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Subventionen päppeln Russlands Schiffbau auf

Russland erhöht die Subventionen für den einheimischen Schiffbau. Leasingprogramme und Abwrackprämien für Reedereien sollen die Auftragsbücher der Werften füllen.

Von Gerit Schulze | Moskau

Der Schiffbau gehört seit einigen Jahren zu den Industriezweigen, die besonders im Fokus der Wirtschaftspolitik stehen. Mit der Entwicklungsstrategie bis 2035 hat die russische Regierung den Rahmen für die Branche gesetzt. Bis dahin sollen die Werften ihr Produktionsvolumen mehr als verdoppeln. Durch massive Modernisierung der Anlagen will das Industrieministerium die Produktivität verbessern. Der Anteil lokaler Wertschöpfung bei zivilen Schiffsbauten, der bislang erst rund 30 Prozent erreicht, soll auf 75 Prozent steigen.

Das Ministerium für Industrie und Handel plant, bis 2035 über 1.000 zivile Schiffe im Land zu bauen. Ein Drittel davon kann mit staatlichen Subventionen rechnen. Die nötigen Gesamtinvestitionen schätzt die Behörde auf 64 Milliarden Euro. Derzeit befinden sich etwa 400 Schiffe in verschiedenen Phasen der Realisierung.

Binnenschiffe sollen mehr Fracht und Passagiere befördern

Die neuen Schiffe werden gebraucht, denn Russland will mehr Güter und Passagiere auf seinen Wasserwegen befördern. Das bekräftigte Vize-Transportminister Alexander Poschiwai im September 2021 auf der Schiffbaumesse Neva in Sankt Petersburg. Nach seinen Angaben werden bislang nur 2 Prozent der Frachtmenge auf den Binnenschifffahrtswegen transportiert. In den USA liege der Anteil bei 11 Prozent, in China bei 8 Prozent. Daran will sich das Land orientieren. Große Infrastrukturprogramme wie der Bau von Schleusensystemen und Fahrrinnenvertiefungen sollen den Schiffsverkehr attraktiver machen. Eine aktuelle Analyse des Marktforschers Infoline geht davon aus, dass Russlands Binnenschifffahrt bis 2030 etwa 4.000 neue Wasserfahrzeuge benötigt.

Das wäre ein enormes Konjunkturprogramm für die einheimische Werftenindustrie. Laut Poschiwai müsste die Flotte grundlegend erneuert werden. Das Durchschnittsalter der Flussschiffe liegt bei über 40 Jahren. Poschiwais Amtskollege Oleg Rjasanzew vom Ministerium für Industrie und Handel erklärte auf der Messe, dass Russland beim Neubau von Schiffen auch auf alternative Antriebsarten auf Basis von Flüssiggas oder Wasserstoff sowie auf Elektroantriebe setzt. Außerdem sollen autonom fahrende Schiffe entwickelt werden. Dafür hat das russische IT-Unternehmen Sitronics-KT bei der Messe Neva eigene Technologieentwicklungen vorgestellt.

Geld aus dem Wohlstandsfonds für die Werften

Das Industrie- und Handelsministerium rechnet damit, dass zwischen 2021 und 2026 in Russland 102 große Schiffe gebaut werden, darunter Eisbrecher, Offshore-Plattformen, Tanker und Trawler. Die größten Projekte werden in Sankt Petersburg und in der neuen Großwerft Swesda im Fernen Osten realisiert.

Geplante große Schiffsneubauten in Russland (2021 bis 2026)

Schiffsart

Projektname

Anzahl

Werft, Standort

Atomeisbrecher

22220

3

Baltijski sawod, Sankt Petersburg

Eisfeste Ölbohrinsel für die Karasee

LSP A

1

Kaspijskaja Energija (KNRG), Astrachan

Eisfeste selbstbewegende Plattform für die Erkundung der Arktisregion

LSP 00903

1

Admiralitejskie werfi, Sankt Petersburg

Fang- und Gefriertrawler

ST-192RFC

10

Admiralitejskie werfi, Sankt Petersburg

Gefriertrawler

5670WSD

1

Schiffswerft Jantar, Kaliningrad

Gefriertrawler

170701

10

Sewernaja werf, Sankt Petersburg

Langleinen-Fischereischiff

ST 155-L (МТ1112XL)

4

Sewernaja werf, Sankt Petersburg

Krabbenfangschiff

5712LS/P

20

Onego Shipyard, Petrosawodsk

LNG-Tanker Aframax (Tragfähigkeit 114.000 t)

114K

11

Schiffswerft Swesda, Bolschoi Kamen

LNG-Tanker MR (Tragfähigkeit 51.000 t)

MR

3

Schiffswerft Swesda, Bolschoi Kamen

Shuttle-Tanker (Tragfähigkeit 69.000 t)

AST69K

1

Schiffswerft Swesda, Bolschoi Kamen

Shuttle-Tanker (Tragfähigkeit 42.000 t)

AST42K

9

Schiffswerft Swesda, Bolschoi Kamen

LNG-Tanker für das Projekt Arctic LNG 2 (Tragfähigkeit 172.000 cbm)

