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Branchenbericht Marokko Arzneimittel, Diagnostika

Mehr Eigenversorgung und Exporte angestrebt

Marokkos Pharmasektor soll sich weiter entwickeln. Afrikanische Zielmärkte könnten für Ausfuhrsteigerungen und einen Produktionsausbau sorgen.

Von Michael Sauermost | Casablanca

In Marokko sind viele Augen auf die Pharmaindustrie gerichtet und das nicht erst seit Beginn der Covid-19-Pandemie. Nach Phosphaten ist dies das zweitgrößte Segment der lokalen Chemieindustrie. Das erste Coronajahr 2020 hat die marokkanische Pharmaindustrie verhältnismäßig unbeschadet überstanden. Der Branchenverband, die Fédéderation Marocaine de l´Industrie et de l´Innovation Pharmaceutiques (FMIIP), registriert Umsatzsteigerungen in einer Größenordnung von 1,5 bis 2,0 Prozent gegenüber 2019. Mit dem Ergebnis von umgerechnet etwa 1,5 Milliarden US-Dollar (US$) waren die FMIIP-Vertreter, die eigentlich an Wachstumsraten von 5 bis 8 Prozent gewöhnt sind, zufrieden.

Lokale Hersteller konnten in Zeiten der Pandemie die Verfügbarkeit von Arzneimitteln bewerkstelligen, lobt der Branchenverband. Allerdings sei die Sicherstellung der Versorgung im wahrsten Sinne des Wortes teuer erkauft worden. Schließlich schnellten die Preise für importierte Rohstoffe während der Coronakrise in die Höhe. Auch Transport und Logistik verteuerten sich. Zusätzlich mussten interne Investitionen die Tätigkeit der Labore aufrechterhalten und den Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten.

Marokko gilt als "Pharmerging Market"

Nach Ansicht des marokkanischen Wettbewerbsrats (Conseil de la Concurrence) könnte die lokale Pharmabranche noch an Effizienz zulegen. Der Sektor sei sehr fragmentiert und inkonsistent. Die rechtlichen Rahmenbedingungen gelten als teilweise veraltet. Die Verbreitung von Generika werde durch die fehlende Kontrolle von Sicherheitsstandards gebremst.

Die geringe Kaufkraft der Bevölkerung wirkt sich zwangsläufig auf den Arzneimittelkonsum aus. Der Verbrauch verbleibt bislang auf einem im internationalen Vergleich sehr niedrigen Niveau: Die Pharmaausgaben pro Kopf werden sich laut Fitch Solutions von etwas mehr als 48 US$ im Jahr 2018 auf 53 US$ im Jahr 2023 und auf 77 US$ im Jahr 2028 erhöhen.

Der marokkanische Arzneimittelmarkt ist verhältnismäßig klein, wächst jedoch mit einer hohen Geschwindigkeit. Die Dynamik erhält der Markt allerdings nicht über hochpreisige, neue Arzneimittel, sondern über die Grundversorgung zu niedrigen Kosten. Die marokkanische Pharmaindustrie gilt daher als "Pharmerging". Gleichzeitig ist sie dabei, einen Durchbruch auf weiteren afrikanischen Märkten zu erzielen. Mit 40 Fabriken, die etwa 10 Prozent ihrer Fertigung exportieren, ist Marokko der zweitgrößte Produzent auf dem Kontinent.

Marokkanische Hersteller expandieren in Afrika

Die Coronakrise könnte eine Gelegenheit für das Königreich darstellen, international wettbewerbsfähiger zu werden. Im französischsprachigen Afrika sind marokkanische Arzneimittel bereits positioniert. Beispielsweise sind die Unternehmen Pharma 5, Cooper Pharma oder Sothema in Senegal, der Elfenbeinküste oder Ruanda aktiv. Auch wurden Kooperationspartnerschaften mit Ländern südlich der Sahara geschlossen.

Fitch Solutions geht davon aus, dass Marokkos Pharmaeinfuhren im Jahr 2020 etwa 650,7 Millionen US$ erreicht haben. Das wären rund 25 Millionen US$ mehr als im Vorjahr. Der UN-Comtrade-Statistik zufolge importierte das Königreich 2019 Arzneimittel der SITC-Position 54 im Wert von 763,9 Millionen US$. Lediglich französische und deutsche Lieferanten kamen dabei auf dreistellige Millionenvolumina. Sie erreichten Einfuhranteile von 23 beziehungsweise 15 Prozent. Die marokkanischen Exporte beliefen sich 2019 auf etwa 132,6 Millionen US$, wobei 55 Prozent der Lieferungen nach Frankreich gingen. Ansonsten war die Liste der Abnehmerländer breit gefächert.

Neue Herausforderungen im Inland

Ziel der Impfstoffentwicklung

Im November 2020 teilte das Gesundheitsministerium seine Hoffnung mit, bald einen Impfstoff zu 100 Prozent aus marokkanischer Herstellung präsentieren zu können. Das Institut Pasteur soll dabei eine entscheidende Rolle spielen. Das Ziel lautet, auf lokaler Ebene eine Selbstversorgung zu erreichen. Zusätzlich könne die wachsende Nachfrage auf afrikanischer Ebene befriedigt werden. Der Weg dahin ist Branchenvertretern zufolge noch lang. Technologietransfer und Finanzierung müssten organisiert werden. Pressemeldungen zufolge hat die Europäische Union Bereitschaft signalisiert, sich an dem Projekt zu beteiligen.

Größerer Versicherungsschutz

Trotz Verbesserungen in der medizinischen und sozialen Absicherung Marokkos haben immer noch mehr als 30 Prozent der Bevölkerung keine Krankenversicherung. Im Jahr 2009 wurde das Régime d‘Assistance Médicale (RAMED) ins Leben gerufen. Dies soll sozial schwachen Bevölkerungsschichten den Zugang zu einer Basisversorgung ermöglichen. Laut Gesundheitsministerium waren im September 2020 rund 14,5 Millionen Einwohner über Ramed abgedeckt.

Anfang April 2021 hat Marokko einen Entwurf eines Rahmengesetzes zum Sozialschutz verabschiedet. Das Hauptziel lautet, die obligatorische Grundkrankenversicherung (Assurance Maladie Obligatoire; AMO) bis 2022 zu verallgemeinern. Die Versicherung deckt die Kosten für Behandlung, Medikamente und Krankenhausaufenthalt ab. Es besteht die Hoffnung, dass weitere 22 Millionen Marokkaner davon profitieren werden.

Legalisierung von medizinischem Hanf

Die marokkanische Regierung hat im März 2021 eine Gesetzesvorlage verabschiedet, die Cannabis für medizinische, kosmetische und industrielle Zwecke legalisiert. Eine nationale Regulierungsbehörde soll die Steuerung des landwirtschaftlichen und industriellen Kreislaufs in festgelegten Zonen regeln. Das marokkanische Innenministerium rechnet damit, dass der Markt für medizinisches Cannabis in den nächsten Jahren um 30 Prozent wachsen wird. Für Europa wird das Steigerungspotenzial sogar bei 60 Prozent gesehen.


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