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Branchen | Tschechische Republik | Bergbau und Rohstoffe

Tschechien prüft potenzielle Lithium-Wertschöpfungskette

Der Energiekonzern ČEZ will 2023 über den Abbau im Erzgebirge entscheiden. Die Universität für Chemische Technologie VŠCHT Prag testet ein innovatives Gewinnungsverfahren.  

Von Miriam Neubert | Prag

Bei der Weichenstellung hin zu emissionsarmer Mobilität hofft die Tschechische Republik darauf, eines der von Volkswagen geplanten Batteriezellenwerke ins Land zu ziehen, wo Volkswagentochter Škoda Auto in der Pkw-Produktion die zentrale Rolle spielt. Der deutsche Automobilkonzern will sich bis Mitte 2022 entscheiden. Es wäre eine zukunftsweisende Investition für den Kraftfahrzeugstandort Tschechien und den Transformationsprozess der gesamten Branche. Diese stemmt zusammen mit den Zulieferindustrien zwischen 7 und 10 Prozent der nationalen Bruttowertschöpfung.

Erkundung der Lagerstätte von Cínovec

Zugleich laufen auf tschechischer Seite die Vorbereitungen, um potenziell die gesamte Wertschöpfungskette mit einem solchen Projekt zu verbinden. Strategische Ressource für die Autobatteriezellenproduktion ist das Leichtmetall Lithium. Die Nachfrage danach wird mit der zunehmenden Elektromobilität rasant steigen. Im Erzgebirge nahe der Grenze zu Sachsen lagern unter dem Gebiet von Cínovec große Lithiumvorkommen, über deren kommerzielle Nutzung die mehrheitlich staatliche Energiegesellschaft ČEZ im Jahr 2023 entscheiden will.

Dem Energiekonzern gehört die Mehrheit an der tschechischen Gesellschaft Geomet, die die Erkundungs- und Abbaurechte hält. Das 2007 von vier Geologen gegründete Unternehmen erkundet die Lithiumlagerstätte unter Cínovec. Geomet geht davon aus, dass sich dort 3 bis 5 Prozent der weltweiten Reserven des Alkalimetalls befinden. Parallel läuft auch auf deutscher Seite im sächsischen Altenberg-Zinnwald ein Abbau- und Aufbreitungsvorhaben.    

Vom Zinnwaldit zum batteriefähigen Rohstoff

Es ist das Lithiumerz Zinnwaldit, das im östlichen Erzgebirge lagert und das im Untertagebau abgebaut werden könnte. Bisher lohnte sich der Abbau wirtschaftlich nicht. Doch mit steigenden Rohstoffpreisen und neuen Verfahren kann sich das ändern. Eine Machbarkeitsstudie soll laut ČEZ Mitte 2022 abgeschlossen sein. Im Jahr 2023 will der Energiekonzern entscheiden, welches Verfahren zur Gewinnung eingesetzt wird. Mit dem Abbau losgehen könnte es dann 2025. Das ist auch der Zeitpunkt, zu dem die Automobilindustrie auf der Nachfrageseite mit einem massiven Bedarf rechnet.

Aktuell erprobt die Universität für Chemische Technologie VŠCHT in Prag eine von ihr entwickelte und patentierte Technologie mit der Bezeichnung InCeMeTs. Die Abkürzung steht für Integrierte Zement-Metallurgische Technologie zur Lithiumerzeugung. Diese soll eine wirtschaftlich effiziente und weitgehend abfallfreie Gewinnung der Lithiumverbindungen aus dem Erz sicherstellen.

Die Universität hat im Sommer 2021 das Technologieforschungszentrum CirkTech eröffnet, in dem fortschrittliche mechanische und chemische Prozesse für die Kreislaufwirtschaft erforscht werden. Es gehört zum Technopark Kralupy und befindet sich auf dem Gelände des Zementherstellers Lafarge Cement im nordböhmischen Čížkovice. Herz des Forschungszentrums ist ein experimenteller Drehrohrofen.

Hochtemperatur-Technologie in der Erprobung 

Im Pilotbetrieb wird dort die tschechische Technologie überprüft. Sie beruht nach Angaben der VŠCHT auf der synergischen Integration des metallurgischen Verfahrens mit der Zementproduktion. Darüber werden Lithium und weitere wertvolle Elemente des Zinnwaldits gewonnen - zusammen mit niedrigalkalischem Klinker oder granulierter Schlacke, die wiederum gefragte Rohstoffe in der Zementproduktion sind.

Nach Aussagen des Rektors der Universität, Pavel Matějka, erlaubt das Verfahren einen universellen abfallfreien Ansatz, der sich vor allem für die Gewinnung von Metallen aus verschiedenen großvolumigen Abfällen eignet, wie beispielsweise Kunststoff, Keramik oder Asche. Es sei aber auch für das Recycling verschiedener Metalle oder die Nutzung sekundärer Rohstoffe wie Kraftwerk-Asche nutzbar. „Der enorme Vorteil ist, dass diese Technologie in den bestehenden großen Zementöfen anzuwenden sein wird, ohne wesentliche technologische Anpassungen zu erfordern“, sagte er anlässlich der Eröffnung des Forschungszentrums.

Skalierung mit europäischen Mitteln

Von den Laborbedingungen geht es 2022 zur Verarbeitung in größerem Maßstab. Für die Skalierung des innovativen Rohstoffprojekts hat das Europäische Innovations- und Technologieinstitut im November 2021 der VŠCHT und vier Konsortialpartnern (Geomet, Lafarge Cement, der deutsch-schwedischen Ingenieurgesellschaft MEAB und der Nationalen Technischen Universität Athen) rund 4,5 Millionen Euro zugesprochen. Mit diesen Mitteln will das Konsortium zwei Pilotanlagen zur Produktion von hochreinem Lithiumcarbonat und batteriefähigem Lithiumhydroxid entwerfen und bauen, die Ausgaben für das Lithiumkonzentrat sowie den pyro- und hydrometallurgischen Betrieb decken und InCeMeTs in die Phase der industriellen Implementierung heben.

Memorandum zu einer Gigafabrik

Im Sommer 2021 hatten die frühere tschechische Regierung und ČEZ ein Memorandum unterzeichnet. Dieses wurde als erster Schritt hin zu einem Batteriezellwerk für Elektroautos gewertet. Es ermöglicht den Einstieg weiterer Investoren aus der Kraftfahrzeug- oder der Akkumulatorenindustrie in das Projekt. Die Investition zielt auf eine Produktionskapazität von jährlich bis zu 40 Gigawattstunden ab, was umgerechnet rund zwei Milliarden Euro erfordert. Als möglicher Standort für das neue Werk ist das 2020 stillgelegte Braunkohlekraftwerk Prunéřov 1 in Nordböhmen im Gespräch.

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