-

15

Schiffswerft Swesda, Bolschoi Kamen

Eisbrecher und Versorgungsschiff

IBSV10022

4

Schiffswerft Swesda, Bolschoi Kamen

Passagierschiff

А45-90.2

2

Sredne-Newski Schiffswerft, Sankt Petersburg

Havarie- und Rettungsschiff

MPSV12

1

Newski Schiffswerft, Schlisselburg

Auto- und Eisenbahnfähre der Eisklasse Arc4

CNF19M

2

Newski Schiffswerft, Schlisselburg

Fracht- und Passagierfähre

PV22

1

Newski Schiffswerft, Schlisselburg

Flusskreuzfahrtschiff

PV300VD

1

Lotos-Schiffswerft, Astrachan

Auto- und Frachtfähre der Eisklasse Arc5

CNF11CPD (00300)

2

Amurski Schiffswerft, Komsomolsk-na-Amure

Quelle: Ministerium für Industrie und Handel (Präsentation am 21. September 2021 auf der Schiffbaumesse Neva)

Leasing zielt vor allem auf einheimische Schiffe

Die ambitionierten Pläne unterstützt der Staat mit großzügigen Förderprogrammen. Industriepolitiker Rjasanzew verwies auf das Schiffsleasing, für das im Zeitraum 2023 bis 2028 jedes Jahr 5 Milliarden Rubel vorgesehen sind - also insgesamt 30 Milliarden Rubel. Zwischen 2020 und 2021 flossen bereits fast 20 Milliarden Rubel. Das Industrieministerium findet das zu wenig und verhandelt deshalb aktuell mit dem Finanzministerium über zusätzliche 100 Milliarden Rubel (1,2 Milliarden Euro, Wechselkurs der EZB am 27. September 2021: 1 Euro = 85,00 Rubel) aus dem Nationalen Wohlfahrtsfonds. Bis 2030 könnte dadurch der Bau von mehr als 300 Schiffen gefördert werden.

Außerdem stellt das Industrieministerium jährlich 3,5 Milliarden Rubel bereit, mit denen die Kreditzinsen zum Kauf neuer Schiffe subventioniert werden. Damit sollen 118 Schiffe beschafft werden. Daneben läuft ein Abwrackprogramm, das derzeit mit 500 Millionen Rubel pro Jahr ausgestattet ist, ab 2024 mit 1 Milliarde Rubel. Reedereien, die alte Schiffe gegen neue tauschen, bekommen bis zu 10 Prozent des Kaufpreises erstattet.

Voraussetzung für die Subventionen ist, dass die Schiffe aus einheimischer Produktion stammen. Dafür hat Moskau ein Punktesystem entwickelt, mit dem der Lokalisierungsgrad eines Wasserfahrzeuges bestimmt wird.

Zu den wichtigsten Auftraggebern für den russischen Schiffbau gehört die Staatliche Transportleasing-Gesellschaft GTLK. Am 1. September 2021 hatte das Unternehmen 180 Schiffe in seinem Bestand, davon 143 aus russischer Produktion. Der Fokus liegt auf Massengutfrachtern, Tankern, Schleppkähnen und Passagierschiffen. Aktuelle Aufträge umfassen unter anderem Tragflächenboote vom Typ Waldai, Schwimmbagger, Frachter und Passagierschiffe, darunter das Modell Tschaika mit LNG-Antrieb.

GTLK investiert auch in den Ausbau der Produktionskapazitäten des Schiffbaus. Im Fokus stehen dabei die Herstellung von Armaturen, Kabeln, Verbindungselementen und anderen Komponenten für die Öl- und Gasförderung im arktischen Schelf. Denn das Industrieministerium stellt im Zeitraum 2021 bis 2025 rund 57 Milliarden Rubel an Subventionen für den Bau von Flüssiggastankern zur Verfügung. Damit sollen auf der Werft Swesda im Fernen Osten mindestens 18 Wasserfahrzeuge gebaut werden. Der Schiffbaubetrieb kündigte auf der Messe an, demnächst einen Vertrag für zehn eisbrechende Tanker zu unterzeichnen, die am Ölförderprojekt Vostok Oil eingesetzt werden.

Daneben finanziert die Leasinggesellschaft GTLK die Modernisierung der Schiffswerft Schatai in Jakutien. Der Schiffbaubetrieb soll künftig in der Lage sein, zehn Flussschiffe pro Jahr für den Verkehr auf Sibiriens Strömen zu bauen, sowie weitere sechs Einheiten zu modernisieren und zwei abzuwracken.

Höhere Förderquote für Elektroantriebe

Wie Boris Kapakow, Abteilungsleiter für den Schiffbau beim russischen Industrieministerium, in Sankt Petersburg mitteilte, arbeitet sein Ressort an einem Sonderprogramm für Schiffe mit Elektroantrieb. Diese sollen höhere Förderquoten bekommen. Ein erster Elektrokatamaran vom Typ Ecocruiser sei bereits an die Verkehrsbetriebe in Moskau übergeben worden. Ähnliche Fahrzeuge könnten in Sankt Petersburg, Kasan und Nischni Nowgorod zum Einsatz kommen.

Höhere Zuschüsse von bis zu 30 Prozent sind auch für kleine Fischfangschiffe vorgesehen. Hier rechnet Kapakow in den nächsten Jahren mit über 20 Neubauten.

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