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Markttrends
Kanadas Bauindustrie bietet Chancen im Rahmen großer öffentlicher Infrastrukturvorhaben sowie hoher Investitionen in Datenzentren, Gigafabriken und energiewirtschaftliche Projekte.
29.11.2023
Von Heiko Steinacher | Toronto
Der Immobilienmarkt bläht sich durch die stark gestiegenen Kosten für Wohnraum auf. Dadurch wird sich auch noch 2024 das Marktwachstum deutlich verlangsamen. Allerdings erholt sich der Wohnungsbau mit der dann erwarteten, langsamen Rückkehr zu einem neutralen geldpolitischen Kurs zumindest mittelfristig wieder. Das Bauberatungsunternehmen Linesight erwartet von 2025 bis 2027 für die gesamte kanadische Bauwirtschaft ein jährliches Branchenwachstum von 2,7 Prozent.
wird Kanadas Bauwirtschaft von 2025 bis 2027 im Schnitt pro Jahr wachsen.
Gigafabriken und Rechenzentren feiern Hochkonjunktur
Die Sektoren Industrie und Energie werden die Entwicklung vorantreiben. Die zunehmende Nachfrage nach Cloud-Diensten beflügelt den Bau von Rechenzentren: Laut Linesight befanden sich bis zum Sommer 2023 Projekte zum Bau von Rechenzentren im Wert von über 7,4 Milliarden US-Dollar (US$) in der Pipeline, die meisten davon in den Provinzen Ontario und Québec.
Auch Bauprojekte für die Spitzenforschung in den Biowissenschaften gewinnen an Fahrt: Um die Forschung und Entwicklung im Life-Science-Bereich voranzubringen, stellt die Regierung in Ottawa rund 93 Millionen US$ bereit zur Errichtung von landesweit acht biologischen Sicherheitslaboren.
Anlagenbauer dürften außerdem von den erwarteten hohen Investitionen in Gigafabriken sowie den Abbau und die Verarbeitung kritischer Rohstoffe profitieren. So will BASF eine Kathodenfabrik in der Provinz Québec hochziehen. Volkswagen errichtet seine erste außereuropäische Gigafabrik ebenfalls im Osten Kanadas. Laut einem Bloomberg-Bericht will die Regierung des Landes einen Plan vorlegen, um notwendige Genehmigungen für den Abbau kritischer Batteriemineralien zu beschleunigen.
Kanada will mehr grünen Wasserstoff produzieren
Auch will Kanada in den Atlantikprovinzen Neufundland und Labrador, Nova Scotia und New Brunswick grünen Wasserstoff in industriellem Maßstab erzeugen. Das sieht das im August 2022 verabschiedete Wasserstoffabkommen vor. Bereits im März 2021 haben Deutschland und Kanada eine Energiepartnerschaft unterzeichnet, sodass für deutsche Unternehmen Geschäftschancen entstehen sollten. Das deutsche Projektentwicklungsunternehmen für erneuerbare Energien ABO Wind bekam im August 2023 den Zuschlag für ein Fünf-Gigawatt-Wasserstoffprojekt in Neufundland und Labrador. Es ist mit weiteren solchen Vorhaben zu rechnen, zumal Technologiehersteller bei der Produktion von sauberem Wasserstoff bis zu 40 Prozent ihrer Projektkosten steuerlich geltend machen können.
Auch Unternehmen, die in andere Umwelttechnologien sowie den Abbau und die Verarbeitung kritischer Rohstoffe investieren, erhalten Steuergutschriften in Höhe von bis zu 30 Prozent. Daher ist in Zukunft mit deutlich mehr Infrastrukturprojekten für saubere Energie zu rechnen.
Neue Stadtbahnsysteme stehen hoch im Kurs
Für die nächsten zwei Jahre werden weitere Investitionen in große öffentliche Infrastrukturprojekte erwartet. Straßenbau- und Vorhaben zum Ausbau des Nahverkehrs sind in vollem Gange. Die meisten entfallen auf Ontario – und dort vor allem auf den Großraum Toronto – sowie den Westen Kanadas. Die Provinzregierung von Ontario unterstützt zahlreiche Projekte, darunter die Erweiterung mehrerer Stadtbahnsysteme und den Bau einer Umgehungsstraße nördlich von Toronto.
Viele Provinzen investieren stark in die Infrastruktur, wobei der Schwerpunkt auf dem Bau von Straßen und Schulen liegt. Neben den Provinzen verausgabt auch der Staat Milliardenbeträge für Infrastrukturprojekte, unter anderem im Rahmen des sogenannten Wachstumsplans der Canadian Infrastructure Bank (CIB). Der vom Transportministerium getragene "National Trade Corridors Fund" bietet finanzielle Unterstützung für Infrastrukturprojekte in den Bereichen Straßenbau, Schienenverkehr, Luftfracht und Schifffahrtsrouten an.
