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Markttrends
Um seine chemische Industrie wettbewerbsfähiger zu machen, bereitet Südafrika einen Masterplan für die Branche vor. Die lokale Wertschöpfung dürfte von zentraler Bedeutung sein.
06.05.2021
Von Marcus Knupp | Berlin
Chemiebranche kommt vergleichsweise gut durch die Pandemie
Die erste Nachricht ist positiv: Die Unternehmen der chemischen Industrie in Südafrika haben die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise weitgehend überlebt. Die Einbußen in Produktion und Umsatz waren weniger einschneidend als in einigen anderen Branchen wie beispielsweise der Automobilindustrie. Allerdings war die Lage schon in den vergangenen Jahren schwierig. Viele Unternehmen sind finanziell angeschlagen und hatten nun gleichermaßen Glück im Unglück.
Die Auswirkungen der Krise waren für die Chemiebranche in ihrem Ergebnis eine Mischung aus bremsenden und günstigen Entwicklungen. So hat der weitgehende Stillstand des Landes während der strengen Lockdown-Phasen 2020 den Stromverbrauch zurückgehen lassen und damit auch die Abschaltungen wegen Überlastung des Netzes. Stetige Energieversorgung ist für viele Verfahren essentiell; hier gab es also eine Verschnaufpause. Im Gegenzug fehlten infolge gestörter Lieferketten bald benötigte Rohmaterialien.
Die geringere Produktion in wichtigen Abnehmerbranchen wie der Bau- oder der Automobilindustrie hat sich negativ auf den Absatz von Chemieerzeugnissen ausgewirkt. Einen kleinen Boom gab es bei Desinfektions- und Reinigungsmitteln und bei dekorativen Wandfarben - offenbar ein Effekt des erzwungenen Zuhausebleibens. Mit dem Abklingen der zweiten Welle der Pandemie ist in weiten Bereichen eine Normalisierung in Gang gekommen.
Die gesamten Verkäufe der chemischen Industrie in Südafrika einschließlich der Bereiche Pharma, Kunststoffe und Gummi sind nach vorläufigen Angaben des nationalen Statistikamtes Stat SA zwischen 2020 gegenüber dem Vorjahr um 18,7 Prozent auf 483,3 Milliarden Rand zurückgegangen. Wegen des gesunkenen Wechselkurses ergibt sich im gleichen Zeitraum in Euro bemessen ein Rückgang von 33,25 Milliarden Euro auf 25,56 Milliarden Euro.
Masterplan soll aus der Krise führen
In Analogie zu dem 2018 vorgestellten Masterplan für die Entwicklung der südafrikanischen Automobilindustrie soll auch die Chemiebranche durch eine solche Rahmenplanung strategische Leitplanken erhalten. Details dazu werden dem Vernehmen nach im Laufe des Sommers 2021 vorliegen. In den Grundzügen dürften ähnliche Stellgrößen eine Rolle spielen wie im Automobilsektor. Ziel ist eine Erhöhung der lokalen Wertschöpfung zum einen durch eine größere Weiterverarbeitung einheimischer Rohstoffe, zum anderen durch die Förderung von Zulieferunternehmen auf vorgeordneten Ebenen.
Eine bislang wenig genutzte lokale Ressource sind Erdgasvorkommen, die entweder im Fracking-Verfahren oder offshore ausgebeutet werden könnten. Hier stehen jedoch Umwelt- und Kostenbedenken entgegen. Die Entwicklung zu alternativen Antrieben könnte Südafrika in den Bereichen Batterie- oder Brennstoffzellen-Herstellung und genereller in der Wasserstofftechnologie Vorteile verschaffen. Viele benötigte Rohstoffe, etwa Metalle der Platin-Gruppe, werden vor Ort gefördert.
Bergbau übt großen Einfluss auf Chemie aus
Südafrikas Chemieindustrie ist mit dem Bergbau groß geworden. Zum einen nutzt sie lokal abgebaute Rohstoffe, zum anderen stellt sie mit Sprengstoffen und Prozesschemikalien wichtige Verbrauchsmaterialien für die Branche her. Die Weltmarktpreise für Bergbauprodukte und die davon stark beeinflusste Explorations- und Abbautätigkeit wirken sich daher direkt auf die Konjunktur der Chemiebranche aus. Wieder anziehende Rohstoffpreise beeinflussen die südafrikanische Wirtschaft positiv und ziehen insbesondere die chemische Industrie mit. Die kohlebasierte Petrochemie ist der vom Produktionsvolumen wichtigste Teilbereich der Chemie in Südafrika. Sie nutzt einerseits einen lokal reichlich vorkommenden und billigen Rohstoff, hat zum anderen aber mit hohen Verarbeitungskosten und einer zunehmend kritisch bewerteten Umweltbilanz zu kämpfen.
