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Branchen | Estland | Windenergie

Offshore rückt in den Mittelpunkt

Estland nimmt Windenergie stärker in den Fokus. Die neue Regierung hat die Chancen erkannt. Während Onshore nur langsam ausgebaut wird, nehmen Offshore-Projekte Fahrt auf. 

Von Niklas Becker | Helsinki

Im November 2021 startete die bisher größte Auktion für erneuerbare Energien (EE) in Estland. 450 Gigawattstunden (GWh) erneuerbarer Strom sollen dadurch zukünftig in das Netz fließen. Zuständig für die Umsetzung der Auktion ist der estnische Übertragungsnetzbetreiber Elering. Angebote können noch bis zum 1. Juni 2022 abgegeben werden. Wer den Zuschlag erhält, muss den versprochenen grünen Strom spätestens ab dem 1. Januar 2026 liefern. Estlands Wirtschaftsministerium kündigte für 2023 eine noch größere Auktion an, sie soll 650 GWh erneuerbaren Strom umfassen.

Bei Onshore herrscht Flaute

Die beiden EE-Auktionen werden Estland ein Schritt näher in Richtung seiner Klimaziele 2030 bringen. Dem nationalen Energie- und Klimaplan (NECP) zufolge, der 2019 verabschiedet worden ist, soll der EE-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch 2030 bei 40 Prozent liegen. 2019 waren es nach Zahlen von Eurostat etwa 22 Prozent. Der Großteil des Stroms in Estland wird aus Ölschiefer gewonnen (2019: 56 Prozent). Dem Land steht damit ein großer Strukturwandel bevor. Gelingen soll dieser unter anderem durch den Ausbau der Windenergie. Besonders Offshore-Windkraftanlagen stehen im Fokus. 

Damit 2030 das Ziel erreicht werden kann, muss die Entwicklung der Windenergie deutlich beschleunigt werden. In den vergangenen Jahren ist der Ausbau nur sehr langsam vorangekommen. So wurde seit 2016 lediglich ein einziger Windpark mit einer Kapazität von 10 Megawatt (MW) eröffnet. Insgesamt verfügt Estland nach Zahlen des heimischen Windenergieverbandes (Eesti Tuuleenergia Assotsiatsioon) über rund 320 MW Windkraftkapazitäten. Aufgrund rechtlicher Konflikte mit militärischen Radaranlagen und Naturschutzgebieten steht die Entwicklung im Onshorebereich quasi still. 

Staatsunternehmen will in Windkraft investieren

Positive Nachrichten verkündete Enefit Green, die Tochter des staatlichen Energieunternehmens Eesti Energia. Im März wurde die Übernahme des Windenergieentwicklers Raunistal bekannt gegeben. Damit wird Enefit Green das Onshore-Windparkprojekt Purtse von Raunistal in Ida-Virumaa fertigstellen. Fünf Windturbinen mit einer Gesamtkapazität von 20 MW sollen dort ab 2023 Strom erzeugen. Im Herbst 2021 ist Enefit Green an die Börse gegangen. Durch die Ausgabe neuer Stammaktien konnte das Unternehmen 100 Millionen Euro Kapital einsammeln. Diese sollen vor allem in neue EE-Anlagen investiert werden. Bis 2025 will Enefit Green seine EE-Kapazitäten um das 2,3-fache auf insgesamt 1,1 Gigawatt (GW) erhöhen.

Im September 2021 hatte das Unternehmen bereits berichtet, einen Kredit in Höhe von 130 Millionen Euro aufgenommen zu haben. Die Gelder sollen für den Bau neuer Windfarmen genutzt werden. Der Mutterkonzern Eesti Energia hatte bereits Anfang 2020 die Auktion für ein 160 Hektar großes Windparkgebiet in Tootsi gewonnen. Nach Angaben des Unternehmens könnte es jederzeit mit dem Bau der Onshore-Windkraftanlagen beginnen. Derzeit gibt es jedoch unterschiedliche Auffassungen über die Höhe der Förderung mit Elering. Das Projekt liegt daher auf Eis und die beiden Parteien streiten sich vor Gericht.

Neue Regierung könnte stärkere Akzente setzen

Aussagen der estnischen Regierung, die seit Anfang 2021 im Amt ist, deuten darauf hin, dass sie den Ausbau des Windenergiesektors stärker forcieren will. So sieht ihr Koalitionsvertrag ehrgeizigere Ziele bei den erneuerbaren Energien vor. Besonders Offshore-Windprojekte sollen stärker gefördert werden. Unter anderem will die Regierung europäische Fördermittel für die Umsetzung eines gemeinsamen Ostseewindparks mit dem Nachbarland Lettland einsetzen. Noch im 1. Quartal 2022 wird zudem die Genehmigung der Regierung für einen neuen maritimen Raumplan erwartet. Dieser soll mehr Offshore-Windparks zulassen.

Ein weiterer Schritt der neuen estnischen Regierungskoalition ist die Überarbeitung des NECP. Die neue Version wird im Jahresverlauf 2022 erwartet. Die EE-Beratungsfirma BLIX vermutet, dass diese auch einen Fahrplan für die Entwicklung des Offshore-Windenergiesektors haben wird. 

Das Potenzial für Windkraftanlagen in der estnischen Ostsee gilt als sehr hoch. So führt der internationale Branchenverband für die Windenergiebranche Global Wind Energy Council (GWEC) das baltische Land in seinem Global Offshore Report 2021 als einen der fünf Repräsentanten mit hohem Offshore-Windpotenzial. 

Estland zählt zu den acht Ländern der Europäischen Union mit Zugang zur Ostsee, die im September 2020 eine gemeinsame Erklärung mit der Europäischen Kommission unterzeichnet haben, um die Entwicklung der Offshore-Windenergie in der Region zu beschleunigen. Laut einem im Juni 2019 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Bericht belaufen sich die potenziellen estnischen Offshore-Windressourcen auf 7 GW. 

Erste Studien werden durchgeführt

Nach Angaben von GWEC befinden sich in Estland derzeit Offshore-Windprojekte mit einer Gesamtkapazität von mehr als 12 GW in verschiedenen Entwicklungsstadien. Zu den am weitesten entwickelten zählt die Saaremaa Wind Farm von Saare Wind Energy. Das Unternehmen hat im Frühjahr 2021 mit der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) begonnen und erwartet im Jahresverlauf 2023 grünes Licht für den Start des Projekts. 2028/2029 soll der erste Strom fließen, die geplante Kapazität beträgt 1,4 GW. 

Ähnlich weit fortgeschritten ist das Liivi-Offshore-Windparkprojekt von Eesti Energia im Golf von Riga. Im Oktober 2021 gab das Unternehmen die UVP in Auftrag. Der Windpark soll vor 2030 fertiggestellt werden und dann jährlich 4 Terawattstunden (TWh) Strom produzieren. 

Im September 2021 verkündeten Estlands und Lettlands Regierung den nächsten Schritt für ihr gemeinsames Offshore-Projekt. Die estnische Firma Hendrikson & KO und die niederländische Firma Pondera Consult erhielten den Zuschlag für die Durchführung der Machbarkeitsstudie zur Vorauswahl geeigneter Gebiete für den Windpark. Bis 2030 soll in der Rigaer Bucht ein Windpark mit einer Kapazität von 0,7 bis 1 GW entstehen.

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