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Branchen | Brasilien | Nahrungsmittel

Markttrends

Brasiliens Nahrungsmittelbranche wächst von Jahr zu Jahr und passt sich den Trends der Verbraucher an. Die Investitionen steigen, darunter in neue Werke für Verpackungen.

Von Gloria Rose | São Paulo

Inflation dürfte 2023 zurückgehen

Die Coronapandemie, Dürreperioden und der Ukrainekrieg trieben die Produktionskosten des brasilianischen Agrobusiness in den vergangenen Jahren in die Höhe. Auch Verpackungsmaterial und die Ausgaben für den Transport verteuerten sich stark. In der Folge sind die Nahrungsmittelpreise von 2020 bis Anfang 2023 um 37 Prozent gestiegen - deutlich stärker als das gesamtwirtschaftliche Preisniveau. Aktuell schwächt sich der Preisauftrieb im Sektor aber ab. Für 2023 rechnen Analysten mit einer Teuerung im einstelligen Bereich.

Die gedrosselte Kaufkraft der Verbraucher wirkt sich auf den Getränke- und Nahrungsmittelkonsum aus. In der Fleischverarbeitung für den Inlandsmarkt stellten die Hersteller auf weniger Rind und mehr Hühnerfleisch und Eier um. Während die breite Bevölkerung auf eine möglichst preisgünstige Versorgung achtet, setzt sich in den höheren Einkommensklassen die Nachfrage nach hochwertigen Luxusprodukten fort.

Bequemlichkeit bleibt Schlüsselfaktor

Zuhause im Homeoffice konsumieren die Brasilianer mehr Fertiggerichte und Tiefkühlkost. Da sich in vielen Unternehmen hybride Arbeitsmodelle etabliert haben, bleibt das neue Konsumverhalten auch nach der Pandemie erhalten. Doch der Absatz von Fertiggerichten über den Einzelhandel stagniert seit dem Rekordjahr 2020, während sich die Gastronomie erholt. Im Jahr 2022 setzte die Nahrungsmittelindustrie wieder 27 Prozent des inländischen Verkaufs über Food Services ab. Damit liegt der Anteil aber noch unter dem Vorkrisenniveau von etwa 33 Prozent.

Nicht nur Restaurants und Schnellimbisse setzen auf Lieferdienste. Auch Supermärkte und sogar die Hersteller selbst stellen sich um. Ambev, Nestlé, Danone und Mondelez investieren in den Direktverkauf über das Internet. Insbesondere der Getränkekonzern Ambev profitiert von seiner Liefer-App Zé Delivery, die in der Pandemie zu einem der wichtigsten Vertriebskanäle geworden ist. Den Komfort, eisgekühltes Bier - so wie die Brasilianer es lieben - und Wein in kürzester Zeit ins Haus geliefert zu bekommen, leisten sich heute viele.

Der Convenience-Trend steckt auch hinter der Umstellung auf Aluminiumdosen bei Verpackungen für Bier, Wein, Sekt, Drinks und Wasser. Am drittgrößten Dosenmarkt weltweit wächst der Absatz seit Jahren, abgesehen von einem erstmaligen Rückgang im Jahr 2022. Vier neue Dosenfabriken, die bis Ende 2023 in Betrieb gehen, sprechen für die Fortsetzung des Wachstumstrends.

Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit zählen

Mit einem jährlichen Umsatz von über 35 Milliarden US-Dollar (US$) zählt Brasilien zu den Top-10-Märkten für gesunde Nahrungsmittel. Das Marktsegment wächst seit Jahren zweistellig. Gestützt wird der Trend durch ein dynamisches Start-up-Ökosystem. Mit dem Fokus auf Gesundheit und Nachhaltigkeit mischen Jungunternehmen wie Liv Up, Raízs, Foodz, Pratí, Beleaf, BeGreen und 100 Foods den Nahrungsmittelsektor in den Metropolregionen auf.

Zudem investieren viele Konzerne in die Neuformulierung industrieller Rezepte und gesündere Produkte, da die Gesundheitsaufsicht die Auflagen verschärft hat. Bis Oktober 2022 mussten die Hersteller eine neue Auszeichnung anbringen, die Verbraucher gut sichtbar vor einem hohen Zucker-, Fett- und Salzgehalt warnt. Gestützt wird die Entwicklung mit dem Verbot von Transfettsäuren ab 2023 und Vereinbarungen mit einzelnen Großkonzernen zur Verringerung des Zucker- und Salzgehalts in Lebensmitteln.