Automobilindustrie ist wichtiger Abnehmer
Unter den industriellen Abnehmern spielt vor allem die Automobilindustrie eine wichtige Rolle. im Jahr 2020 hat sich das Produktionsvolumen infolge der Coronakrise um rund 30 Prozent auf etwa 447.000 Einheiten verringert. Die leichte Erholung zur Jahreswende 2021 macht Hoffnung. Mit derzeit leicht steigendem Produktionsvolumen hellen sich die Aussichten zwar etwas auf. Die Zielvorgaben des Automotive Industry Masterplans der Regierung in Pretoria, die mehr als eine Verdoppelung der Produktion gegenüber 2018 bis 2035 vorsehen, sind auch dem Einbruch jedoch weiter in die Ferne gerückt. Das wichtigste Exportprodukt der südafrikanischen Kfz-Zuliefererindustrie sind Abgaskatalysatoren. Diese kamen 2019 allein für 37,9 Prozent der Ausfuhren der Branche auf. Ihre Herstellung basiert auf den lokal reichlich vorkommenden Rohstoffen wie Platin.
Düngemittelproduktion sucht nach Rohstoffen
Die Düngemittelindustrie ist in Südafrika auf den Import wichtiger Basismaterialien wie Schwefel und Kalium angewiesen, da diese lokal nicht ausreichend vorkommen. Bei Phosphaten sieht es nicht viel besser aus, weil der Gehalt der von dem staatlichen Unternehmen Foskor in Phalaborwa (Limpopo) abgebauten Erze gering ist und der weiteren Verarbeitung eine teure Anreicherung vorgeschaltet werden muss. Die Produktion von Mineraldünger vor Ort hat daher keine wirklichen Wettbewerbsvorteile, sondern wird eher aus Gründen der Versorgungssicherheit aufrechterhalten.
Kunststoffindustrie stark importabhängig
Der Verband der südafrikanischen Kunststoffindustrie Plastics SA verzeichnet nach einem über mehrere Jahre währenden Anstieg seit 2015 einen stagnierenden Verbrauch von Rohkunststoffen. Im Jahr 2019 wurden 1,50 Millionen Tonnen Basispolymere und 337.700 Tonnen aus Recycling gewonnene Rohkunststoffe verbraucht. Knapp die Hälfte der Endprodukte wird für Verpackungen verwendet. Sowohl bei Kunststoffvorprodukten als auch bei Kunststoffprodukten liegen die Einfuhren Südafrikas etwa beim Anderthalbfachen der Exporte.
Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Südafrika (Investitionssumme in Millionen Euro)
Akteur/Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Nyanza Light Metals/Titan-Dioxyd-Anlage in Richards Bay | 259 | 1. Phase im Bau (Technical Service Centre) | |
Kropz/Elandsfontein Phosphate Project (Modernisierung) | 33 | Umsetzung, Fertigstellung IV/2021 geplant | Bedarf an zusätzlichen Ausrüstungen nach Tests |
African Oil Blending Corporation/Umbau Schmiermittelfabik in Harrismith | 7,5 | Umsetzung, Produktionsbeginn I/2022 geplant | |
Sasol, LEN-Konsortium/Produktion von nachhaltigem Flugbenzin in Secunda | k.A. | Planung/Machbarkeitsstudie | Zusammenarbeit mit Linde, Enertrag, Navitas (LEN), Förderung im Rahmen von H2-Global |
Sasol, Toyota/Green Hydrogen Mobility Partnership | k.A. | Planung/Untersuchung der Möglichkeiten | Versorgung von Lkw mit Wasserstoff entlang der Hauptrouten |
Aspen/Produktion von Covid-19-Impfstoff | k.A. | Vorbereitung der Anlagen | Zusammenarbeit mit Johnson & Johnson |