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Branchen | Russland | Medizintechnik

Russlands Hersteller von Medizintechnik bauen Kapazitäten aus

Die Regierung erhöht die Ausgaben für das Gesundheitswesen. Zugleich steigt der Lokalisierungsdruck. Produzenten errichten neue Werke und wollen neue Krankenhäuser ausrüsten.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Russlands Gesundheitswesen leidet an der Schließung medizinischer Einrichtungen, der Abwanderung von Fachkräften und an chronischer Unterfinanzierung. Dabei steigt mit zunehmender Alterung der Bevölkerung der Bedarf an medizinischer Versorgung. Trotz Coronapandemie hat die Regierung das Budget für die Gesundheitsversorgung im Haushalt bis 2023 gekürzt. Für 2021 stehen mit 12,8 Milliarden Euro rund 11 Prozent weniger Mittel als im Vorjahr zur Verfügung. Die dritte Welle der Coronapandemie zwingt die Regierung jedoch zum Nachsteuern. Mitte Juni 2021 stellte Ministerpräsident Michail Mischustin für die Neuausstattung von 84 Laboratorien und Infektionsstationen rund 68 Millionen Euro bereit.

Modernisierung der medizinischen Grundversorgung im Fokus

Seit Januar 2021 läuft das „Programm zur Modernisierung der medizinischen Grundversorgung“. Rund 13.000 Kliniken sollen neu gebaut oder saniert, 88.000 medizinische Geräte beschafft sowie 19.000 Krankenwagen geordert werden, kündigte Gesundheitsminister Michail Muraschko an. Bis 2025 stehen umgerechnet 6,3 Milliarden Euro bereit, davon rund 1,2 Milliarden Euro für 2021.

Im bis 2024 laufenden nationalen Projekt „Gesundheitsfürsorge“ steht der Kampf gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs im Mittelpunkt. Im Jahr 2021 werden rund 3,4 Milliarden Euro für Krebsbehandlungen ausgegeben  - 11,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Fokus steht die Früherkennung von Tumoren. Mit der „Strategie zur Entwicklung des Gesundheitswesens bis 2025“ soll zudem die Palliativversorgung verbessert und der Ausbreitung von Infektionskrankheiten vorgebeugt werden.

Die Coronapandemie hat Russland weiterhin fest im Griff. In 25 Regionen gibt es aktuell keine Krankenhäuser für Infektionskrankheiten. Mit einem Programm zur Modernisierung der Bekämpfung von Infektionskrankheiten sollen für rund 2,3 Milliarden Euro 82 neue Infektionskliniken errichtet werden.

Lokalisierungsanforderungen an Medizintechnik steigen

Die Regierung erhöht bei Medizintechnik stetig die Lokalisierungsvorgaben. Bisher hat das Land seine Ziele bei der Importsubstitution von medizinischen Produkten jedoch verfehlt. Seit 2015 haben sich die Einfuhren sogar verdoppelt. Während der Coronapandemie wurden vor allem Beatmungsgeräte aus China, Deutschland und den USA importiert.

Das Industrieministerium schlug Mitte Mai 2021 - analog wie bereits bei Kfz und Landmaschinen - die Einführung eines Punktesystems zur Bestimmung der Herkunft eines medizinischen Geräts „Made in Russia“ vor. Lokale Hersteller erhalten Punkte für die Verwendung russischer Komponenten und Software. Die Vergabe hängt ab von der Gerätekategorie, der Anzahl der verwendeten lokal gefertigten Bauteile, der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im Land sowie den technologischen Schritten, die in Russland vollzogen werden. Gleichzeitig zur Anhebung der Lokalisierungstiefe soll der wertmäßige Anteil von importierten Bauteilen sinken.

Punktesystem zur Bestimmung des Lokalisierungsgrades

Produktbezeichnung

2021

2022

2023

Computertomographen

80

95

110

Mammographen

70

85

100

Röntgengeräte

70

85

100

Elektrokardiographen

70

85

100

Ultraschallgeräte

60

70

85

Pulsoximeter

50

70

90

Kardiographische Elektroden

40

60

80

Automatische externe Defibrillatoren

50

70

90

PCR-Verstärker

70

85

100

Luftbefeuchter

50

70

90

Beatmungsgeräte

65

80

95

Verbrauchsmaterialien für Beatmungsgeräte

60

75

85

Quelle: Vademecum

In der Praxis gestaltet sich die Steigerung der Lokalisierungstiefe jedoch sehr aufwändig. Häufig ist die lokale Komponentenbasis nur unzureichend entwickelt und es mangelt an Fachkräften. In seiner Rede zur Lage der Nation im April 2021 kündigte Präsident Wladimir Putin an, bis 2024 rund 5.000 Krankenwagen zur Versorgung ländlicher Gegenden zur Verfügung zu stellen. Da selbst lokale LCV-Produzenten die strengen Anforderungen nicht erfüllen können, will das Industrieministerium beim Lokalisierungsgrad jedoch die Messlatte senken.

