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Markttrends

Tschechiens Autoindustrie hat die Lieferketten wieder im Griff. Produktion und Absatz sind daher zuletzt deutlich gestiegen. Allerdings sind die Wachstumsaussichten verhalten.

Von Gerit Schulze | Prag

Trotz schwacher Wirtschaftsentwicklung und stagnierender Kaufkraft konnte Tschechiens Automarkt 2023 einen Sprung nach vorne machen. Der Absatz von Neuwagen stieg um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf über 221.000 Pkw. Das war der beste Wert seit 2019. Dazu beigetragen hat auch die verbesserte Angebotsseite, denn die Störungen in den Lieferketten der drei einheimischen Hersteller fielen 2023 geringer aus als im Jahr zuvor.

Starke Fixierung auf Verbrennungsmotoren

Das führte auch bei den Fahrzeugherstellern im Land zu steigenden Produktionszahlen. Insgesamt fehlen der Kfz-Industrie aber Wachstumsimpulse, da sie immer noch stark auf den Verbrennungsmotor fixiert ist. Außerdem könnte sich die Konjunkturschwäche am wichtigsten Absatzmarkt Deutschland 2024 negativ auswirken. Neue Märkte wie Indien oder Vietnam entwickeln sich noch nicht so dynamisch wie erwartet.

Deshalb sieht der Branchenverband AutoSAP die tschechische Automobilindustrie weiter vor großen Herausforderungen. Dazu zählten die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, die hohen Energiepreise und die "langfristig unbefriedigende Situation auf dem Arbeitsmarkt", sagte Verbandspräsident Martin Jahn zu Jahresbeginn 2024. Die Lieferketten blieben instabil und die ausländische Konkurrenz, besonders aus Asien, mache sich zunehmend bemerkbar.

Den Pessimismus teilt die Regierung. Tschechiens Finanzministerium senkte im Januar 2024 die ursprüngliche Wachstumsprognose für 2024 von 1,9 auf 1,2 Prozent. Für die Automobilindustrie sieht das Ministerium Risiken durch neue Lieferkettenprobleme aufgrund der Lage im Nahen Osten und durch einen möglichen Anstieg der Energierohstoffpreise.

Keine Strategie für den Umstieg auf Elektroautos

Auch wenn die Produktionszahlen gestiegen sind, bleibt der Anteil von Elektroautos am Gesamtausstoß in Tschechien unter 10 Prozent. Marktkenner blicken mit Sorge auf die anhaltende Dominanz von Verbrennungsmotoren. Noch gibt es keine konkreten Zukunftsstrategien, etwa für das Getriebewerk von Škoda Auto in Vrchlabí, das Doppelkupplungsgetriebe für den VW-Konzern produziert. 

Immerhin plant Škoda Auto 2024 die Markteinführung des Modells Elroq, einem kompakten Elektro-Geländewagen (SUV). Ab 2025 kommt mit dem Epiq ein neues elektrisches Einstiegsmodell in der Kleinwagenklasse, das unter 25.000 Euro kosten soll. Für 2026 hat Škoda sein Batterie-Spitzenmodell angekündigt - einen siebensitzigen Familienvan.

Tschechien wartet bei der Schlüsselkomponente Batterien, anders als die Nachbarländer Polen und Slowakei, weiter auf internationale Investoren. Volkswagen hatte im November 2023 gemeldet, vorerst keine Gigafactory bei Plzeň zu errichten. Grund sei die zu geringe Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in Europa. Seit Anfang 2024 berichten tschechische Medien jedoch, dass ein asiatischer Konzern Interesse habe, bei Ostrava eine große Batteriefabrik zu bauen.

Beschaffung von Halbleitern wird wichtiger

Bei der Beschaffung von Halbleitern für seine Fahrzeuge will Škoda Auto stärker mit dem US-Hersteller onsemi kooperieren. Der hat bereits Produktionskapazitäten im mährischen Rožnov pod Radhoštěm und plant eine milliardenschwere Erweiterung. Onsemi könnte so von Tschechien aus ein wichtiger Zulieferer für Fahrassistenzsysteme, Energie- und Sensortechnologien werden. Eine endgültige Investitionsentscheidung steht aber noch aus.

Hohes Durchschnittsalter des Fahrzeugbestands

Für Wachstum auf dem Inlandsmarkt sorgten 2023 besonders Geschäftskunden. Über drei Viertel der Verkäufe entfielen auf gewerbliche Halter. Private Nutzer hatten nur einen Anteil von 24 Prozent an den Neuwagenverkäufen. 

16,2 Jahre

betrug Ende 2023 das Durchschnittsalter der in Tschechien registrierten Pkw.

Die Kaufzurückhaltung bei privaten Autofahrern führt dazu, dass das Durchschnittsalter des tschechischen Fuhrparks immer weiter steigt. Es erreichte 2023 einen neuen Höchstwert von über 16 Jahren bei Pkw. Das liegt vier Jahre über dem EU-Durchschnitt und sogar sechs Jahre über dem Durchschnittswert für Deutschland. Ein Grund dafür ist, dass es in Tschechien keine Kaufanreize oder Abwrackprämien bei der Anschaffung von Neuwagen oder Elektroautos gibt. 

Kaufanreize für Neuwagen fehlen

Bislang gilt für Fahrzeuge der drei niedrigsten Emissionsklassen Euro 0 bis Euro 2 eine Umweltsteuer. Sie ist bei der Erstzulassung eines aus dem Ausland eingeführten Fahrzeugs fällig. Im Jahr 2024 beträgt die Steuer umgerechnet etwa 400 Euro (Euro 0), 200 Euro (Euro 1) und 120 Euro (Euro 2). Hersteller und Händler drängen die Regierung seit Jahren dazu, die Erneuerung des Fuhrparks stärker fiskalisch zu stimulieren. Angesichts von fast 6,6 Millionen registrierten Pkw in Tschechien wäre das ein starker Hebel für das Neuwagengeschäft.

Bis dahin müssen die Marktimpulse von Firmenkunden kommen. Danach sieht es derzeit aber auch nicht aus, wie die jährliche Umfrage "Fleet Survey" der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY im September 2023 zeigte. Nur 6 Prozent der befragten Manager erwarten, dass sich ihr Fuhrpark in den nächsten Jahren vergrößert. Elektromobilität spielt dabei kaum eine Rolle. Nur jede fünfte Firma plant den Bau von Ladesäulen auf dem Betriebsgelände oder hat bereits Ladeinfrastruktur geschaffen. Als Hemmfaktoren nannten die Befragten die geringe Reichweite der Elektroautos, die fehlende Ladeinfrastruktur und lange Ladezeiten.

Neue Abgasnorm sorgt für Erleichterung 

Mit Erleichterung wird in Tschechien die europäische Einigung für die neue Abgasnorm Euro-7 gesehen. Die Regelungen sehen für Pkw mit Verbrennungsmotoren kaum verschärfte Richtwerte beim Schadstoffausstoß vor, wie ursprünglich von der EU-Kommission vorgeschlagen. Lediglich bei Bussen und Lastkraftwagen sollen die Stickoxid-Emissionen um mehr als 50 Prozent sinken. 

Damit bekommt die tschechische Automobilindustrie, die 2023 zu 87 Prozent Pkw mit reinen Verbrennungsmotoren herstellte, eine kleine Atempause. Mittelfristig muss sich die Branche aber umorientieren. Denn ab 2035 sollen in der EU keine Neuwagen mehr zugelassen werden dürfen, die Benzin oder Diesel tanken. 

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