Bulgariens Zulieferindustrie exportiert Autoteile hauptsächlich nach Westeuropa und könnte davon profitieren, wenn Hersteller Lieferketten umstrukturieren.
Coronakrise hat Projekte verzögert, nicht gestoppt
Bulgarien will sich als Investitionsstandort für Hochtechnologie positionieren und Investitionen im Bereich autonomes Fahren, Batterieproduktion und Wasserstoffantriebe vorantreiben. Dies wird mit dem Ende der Pandemie weitergehen. Laut einer aktuellen Umfrage des Dienstleisters für Investitionen Colliers plant ein Zehntel der bulgarischen Zulieferer, in neue Produktionsanlagen zu investieren.
Das Entwicklungspotenzial der Branche hängt vor allem von zwei Faktoren ab: von der Bewältigung des Fachkräftemangels und daran, das Interesse internationaler Autohersteller an Bulgarien als Produktionsstandort zu wecken. Letzteres lief in den vergangenen Jahren nicht erfolgreich.
Nearshoring bietet Automobilindustrie eine Perspektive
Zum Jahresende hatten fast alle Unternehmen der bulgarischen Automobilindustrie wieder ihre Arbeit aufgenommen. "Es gibt sogar Firmen, die von einer erhöhten Nachfrage profitiert haben", berichtet Lyubomir Stanislavov, Vorsitzender des Automotive Cluster Bulgaria, dem Verband der bulgarischen Zulieferindustrie für Kfz-Teile. Besonders stark seien Firmen gewachsen, die elektronische Komponenten herstellen und Forschungs- und Entwicklungszentren betreiben. Die Coronakrise habe Investitionsprojekte nicht gestoppt, sagt Stanislavov. Das Interesse an Bulgarien sei mit der Krise sogar gestiegen, so Stanislavov.
Mittelfristig profitiert der Produktionsstandort Bulgarien von günstigen Lohnkosten, was Bulgarien zu einem potenziellen Nearshoring-Standort macht. Allerdings kommen 43 Prozent der Beschäftigten in der Mechatronik- und Automotive-Branche aus Sofia und Plovdiv. Dort ist der Arbeitsmarkt unter Druck. In diesen Regionen steigen die Löhne schneller als die Arbeitsproduktivität, was zu einer Verzerrung des Marktes führt. Die Hersteller von Autoteilen und Zubehör für Kraftfahrzeuge machen 18 Prozent der Beschäftigung aus und tragen 16 Prozent zum Umsatz in der bulgarischen Industrie bei.
Wichtige Investitionsprojekte in der Kfz-Industrie in Bulgarien
Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. Euro) | Projektstand |
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Leoni Bulgaria EOOD; 1.500 Arbeitsplätze | 16,7 | Bau eines Werks für Kfz-Kabelbäume; Pleven |
Odelo Bulgaria EOOD; 100 bis 300 Arbeitsplätze | 10 | Werk für Ersatzteile für Beleuchtungssysteme; Wirtschaftszone Trakia (TEZ) |
VEM Europe (Joint-Venture zwischen chinesischen Konzern VEM und der deutschen Gruppe Mecalit); 25 Arbeitsplätze | 5,1 | Herstellung von Matrizen und Stanzen; Wirtschaftszone Trakia (TEZ) |
Bosch Engineering Center Sofia; 500 Mitarbeiter | 4,4 | Recruiting zusätzlicher Beschäftigter |
VolaPlast OOD; 100 Arbeitsplätze | 4 | Bau eines Werks für Kunststoffbauteile für die Autoindustrie; Kyustendil |
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Unternehmensangaben, Medienberichte, Bulgarische Investitionsagentur
Bulgarien liefert hauptsächlich nach Westeuropa
Vor der Coronakrise entwickelte sich die Zulieferindustrie in Bulgarien gut. Der Umsatz von rund 250 Unternehmen der Branche mit rund 65.000 Beschäftigten lag im Jahr 2019 zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro und trug 11 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Branche wuchs in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt etwa um 17 Prozent.
Bulgarien exportiert Autoteile hauptsächlich nach Westeuropa und hat den Anteil von Kfz-Teilen am Gesamtexport innerhalb der vergangenen zehn Jahre von 1,2 Prozent auf 3,2 Prozent gesteigert. Dies zeigt, dass die Zulieferer nicht die größten Exporteure sind, sich aber mit ihren Lieferungen um fast das Dreifache gesteigert haben. Dabei ist die bulgarische Autoindustrie eng eingebunden in internationale Lieferketten. Mehr als 95 Prozent der Unternehmen sind mit ausländischem Kapital und Beteiligungen aktiv.
