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Branchen | Brasilien | Stahlindustrie

Brasiliens Stahlindustrie investiert

Die gute Konjunktur, Wachstumsaussichten für Spezialstahl und Klimaschutzmaßnahmen stoßen Projekte der Stahlkonzerne an.

Von Gloria Rose, Renata Araújo | São Paulo

Nach dem drastischen Einbruch im März und April 2020 erlebte die brasilianische Industrie eine sehr schnelle Erholung. Darunter auch die drei Branchen, auf die in Brasilien etwa 80 Prozent des Stahlverbrauchs entfallen: Brasiliens Maschinenbauer produzieren seit Juli über dem Vorjahresniveau und steigerten den Branchenumsatz im vergangenen Jahr. Der Immobiliensektor verzeichnet aufgrund der Niedrigzinsen hohe Verkaufszahlen und belebt die Bauwirtschaft.

Nachfrage nach Stahl zog überraschend schnell an

Ab August produzierte die Kfz-Industrie wieder über 200.000 Fahrzeuge im Monat, erreichte jedoch in keinem Monat das Niveau vor der Pandemie. Zum kritischsten Zeitpunkt der Pandemie waren in Brasilien 13 Hochöfen außer Betrieb, die nach und nach wieder angefahren werden. Durch den unerwartet steilen Anstieg der Nachfrage nach Rohstoffen und Vorprodukten kam es zu Lieferengpässen und entsprechenden Preiserhöhungen. Zudem trieb die drastische Abwertung des brasilianischen Real die Kostensteigerungen an.

Einige Unternehmen aus dem Bau und Maschinenbau schließen sich zusammen, um Stahlerzeugnisse zu importieren. Trotz der erneuten Verschärfung der Pandemielage steigt der Stahlabsatz weiter an. Laut Daten des Branchenverbands Instituto Aço Brasil (IABr) lag der Verkauf im ersten Quartal 2021 rund 30 Prozent über dem Niveau der Vorjahre. 

Stahlkonzerne erwarten Wachstum

Die börsengelisteten Stahlkonzerne Gerdau, Usiminas und CSN meldeten für das erste Quartal Rekordwerte beim Umsatz und beim operativen Gewinn an. Auch für das zweite Quartal hegen die Hersteller hohe Erwartungen. Selbst wenn die Lager in den Abnehmerbranchen wieder gefüllt sind, soll der inländische Stahlabsatz weiter anziehen. Dafür sprechen insbesondere das Wachstum im Maschinenbau sowie der Aufwärtstrend in der Bauwirtschaft. Zudem animieren die Aussichten auf mehr Tiefbauprojekte, insbesondere Schienenstrecken, und auf die Entwicklung des Gasmarktes. In der Kfz-Industrie wird die Produktion derzeit noch durch den Mangel an Halbleitern abgebremst.

Mittelfristig wird der Trend zur Elektrifizierung die Nachfrage nach Spezialstählen stimulieren. Hinzu kommt der steigende Bedarf durch den Ausbau mit Solar- und Windenergie. Für 2021 erwartet IABr einen Produktionszuwachs um 6,7 Prozent auf 33 Millionen Tonnen Rohstahl.

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Niedrige Kapazitätsauslastung

Brasiliens Stahlindustrie wurde bereits von der Wirtschaftskrise zwischen 2014 und 2016 hart getroffen. Die Produktionskapazitäten von insgesamt 51 Millionen Tonnen Stahl pro Jahr waren auch vor der Pandemie unzureichend ausgelastet, 2019 nur zu etwa 58 Prozent. In dem globalen Überangebot hofft Brasilien auf neue Exportchancen im Rahmen des US-amerikanischen Infrastrukturprogramms. Im August 2020 hatte die US-Regierung die Quoten für brasilianische Stahlerzeugnisse, die von den hohen Strafzöllen befreit sind, heruntergesetzt. 

Brasilien ist direkt hinter Deutschland der neuntgrößte Stahlproduzent der Welt und produziert mehr als die Hälfte der Ausbringung Lateinamerikas. Die bedeutendsten Hersteller von Flachstahl sind ArcelorMittal, Usiminas, CSN und Gerdau. Bei Langstahl führt Gerdau vor ArcelorMittal, der mexikanischen Gruppe Simec, Sinobras und Aço Verde do Brasil. Ternium Brasil und CSP fokussieren auf den Export von Halbzeug und Aperam auf flachgewalzten Spezialstahl. Brasilianische Stahlexporte gehen hauptsächlich in die USA, nach China und nach Lateinamerika.