Einer Analyse der Kanzlei Cassels Brock & Blackwell zufolge gibt es in Kanada bereits mehr als 200 Bauprojekte, die im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) entstanden sind; weitere 37 sind im Bau und 31 befinden sich in verschiedenen Phasen der Bauvorbereitung. ÖPP-Bauprojekte sind vor allem im Gesundheits-, Bildungs- und Verkehrswesen verbreitet.
Restriktive Geldpolitik bremst den privaten Wohnungsbau aus
Der Wohnungsbau steckt dagegen in einer Krise. Die im Zuge der geldpolitischen Straffung anhaltend hohen Hypothekenzinsen belasten die Nachfrage spürbar. Zudem konnte die Bautätigkeit in den letzten beiden Jahrzehnten nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten, was den Wohnungsmangel noch verschärft. Der Neubau schrumpfte vom 1. bis 3. Quartal 2023 um 8 Prozent und war damit von Juli bis September im fünften Quartal in Folge im Minus.
In ihrem Haushalt 2023 kündigte die Regierung in Ottawa einen neuen, mit 2,9 Milliarden US$ ausgestatteten, Fonds zur Beschleunigung des Wohnungsbaus an. Ziel ist es, durch geeignete Anreize mindestens 100.000 neue Wohnungen in ganz Kanada zu schaffen.
Marktvolumen der Bauwirtschaft in Kanada (in Milliarden US-Dollar, Veränderung in Prozent)
Kennziffer | 2021 1) | 2022 1) | Veränderung 2022/2021 2) |
---|---|---|---|
Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon | 177.0 | 187,8 | 10,0 |
Wohnungsbau | 131,8 | 136,9 | 7,8 |
Nichtwohnungsbau | 45,2 | 50,8 | 16,7 |
Wirtschaftsbau | 24,9 | 28,3 | 17,9 |
Industriebau | 8,0 | 9,2 | 20,1 |
Wert der Infrastrukturinvestitionen insgesamt, davon | 75,0 | 86,2 | 19,2 |
öffentlich | 53,2 | 58,5 | 14,1 |
privat | 21,8 | 27,6 | 31,4 |
Preise entwickeln sich je nach Baustoff unterschiedlich
Nachdem sie in der Pandemiezeit Höchststände erreicht hatten, sind die Preise für Baumaterialien inzwischen wieder zurückgegangen. Allerdings sind die Preise für Zement, einem der wichtigsten Baustoffe, weiterhin hoch. Das dürfte sich, ebenso wie bei Zuschlagstoffen, auch nicht so schnell ändern. Die Preise für Stahl und Kupfer sollen ebenfalls stagnieren. Die Holzpreise dürften in den nächsten Monaten ihr Niveau halten, sie könnten sogar etwas sinken.
Auch wenn sich die Rohstoff- und Preise vieler Baumaterialien stabilisieren und staatliche Investitionen in den Energie- und Industriesektor zunehmen, bleiben Risiken bestehen. Dazu zählen ein Mangel an Arbeitskräften – insbesondere in Handwerksberufen –, teilweise steigende Materialkosten und anhaltend hohe Zinsen wegen relativ hoher Inflation. Nach den Plänen der Bundes- und Provinzregierungen könnten die öffentlichen Gesamtausgaben 2023 und 2024 jeweils um etwa 2,5 Prozent steigen, wodurch es schwerer werden könnte, die Inflation auf den Zielwert der Zentralbank von 2 Prozent zurückzuführen.
Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Kanada
Akteur/Projekt | Investitionssumme (in Mrd. US$) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
BC Hydro / Site C Clean Energy Project | 11,7 | im Bau | Fertigstellung 2025 |
Metrolinx / Go Expansion - ON-Corridor Works | 11,4 | im Bau | Fertigstellung 2032 |
Bruce Power / Nuclear Refurbishment Project | 9,5 | im Bau | Fertigstellung 2033 |
Ontario Power Generation / Darlington Nuclear Refurbishment | 9,3 | im Bau | Fertigstellung 2026 |
Metrolinx / Ontario Line Subway | 7,9 | frühe Bauphase | Fertigstellung 2031 |
Metrolinx / Go Expansion - Early Works | 7,7 | im Bau | Fertigstellung 2025 |
Metro Vancouver / Iona Island Wastewater Treatment Plant | 7,2 | Planungsphase | Fertigstellung 2035 |