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Neue Energiepolitik ändert Prioritäten

Japans Dekarbonisierungsziel bis zum Jahr 2050 erfordert tiefe Veränderungen der Energieerzeugung sowie -nutzung, soll die Versorgungssicherheit nicht gefährdet werden.

Von Jürgen Maurer | Tokyo

Japans Regierung hat im Juni 2021 zwei White Paper zu Energiefragen und zum Umweltschutz verabschiedet. Der Fokus liegt auf dem im Oktober 2020 erklärten Ziel einer dekarbonisierten Gesellschaft bis zum Jahr 2050. Laut dem neuen Zwischenziel sollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 46 Prozent im Vergleich zum Fiskaljahr 2013 verringert werden. Zuvor hatte die Regierung noch eine Reduktion um 26 Prozent anvisiert.

Auf Basis der White Paper hat das Wirtschaftsministerium am 18. Juni 2021 die “Green Growth Strategy through Achieving Carbon Neutrality by 2050” überarbeitet, die im Dezember 2020 erstmals formuliert worden war. Um das Dekarbonisierungsziel zu erreichen, sind Maßnahmen in 14 Industriebereichen vorgesehen. Im Vergleich zur ersten Version bekommt der Energiebereich nun mehr Aufmerksamkeit.

Fossile Energien bleiben wichtiger Pfeiler

Erneuerbare Energien werden eine größere Bedeutung erhalten. Die Regierung hat schon verkündet, dass sie bis zum Jahr 2050 mehr als 50 Prozent der Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen gewinnen will. Konkret nennt das Papier den Ausbau der Offshore-Windkraft sowie der Solarenergie und Geothermie. Wasserstoff und Ammoniak als Kraftstoff sowie Nuklearenergie werden ebenfalls erwähnt.

Was neu aufgenommen wurde, ist die nächste Generation thermischer Energieanlagen. Alte Kohlekraftwerke sollen ausgemustert und durch leistungsfähige Anlagen in Verbindung mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung ersetzt werden. Da Japan selbst über nur wenige Speichermöglichkeiten verfügt, stehen Technologien für das Recycling von Kohlenstoff im Vordergrund.

Vorangetrieben werden soll die Methanisierung. Hierbei wird synthetisches Methangas aus Kohlendioxid in Verbindung mit Wasserstoff erzeugt. Dadurch soll es langfristig möglich werden, die Gasversorgung bis 2050 zu dekarbonisieren. Ziel ist es, dann 90 Prozent der inländischen Gasversorgung durch synthetisches Methangas und den Rest durch Wasserstoff und Kraftstoff-Ammoniak bereitzustellen.

Turbinen für Mischfeuerung sind in der Entwicklung. Das Ziel der Regierung ist es, bis 2030 eine Ko-Feuerung von 20 Prozent Ammoniak in Kohlekraftwerken zu erreichen. In Gaskraftwerken ist gegenwärtig bereits eine Beimischung von 30 Prozent Wasserstoff möglich. Turbinen für den Einsatz von 100 Prozent Wasserstoff werden derzeit getestet. Um langfristig grünen Wasserstoff bereitstellen zu können, will Japan in den nächsten Jahrzehnten in eine Wasserstoffinfrastruktur investieren. 

Erneuerbare Energien rücken in den Vordergrund

Die vorhandenen Kapazitäten für die aus erneuerbaren Quellen erzeugte Energie waren in Japan Ende 2020 laut der International Renewable Energy Agency im Solarbereich mit 67 Gigawatt am umfangreichsten ausgebaut. Die Wasserkraft rangiert an zweiter Stelle. Im Windbereich lagen die Kapazitäten bei 4,2 Gigawatt, für Bioenergie bei 1,5 Gigawatt und für Geothermie bei 0,5 Gigawatt. Dabei kommt die Windenergie bislang fast ausschließlich von Onshore-Anlagen. Die Offshore-Windenergie soll bis 2030 auf 10 Gigawatt ausgebaut werden.

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Andere erneuerbare Energiequellen sollen ebenfalls angezapft werden. Japan hat ein Potenzial von 23,4 Gigawatt geothermischer Energieerzeugung, jedoch sind gegenwärtig nur 525 Megawatt an Kapazitäten installiert. Geothermie-Anlagen haben gegenüber Sonne und Wind den Vorteil, dass sie eine stabilere Energieproduktion rund um die Uhr ermöglichen und einen Nutzungsgrad von über 70 Prozent erreichen.

Nachdem seit Jahren keine neuen Kapazitäten zugebaut wurden, kommt nun Bewegung in den Bereich. Der Verwaltungsreformminister Taro Kono will, dass die Zahl der geothermischen Stromerzeugungsanlagen bis 2030 verdoppelt wird. Da Geothermie-Gebiete häufig in Naturparks zu finden sind, müssen die Regularien für die Installation solcher Anlagen geändert werden.

Bislang noch ungenutzte Energiequellen erschließen

In der grünen Wachstumsstrategie nicht genannt ist etwa die Bioenergie, obwohl hier einige Kapazitäten bereits installiert sind. Japan setzt bei Biomasse bislang vor allem auf Palmkernschalen, die aus Südostasien importiert werden. Zudem bestehen einige Anlagen zur Verwertung von Holzabfällen. Diese werden zum Teil eingeführt oder stammen aus einheimischem Waldbestand.

Darüber hinaus bietet der Archipel aufgrund der geographischen Begebenheiten ein großes Potenzial für Gezeitenkraftwerke, das bislang noch ungenutzt ist. Japan hat eine erste Anlage für Gezeitenenergie in der Nähe von Goto Island in der Präfektur Nagasaki installiert. Deren Testphase startete Anfang 2021. In der Meerenge soll eine Geschwindigkeit der Gezeitenströmung von 3 Meter pro Sekunde erreicht werden. Die Ausrüstung der Gezeitenanlagen kommt von einem britischen Anbieter.

Für den Ausbau von Offshore-Windkraft muss das Land ebenfalls weitgehend auf ausländische Hersteller setzen, da sich fast alle einheimischen Anbieter aus dem Bereich zurückgezogen haben. Um modernste Technologie einsetzen zu können, will Japan daher seine internationale Kooperation ausweiten.

Nuklearenergie ist nicht abgeschrieben

Um die Sicherheit der Energieversorgung zu erhöhen, setzt Japan auf die Entwicklung neuer technologischer Lösungen. Für das Langfristziel der Dekarbonisierung wird dabei die Nuklearenergie weiter eine Rolle spielen. Modernere Brutreaktoren, kleine modulare Reaktoren (SMR - Small Modular Reactors) und nicht zuletzt Fusionsreaktoren, an deren Erforschung Japan im ITER-Projekt (International Thermonuclear Experimental Reactor) beteiligt ist, werden in Betracht gezogen. 

Nach der Fukushima-Katastrophe 2011 wurden zunächst alle Nuklearkraftwerke abgeschaltet. Mehrere Anlagen haben inzwischen nach umfangreichen Sicherheitstests eine neue Betriebsgenehmigung erhalten. Jedoch sind einige Atommeiler auf Dauer stillgelegt und neue gegenwärtig nicht im Bau. Daher wird der Anteil von Atomstrom auf unbestimmte Zeit deutlich unter dem Vor-Fukushima-Niveau bleiben.

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