Sensoren für Airbags sind Exportschlager
Der Sektor entwickelt sich auf der Grundlage eines "Ökosystems" multinationaler und lokaler Unternehmen. Eine Reihe großer internationaler Unternehmen der Branche hat Bulgarien einem Bericht der Zeitung "Investor" zufolge als das beste Ziel für ihr Geschäft in Osteuropa angesehen, darunter SKF, Montupet, Palfinger, Festo, SE Bordnetze, Yazaki, Grammer, Witte und viele weitere. Viele bulgarische Unternehmen - ZMM Sliven, M + SHydraulic, Hydraulic Elements and Systems und andere - haben bereits erfolgreiche Partnerschaften in der Branche mit eigenen Entwicklungen oder durch kundenspezifische Produkten etabliert.
Ein Exportschlager von bulgarischen Unternehmen sind Sensoren für Airbags. Rund 90 Prozent der in europäischen Fahrzeugen verbauten Airbags erhalten ihre Sensoren aus heimischer Produktion. Kunden der bulgarischen Komponenten- und Teilelieferanten sind namhafte Hersteller wie Audi, Mercedes-Benz, BMW, Mini Cooper, Porsche, Bentley, Lamborghini, Ford, Nissan, Seat, Alfa Romeo, Volkswagen, Volvo, Renault, Mitsubishi, Skoda, Fiat und Tesla.
Bulgarien hat zudem eine lange Tradition der Herstellung von Aluminiumkästen für Motoren. Des Weiteren produzieren die meisten Zulieferer mit ausländischem Kapital Zahnräder, Buchsen, Federn, Radbaugruppen, Kabel, Klimaanlagen sowie Einspritzsysteme und Module. Die Herstellung von elektronischen Bauteilen und Automobilsoftware sind dabei die zukunftsträchtigsten Bereiche in Bulgarien. Stark vertreten ist ebenso die Herstellung von Aluminiumteilen, Kabeln und Sitzen.
Zudem zählt das südosteuropäische Land zu den weltweit 30 größten Kupferproduzenten und hat somit das Potenzial, die Herstellung von Kabeln, Batterien und anderen für die Autoindustrie wichtigen Kupferwickelungen auszubauen. Der Autobauer Mercedes beispielsweise lässt bereits in Sofia die Software für die S-Klasse entwickeln.
Günstige Lohnkosten bleiben Standortvorteil
Der Wettbewerb für Automobilzulieferer nimmt zu, denn zunehmend entdecken europäische Autohersteller und Ausrüster die Vorteile des bulgarischen Marktes:
- europaweit vergleichsweise günstige Lohnkosten für arbeitsintensive Fertigung
- gut ausgebildetes Personal
- niedriger Steuersatz
Deutsche Zulieferer wie Leoni, Odelo oder Voss Automotve und Willi Elbe Automotive planen mittelfristig eine Erweiterung ihrer Produktionsstätten. Firmen mit einer längeren Präsenz am Markt wie etwa Bosch Engineering gründen Forschungs- und Entwicklungszentren.
Kfz-Bestand Bulgarien (Stückzahl)
Kategorie | 2018 | 2019 | 2020 |
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Pkw | 2.773.325 | 2.829.946 | 2.812.924 |
Lkw | 387.186 | 401.823 | 399.982 |
Busse | 20.442 | 20.318 | 20.252 |
Summe | 3.180.953 | 3.656.739 | 3.233.158 |
Februar 2021Quelle: Nationales Statistikamt (NSI); Verband der Pkw-Hersteller und autorisierten Händler (ACM)
Der Gebrauchtwagen-Markt spielt eine größere Rolle als der Markt für Neuwagen. Daraus ergeben sich Chancen für Händler von Ersatzteilen sowie für Anbieter von Reparaturdienstleistungen.
Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile nach Bulgarien (in Millionen Euro, Veränderung in Prozent)
| 2019 | 2020 | Veränderung 2020/19 | davon Einfuhr aus Deutschland 2020 |
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713.21 bis .22 Hubkolbenmotoren mit Fremdzündung | 0,67 | 0,73 | 9,3 | 0,26 |
713.23 Diesel- oder Halbdieselmotoren | 2,99 | 3,37 | 12,8 | 0,49 |
773.13 Kabelsätze | 65,98 | 63,06 | -4,4 | 12,91 |
778.31, .33 Zündanlagen, Anlasser, Lichtmaschinen etc. | 15,20 | 16,39 | 7,8 | 4,23 |
778.34 bis .35 Beleuchtungs- und Signalgeräte (ohne 778.2), Scheibenwischer etc. | 24,13 | 21,56 | -10,6 | 3,05 |
784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 235,94 | 230,71 | -2,2 | 72,86 |
Summe | 344,91 | 335,83 | -2,6 | 93,79 |
Stand: 18.03.2021Quelle: Eurostat
Von Dominik Vorhölter
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Bonn