Obwohl die Vorgaben für den brasilianischen Markt erst im Laufe des Jahres 2023 festgelegt werden, wächst das Segment Fleisch- und Milchersatz aus pflanzlichem Eiweiß. Laut dem Marktforschungsinstitut Innova Database wurden in den vergangenen fünf Jahren 3.675 Produkte für den brasilianischen Markt zugelassen. Auf den Zukunftsmarkt setzen sowohl die gigantischen Fleischkonzerne JBS, Marfrig und BRF als auch FoodTechs wie Fazenda Futuro. Gestützt durch niedrige Produktionskosten nimmt das brasilianische Start-up den Wettbewerb mit etablierten Marken in den USA und auf Märkten in Europa auf. Hohe Kapitaleinlagen sowie die Partnerschaft mit Popstar Anitta unterstützen Fazenda Futuro bei der Eroberung der Auslandsmärkte.

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Investitionen steigen tendenziell

Die Auslastung der Produktionskapazität in der Branche lag 2022 bei 71,1 Prozent, die Investitionen bei etwa 4,6 Milliarden US$. Anders als im Vorjahr standen Ausgaben für Mergers and Acquisitions (M&A) nur noch für etwa ein Drittel des Gesamtwerts der Investitionen. Der Großteil floss in neue Anlagen, Ausbau, Modernisierung sowie Forschung und Entwicklung. Besonders stark investieren die exportorientierten Fleischkonzerne sowie die Brauereien für den wachsenden Inlandsmarkt. Immer mehr multinationale Konzerne wie Nestlé, Coca-Cola Femsa und Ambev sowie brasilianische Großkonzerne wie M. Dias Branco investieren in Industrie-4.0-Technologien.

Ausgewählte Projekte der Lebensmittel- und Getränkeindustrie in Brasilien

Projekt

Investitionssumme in Millionen US$* 

Stand

Projektträger

Erweiterung der Brauereien in Igarassu (Bundesstaat Pernambuco) und Alagoinhas (Bahia) sowie Bau einer neuen Brauerei in Passos (Minas Gerais)

640

Inbetriebnahme 2025

Heineken

Erweiterung der Schweine- und Geflügelproduktion in den Regionen West und Nord

465

Planungsstadium

Lar Cooperativa

Bau einer Getränkedosenfabrik und einer Produktionsanlage für Flaschen in Juiz de Fora (Minas Gerais)

465

Inbetriebnahme 2023

Ardagh

Erweiterung der Milch-, Getreide- und Schweineproduktion und Entwicklung neuer Geschäftsbereiche

194

Investitionsplan bis 2025, angekündigt im März 2021

Frísia Cooperativa Agroindustrial

Ausbau der beiden Fabriken in Curitiba (Paraná) und Vitória de Santo Antão (Pernambuco)

194

Investitionszyklus 2023–2024

Mondelez

Getränkedosenfabrik in Poços de Caldas (Minas Gerais) und Fabrik für Dosendeckel in Manaus (Amazonas)

186

Inbetriebnahme 2023-2024

Canpack

Bau einer nachhaltigen Flaschenfabrik im Bundesstaat Paraná

169

Inbetriebnahme 2025

Ambev

Bau einer neuen Bierfabrik und Erweiterung der Produktionskapazität der Brauerei Therezópolis

87

Inbetriebnahme bis Ende 2024 (erste von insgesamt drei Phasen)

Coca-Cola Andina

Modernisierung und Erweiterung der Produktion in Vila Velha (Espírito Santo) 

83

Investitionszyklus 2023–2024

Nestlé

Erste Fabrik des französischen Sirupherstellers in Lateinamerika in Itu (São Paulo)

68

Ankündigung im Mai 2023; Inbetriebnahme im 3. Quartal 2024

Monin

Modernisierung und Erweiterung der Verpackungsfabriken in Maranguape (Ceará), Bento Gonçalves (Rio Grande do Sul) und Uberaba (Minas Gerais)

64

Inbetriebnahme 2024/2025

Smurfit Kappa

*umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs 2022: 1 US$ = 5,16 R$ Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest (Mai 2023)

Vielfältige Chancen für deutsche Unternehmen

Für deutsche Zulieferer von Maschinen und Ausrüstung sowie von Vorprodukten wie Malz bleibt Brasilien ein wichtiger Wachstumsmarkt, der auch von vielen kleinen Herstellern profitiert. Kleinstbrauereien, Brennereien und Hobbybrauer investieren.

Aber auch deutschen Getränke- und Nahrungsmittelherstellern bieten sich Chancen. Die Ehrmann AG schloss 2022 die Übernahme des Molkereiunternehmens Trevo Lacteos ab. Bekannte deutsche Marken mit eigener Produktion vor Ort sind Melitta, Dr. Oetker und Haribo.

Deutsche Schokolade und Gebäck sowie Bier und Wein gehören zu den Gourmetprodukten für Haushalte der mittleren und oberen Einkommensklasse. Im Zuge der Abwertung des brasilianischen Real (R$) und der damit verbundenen Verteuerung ging der Import in der Coronakrise stark zurück. Seit Anfang 2022 hat sich der R$ aber wieder ein gutes Stück erholt.

Stand: Mai 2023

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