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Wladiwostok könnte zur Millionenstadt aufsteigen

In Russlands Fernem Osten sollen neue Großstädte auf der Landkarte erscheinen. Der Plan ist, die dünnbesiedelte Region attraktiver für Zuzügler und Investoren zu machen.

Von Gerit Schulze | Moskau

Russland ist seit jeher vernarrt in gigantische Megaprojekte. Die jüngste Idee: neue Großstädte im Fernen Osten aus dem Boden stampfen. Die Pazifikmetropole Wladiwostok soll innerhalb von zehn Jahren zur Millionenstadt avancieren.

Bislang zählt die Stadt rund 600.000 Einwohner. Durch den Bau einer neuen Siedlung „Sputnik“ für 300.000 Einwohner und Erweiterungen des Stadtgebiets bis nach Artjom könnte Wladiwostok in die Liga der russischen Megastädte aufsteigen.

Masterplan für neue Satellitenstadt in Arbeit

Die Satellitenstadt Sputnik wird nach derzeitigen Plänen im Sonderentwicklungsgebiet (TOR) Nadeschdinskaja auf einer Fläche von 925 Hektar entstehen. Architekten, Städteplaner und Soziologen beginnen demnächst mit den Arbeiten am Masterplan der Reißbrettstadt.

Beteiligt ist daran auch die staatliche Entwicklungsbank VEB.RF über ihre Tochterfirma ProGorod. Der Projektentwickler erklärte, dass die Bewohner eine „15-Minuten-Stadt“ erwarten könnten: In dieser Zeitspanne sollen alle wichtigen Punkte wie Arbeitsstelle, Ausbildungsstätte, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten erreicht werden.

Das zuständige Ministerium für die Entwicklung des Fernen Ostens und der Arktis (Minwostokraswitija) führt bereits Gespräche mit der staatlichen Wohnungsbauagentur Dom.RF und dem privaten Bauunternehmen PIK. In einer ersten Bauphase sind 1 Million Quadratmeter Wohnraum für 50.000 Einwohner geplant.

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Metropole bekommt eine Ringautobahn 

Minister Alexej Tschekunow will auch ausländische Projektentwickler für die Erweiterung Wladiwostoks gewinnen. Er könne sich thematische Stadtteile mit japanischem, chinesischem oder koreanischen Flair vorstellen, sagte er im Oktober 2021.

Experten des Immobilienberaters Colliers schätzen die Baukosten der Stadterweiterung Wladiwostoks ohne Transport- und Erholungsinfrastruktur auf mindestens 250 Milliarden Rubel (3 Milliarden Euro, EZB-Wechselkurs am 13. Oktober 2021: 1 Euro = 83,02 Rubel). Es wäre eines der größten Bauvorhaben seit dem Zerfall der Sowjetunion, erklärte ein Colliers-Partner gegenüber der Tageszeitung Vedomosti.

Beim Ausbau des Straßennetzes zeigt ein chinesischer Investor laut lokalen Zeitungen Interesse. Das Unternehmen will Teile der seit 2018 rund um Wladiwostok geplanten Mautautobahn WKAD errichten. Allein die dafür notwendige Brücke zur Insel Jelena würde rund 850 Millionen Euro kosten.

Ferner Osten spielt strategisch wichtige Rolle

Die Entwicklung des Fernen Ostens spielt für die Regierung eine wichtige Rolle. Während auf der anderen Seite der Grenze in China die Wirtschaft kräftig expandiert und die Städte rasant wachsen, stagniert der Osten Russlands. Allein die Region Primorje, in der Wladiwostok liegt, hat seit 2010 fast 100.000 Einwohner verloren.

Wohl auch deshalb hatte Verteidigungsminister Sergej Schoigu im August 2021 vorgeschlagen, in Sibirien fünf neue Großstädte mit Einwohnerzahlen zwischen 300.000 und 1 Million zu bauen. Sie sollen moderne und attraktive Lebensbedingungen bieten und durch eine Branchenprofilierung Arbeitskräfte anziehen. Dabei nannte der Minister drei Standorte:

  • zwischen Krasnojarsk und Bratsk mit dem Cluster für Kupfer, Aluminium und Elektrotechnik
  • bei der Stadt Kansk mit dem Schwerpunkt Kohle, Chemie und Kunststoffe
  • bei der Stadt Lesosibirsk mit dem Schwerpunkt Holz und Baumaterialien

Geringe Bevölkerungsdichte ist ein Problem

Dass ausgerechnet der Verteidigungsminister die Idee ins Spiel brachte, neue Großstädte im Osten des Landes aufzubauen, verwundert nicht. Denn die geringe Bevölkerungsdichte der Region ist für Russland ein strategischer Nachteil und die Sorge vor einer allzu starken Dominanz Chinas verbreitet. Mit 7 Millionen Quadratmetern ist der Ferne Osten der größte Föderalbezirk des Landes. Zum ihm gehören neben der Pazifikregion unter anderem Jakutien und Kamtschatka. Doch auf einer Fläche doppelt so groß wie Indien leben nur 8 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Allein die chinesische Grenzregion Heilongjiang jenseits des Amur-Flusses hat über 30 Millionen Einwohner.

Immer wieder versucht Russland daher, mehr Menschen im Osten anzusiedeln. Dazu gehören Programme wie das „Gesetz über den fernöstlichen Hektar“, bei dem russische Neusiedler kostenlos einen Hektar Land bekommen, wenn sie mindestens fünf Jahre dort leben. Knapp 100.000 Menschen haben bisher davon Gebrauch gemacht, doch die meisten wohnten ohnehin schon in der Region. Ein weiteres Anreizprogramm ist das „Fernöstliche Quartal“, das den Bau hochwertiger Wohngebiete zu bezahlbaren Preisen in den Städten des Föderalbezirks vorsieht. Auch mit günstigen Hypothekenzinsen, einem früheren Renteneintrittsalter und höheren Löhnen sollen Russen vom Westen in den Osten gelockt werden.

Kaum Umzugswillige im Rest des Landes

Experten verweisen aber darauf, dass eine bessere Verkehrsanbindung, soziale Infrastruktur und Gesundheitsversorgung sowie ein komfortables Geschäftsklima für Unternehmensgründer größere Effekte hätten. Ihr Fehlen verhindere bislang einen massiven Zuzug.

Eine Umfrage der Bank Otkrytie hatte im September 2021 ergeben, dass 48 Prozent der befragten Russen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren „unter Umständen“ bereit wären, in den Osten umzuziehen. Am meisten überzeugt wären sie von zwei- bis dreimal höheren Löhne als bisher, von guten Wohnverhältnissen und einer modernen kommunalen Infrastruktur. Als Negativfaktoren der Region nannten die Befragten das kalte Klima und die große Entfernung vom europäischen Teil Russlands.

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