13

18

   Haushalte (Trink- und  Nutzwasser)

449

405

323

312

319

Menge des recycelten und nachfolgend genutzten Wassers

1.875

1.787

2.441

2.358

2.243 *)

  Anteil am Gesamtwasserverbrauch für industrielle Zwecke (in %)

45

51

54

53

52

Wasserverluste (durch Lecks oder Verdunstung) beim Transport zwischen einem Entnahmeort und einem Nutzungsort

3.053

3.851

3.718

3.755

3.268

Anteil der Verluste an der Wasserentnahme (bereitgestellte Wassermenge; in %)

27,5

33,3

30,3

28,3

25,2

Abwassereinleitung

4.106

6.005

5.575

4.863

4.759

  darunter unbehandeltes Abwasser

171

164

305

218

228

*) fast auschließlich vier Städte Mingetschewir, Baki, Schirwan und SumgaitQuelle: Statistikkomitee Aserbaidschans (nach Angaben der Gesellschaft für Melioration und Wasserwirtschaft)

Die aktuell und künftig geplanten Schritte bündelte die Regierung Mitte 2020 in einem Aktionspaket für die Jahre bis 2022/2023. Im Dezember 2020  erweiterte sie es um Projekte in den von Armenien zurückeroberten Gebieten (Wirtschaftsregionen Karabach und Ost-Sangesur).

Vorgesehen sind Projekte für das Wassermanagement und Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau der Wasser-, Abwasser- und Bewässerungsinfrastruktur. Sie sind zugleich ein Baustein der mittel- und langfristigen Pläne der beiden staatlichen Branchenplayer Azersu (Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung) und MST (Talsperren, Bewässerung und Brunnenbau). 

Mehr Infrastrukturprojekte und besseres Ressourcenmanagement angepeilt

Das Spektrum der Infrastrukturprojekte ist weitgefächert. Es reicht von der Sanierung und dem Neubau von Trinkwassernetzen über die komplexe Abwasserbehandlung einschließlich Abwasserrecycling bis hin zur Modernisierung und zum Bau von Wasserspeichern (Talsperren) und Bewässerungsnetzen. Es umfasst auch die Beschaffung und Installation von wassersparenden Technologien für die Modernisierung der Kühlsysteme in den Wärmekraftwerken. Angedacht sind auch Pilotprojekte zum Sammeln und Nutzen von Niederschlagswasser für die Bewässerung und als Brauch- und Trinkwasser.

Ausschreibungen für die Beschaffung von Ausrüstungen und den Neubau von Wasserobjekten einschließlich Wasserleitungen- und Bewässerungsnetze veröffentlichen die staatlichen Unternehmen für Bewässerung und Trinkwasserversorgung auf einem Portal.

Zu den Vorhaben im Sektor Wassermanagement zählen:

  • eine Neubewertung der Wasserressourcen,
  • die Einführung eines elektronischen Wassermanagement-Informations- und Kontrollsystems und dessen Integration in die Online-Portale für den Agrarsektor (EAIS) und für bürgernahe Dienste ASAN,
  • die Erarbeitung von Bewirtschaftungsplänen für Flussgebiete und grenzüberschreitende Flüsse und
  • der Ausbau des Gewässer- und Wassergütermonitorings in Anlehnung an die Qualitätsstandards der EU-Wasserentnahmerichtlinie.

Bisherige Branchenprogramme verfehlten Ziele

Aserbaidschan verabschiedete bereits verschiedene Initiativen für die Wasserwirtschaft - mit mangelndem Erfolg. So sah das Nationale Programm für die nachhaltige sozioökonomische Entwicklung aus dem Jahr 2003 vor, dass bis 2020 jeder Einwohner in der Hauptstadtregion Zugang zu sauberem Wasser hat. Davon ist das Land noch ein gutes Stück entfernt.

Geplante Projekte haben sich verzögert, wurden nur teilweise oder auch gar nicht umgesetzt. Die Gründe sind mangelndes Projektmanagement und alte Strukturen bei den zentralen staatlichen Akteuren. Eine weitere wesentliche Ursache sind die seit 2015 spärlicher ins Land fließenden Petrodollar als Grundlage für die Projektfinanzierung.

Kehrtwende zu einer rationellen Wassernutzung ist Gebot der Stunde

Die jährlich erneuerbaren Frischwasserressorcen in Aserbaidschan sind in den letzten 20 Jahren um geschätzt etwa ein Fünftel gesunken. Sie weisen zudem deutlich wachsende Schwankungen auf. Die Bevölkerung hingegen ist um rund 25 Prozent angewachsen. Auch die Klimawandelmodelle verheißen wenig Gutes für Aserbaidschan.

Hydrologen prognostizieren Wasserknappheit

Laut dem  Internationalen Institut für Wassermanagement (IWMI) dürfte die Kaukasusrepublik im Jahr 2025 voraussichtlich zu den 13 Ländern mit den geringsten gesicherten Wasserressorcen pro Einwohner gehören.

Das Welt-Ressourcen-Institut (WIR) kam zum Ergebnis, dass Aserbaidschan im Jahr 2040 bei einem ungebremsten Klimawandel unter allen 33 Ländern mit einem extremen Missverhältnis zwischen Wasserverbrauch und verfügbaren Wasserressourcen Rang 18 belegen könnte. Der ermittelte Indexwert von 4,69 von 5,0 (extrem hoher Wasserstress) ist sogar höher als der für Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan.

Dies ist allerdings weniger den knappen Wasserressourcen, sondern vor allem den enormen Wasserverlusten in maroden Leitungs- und Bewässerungsnetzen geschuldet.


Aserbaidschanische Wasserwirtschaft leidet unter Investitionsstau

Die Bruttonlageinvestitionen in die Erzeugung und Verteilung von Trink- und Brauchwasser betrugen in den Jahren 2016 bis 2020 im Schnitt bescheidene 242 Millionen US-Dollar (US$) pro Jahr. In die Abwasserwirtschaft sind etwa 110 Millionen US$ geflossen. Aus dem Staatshaushalt kamen in jenem Zeitraum im Schnitt 169 Millionen US$ pro Jahr für Projekte der Gesellschaft für Melioration und Wasserwirtschaft Azmelsuteserrüfat (Bewässerung, Brunnenbau, Talsperren).

Die nahe Zukunft wird zeigen, wie ernst es der Regierung ist mit der Schaffung besserer organisatorischer, rechtlicher und institutioneller Rahmenbedingen. Gradmesser werden auch forcierte Investitionen sein. Es wird sich herausstellen, ob staatliche Akteure mehr Geld in die Branche stecken und es ihnen besser gelingt, ausländisches Kapital (Geberfinanzierungen) für Projekte zu akquirieren.

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