Medizintechnikhersteller investieren in lokale Produktion

Der Anteil russischer Hersteller am einheimischen Medizintechnikmarkt belief sich 2020 auf 28,8 Prozent. Bis 2024 soll er auf ein Drittel steigen. Mit der „Strategie zur Entwicklung der verarbeitenden Industrie bis 2035“ will die Regierung den Ausstoß von Medizintechnik auf etwa 4,1 Milliarden Euro vervierfachen. Die Schwabe-Holding (gehört zu Rostec) will ab März 2022 die Serienproduktion von Sauerstoffkonzentratoren starten. Die Rostec-Tochter Motovilichinskyje Zavody in der Region Perm will ab 2022 medizinischen Sauerstoff herstellen.

OOO Elme Messer Rus (gehört zur Messer Group) plant den Bau eines Werks zur Produktion von Industrie- und Medizingasen im Gebiet Pskow. Das Nowosibirskij Priborostroitelnyj Zavod (NPZ, gehört zu Rostec) setzt bei der Fertigung von Beatmungsgeräten auf Masken für die nicht-invasive Beatmung der Drägerwerk AG.

Rusatom Healthcare und GE Healthcare stecken bis 2022 rund 7,2 Millionen Euro in die Lokalisierung der Herstellung von Computertomographen in Moskau. Philips vereinbarte im Juni 2021 mit dem Unternehmen Elekta die gemeinsame Entwicklung von Lösungen zur adaptiven Strahlentherapie und der Magnetresonanztomographie (MRT). Bereits im April schloss Philips mit der Amiko-Gruppe eine Vereinbarung zur lokalen Fertigung von Magnetresonanztomographen im Gebiet Moskau.

Aktuelle Investitionsprojekte zur Produktion von Medizintechnik

Projekt/Region

Investitionssumme (in Mio. Euro)

Geplante Fertigstellung

Projektbetreiber

Aufbau des Medizintechnik-Clusters „Baltijskaja Dolina – Humantech“ / Gebiet Kaliningrad

128,4

2024

Regierung des Gebiets Kaliningrad

Aufbau einer Produktion von Verbrauchsmaterialien für Beatmungsgeräte / Sonderwirtschaftszone Technopolis, Moskau

19,3

2023

NPO Penta Group (gehört zur Firmengruppe Mediana)

Aufbau einer Produktion von medizinischen Gasen / Sonderwirtschaftszone Kumertau, Republik Baschkortostan

6,8

2025

Baschkirskyje Kryogennye Technologii, Gorki-Str. 11, 453366 Kumertau

Aufbau einer Produktion von Blutentnahmesystemen / Sonderwirtschaftszone Titanowaja Dolina, Gebiet Swerdlowsk

5,1

2023

Otdel Medicinskykh Tekhniki (OMT)

Erweiterung der Produktion von Röntgengeräten / Sankt Petersburg

3,5

2023

NIPK Elektron

Aufbau einer Produktion von Medizinprodukten für die Proktologie / Sonderentwicklungsgebiet Linewo, Gebiet Nowosibirsk

3,4

2023

OOO Gallant, Tel: +7 (383) 220-09-10

Aufbau einer Produktion von Kompressionswäsche / Sonderwirtschaftszone Dobrograd-1, Gebiet Wladimir

2,7

2022

OOO Inteks, Bulvar Zvezdnyj 2, 601967 Dobrograd

Ausbau der Produktion von Sorptionstechnologien zur Blutwäsche / Technopark Skolkowo, Moskau

2,3

2022

AO Efferon

Ausbau der Produktion von Infusionssystemen, Kathetern und Spritzen / Sonderwirtschaftszone Dubna, Moskau

1,7

k.A.

Pascal Medical

Bau einer Produktion von Schnelltests zur Diagnostik von Infektionskrankheiten / Sonderwirtschaftszone Dubna, Moskau

0,9

k.A.

White Service

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Bau zahlreicher medizinischer Einrichtungen geplant

Neue Projekte zum Bau von Krankenhäusern steigern den Bedarf an Medizintechnik. Da der Großteil durch die öffentliche Hand finanziert wird, haben einheimische Anbieter gute Chancen. Ausländische Anbieter müssen hingegen einen Teil ihrer Wertschöpfung lokal erbringen, um an Ausschreibungen teilnehmen zu können. In den Jahren 2019 und 2020 waren Unternehmen der Staatsholding Rostec die größten Auftragnehmer bei der Ausrüstung medizinischer Einrichtungen. Das Vertragsvolumen belief sich auf rund 220 Millionen Euro. Der Großteil der Aufträge ging an das Uraler Jalamow-Optikwerk.

Die Regierung stellte Ende Mai 2021 rund 20 Millionen Euro für die Fertigstellung von Kinder- und Onkologie-Krankenhäusern in den Gebieten Kaliningrad, Samara oder Uljanowsk bereit. Die Klinikkette Medsi und die VEB-Bank stecken bis 2025 rund 68 Millionen Euro in den Bau von drei Polikliniken und einer Notfallstation in den Regionen Kemeworo, Nischni Nowgorod und im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen.

Aktuelle Investitionsprojekte im russischen Gesundheitswesen

Projekt/Region

Investitionssumme (in Mio. Euro)

Geplante Fertigstellung

Projektbetreiber

Bau eines Medizinclusters, u.a. Erweiterung des Uraler Mutter-Kind Forschungsinstituts (NII OOM) / Gebiet Swerdlowsk

340,9

2026

Regierung des Gebiets Swerdlowsk

Bau eines Infektionskrankenhauses / Kolpino

340,9

k.A.

Regierung von Sankt Petersburg, VTB Infrastrukturni Holding (gehört zur VTB Bank)

Bau von 15 Gesundheitseinrichtungen, u.a. Polikliniken und Rehazentren / Gebiet Sachalin

245,5

Geplant über ÖPP

Regierung des Gebiets Sachalin, VEB.RF

Bau eines Onkologiezentrums / Gebiet Nowosibirsk

125

k.A.

Medinvestgroup

Bau einer Kinderklinik / Krasnogorsk, Gebiet Moskau

116,5

2024

Regierung des Gebiets Moskau

Bau eines Kinderkrankenhauses / Gebiet Tomsk

90,9

k.A.

Regierung des Gebiets Tomsk, Projektierung: Giprosyntez

Bau eines Kinderrehazentrums / Gebiet Nowosibirsk

86,4

2024

OOO Sibirjak

Bau eines Zentrums für Kinderchirurgie / Gebiet Rostow

83,0

2024 (1. Etappe), 2026 (2. Etappe)

GK EKS

Bau eines Krankenhauses / Region Kamtschatka

78,4

2023

Crocus International

Bau einer Radiologieabteilung im Ostsibirischen Onkologiezentrum / Gebiet Irkutsk

68

2022

Rusatom Healthcare (gehört zu Rosatom)

Bau eines Radiologiezentrums und einer Chirurgiestation im Zentralkrankenhaus von Novy Urengoj / Autonomer Kreis der Jamal-Nenzen

62,5

2024

Regierung des Autonomen Kreises der Jamal-Nenzen

Erweiterung des Zentrums für Protonentherapie / Sankt Petersburg

58

k.A.

Sergej Berjosin-Institut

Bau einer Geburtsklinik / Region Altai

45,5

2022

Regierung der Region Altai

Bau eines Chirurgiezentrums in der Gebietskinderklinik / Gebiet Tscheljabinsk

45,5

2023

Regierung des Gebiets Tscheljabinsk

Bau eines Chirurgiezentrums im Krebszentrum / Region Altai

39,8

2025

Regierung der Region Altai

Bau eines Kinderkrankenhauses / Gebiet Archangelsk

37,5

2022

PromStrojService, Tel: +7 (911) 555-64-77

Bau eines Kinderkrankenhauses / Region Stawropol

36,4

2022

OOO Magistral

Bau eines Infektionskrankenhauses / Region Perm

23,9

2023

OOO ZhBK Stroj, Tel: +7 (965) 562-66-67

Bau eines Zentrums für Kinder-Onkohämatologie / Republik Baschkortostan

17,1

2024

Regierung der Republik Baschkortostan

Bau eines Labor- und Diagnosegebäudes im städtischen Onkologiezentrum / Gebiet Pensa

12,5

2024

Schwabe Holding (gehört zu Rostec)

Bau von 3 Polikliniken und eines Krankenhauses / Region Primorje

12,5

2023/2024

Regierung der Region Primorje

Bau eines Rehazentrums / Region Chabarowsk

11,4

2023

Premium Stroy-Invest

Modernisierung der Klinik Wladimirski-Institut (MONIKI) / Moskau

11,4

Baubeginn: Ende 2021

European Medical Center

Bau eines Herzchirurgiezentrums / Gebiet Amur

8,6

Baubeginn: 2022

Regierung des Gebiets Amur

Bau eines Zentrums für chronische Krankheiten / International Medical Cluster Skolkowo, Moskau

k.A.

2023

Hadassah Medical Center (Israel)

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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