Stahlproduktion in Brasilien (in Tausend Tonnen; Veränderung in %)

Produktion

2019

2020

Veränderung 2020/2019

Roheisen (integrierte Hüttenwerke)

26.280

24.517

-6,7

Rohstahl

32.569

30.971

-4,9

Flachstahl

13.246

12.348

-6,8

Langstahl

9.242

9.316

0,8

Halbzeug

8.817

7.794

-11,6

Quelle: Instituto Aço Brasil (IABr)

Investitionen in Spezialstahl und Emissionsminderungen

Schon seit 2017 fallen die Investitionen des Sektors mager aus und betragen weniger als ein Drittel des Umfangs aus der Zeit vor der schweren Rezession ab 2014. Durch den Nachfrageschub inmitten der Pandemie und die hohen Weltmarktpreise herrscht Zuversicht und langaufgeschobene Projekte werden aus der Schublade geholt. Seit Oktober 2020 ließ das Vertrauen der Stahlindustrie gemessen über den Index ICIA des Branchenverbands zwar nach, doch der Indexwert liegt immer noch klar im positiven Bereich. Im Fokus steht die Erweiterung des Angebots von Spezialstahl für die Kfz-Industrie, Baumaterial und erneuerbare Energien. Darauf setzen Investitionsprojekte von ArcelorMittal, Gerdau und Aperam.

Kurs auf Klimaneutralität

Die Umstellung auf klimaneutrale Produktionsverfahren sorgt weltweit für Bewegung in den energieintensiven Industrien, insbesondere in der Stahlindustrie. In Brasilien wird bereits 12 Prozent des Stahls über Holzkohle erzeugt, die über schnellwachsende Eukalyptuswälder gewonnen wird. Als erster Stahlhersteller weltweit wurde Aço Verde do Brasil (AVB) im Februar 2021 von der Schweizer Prüfgesellschaft Société Généra le de Sur veillance (SGS) als klimaneutral zertifiziert. Auch Aperam investiert verstärkt in eigene Forstwälder, deren Holz über die Zertifikate FSC oder Cerflor als nachhaltige Biomasse ausgezeichnet wird, und erzeugt darüber den sogenannten grünen Stahl. Darüber hinaus verbessert die Stahlindustrie die Energieeffizienz und investiert in Emissionsminderungen. 

Vorgelagert treibt auch Vale die Entwicklung voran. Brasilien Eisenerzgigant setzte sich das Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Auf der dritten Stufe der Zielvorgaben berücksichtigt der Bergbaukonzern auch Zulieferer und Abnehmer, deren Gesamtemissionen bis 2035 um wenigstens 15 Prozent zurückgehen sollen. Mit diesem Ziel investierte Vale im Februar 2021 in ein US-amerikanisches Startup. Boston Metal entwickelt eine Technologie, die bei der Stahlerzeugung Kohle durch Strom ersetzt.

Im brasilianischen Kongress wird eine Wasserstoffstrategie debattiert, die sich an die deutsche Strategie anlehnt und ebenfalls die Emissionen der Stahlindustrie thematisiert. Mit dem Wasserstoffhub in Ceará und einem Projekt in Rio de Janeiro kamen 2021 erste Projekte auf. Aufgrund der hervorragenden Bedingungen für erneuerbare Energien bietet Brasilien auch gute Aussichten für grünen Wasserstoff.

Ausgewählte Investitionsprojekte in der Stahlindustrie in Brasilien (Investitionssumme in Millionen US-Dollar)

Projekt

Investitionssumme *)

Stand

Projektträger

Produktionslinie für beschichtete Stahlbleche in Sao Francisco do Sul (Bundesstaat Santa Catarina)

350

Inbetriebnahme im 3. Qt. 2023

ArcelorMittal

Verdopplung der Produktionskapazität in Pindamonhangaba (São Paulo)

300

Inbetriebnahme im 2. Hj. 2023

Simec

Modernisierung und Erweiterung der Stahlwerke in Mogi das Cruzes und Pindamonhangaba (São Paulo) sowie in Charqueadas (Rio Grande do Sul)

205

Ausführung bis Ende 2022

Gerdau

Filteranlage zur Emissionsminderung und Effizienzsteigerung der Kohlenstaubeinblasung (PCI) in Santa Cruz (Rio de Janeiro)

147

Investitionsplan bis 2030 angekündigt im März 2021

Ternium Brasil

Verdopplung der Produktionskapazität in Marabá (Pará)

116

geplante Inbetriebnahme 2022

Sinobrás (Siderúrgica Norte-Brasileira)

Erneuerung des Hochofens in Ipatinga (Minas Gerais)

116

Durchführung 2021

Usiminas

Modernisierung und Erweiterung des Stahlwerks in Timóteo (Minas Gerais)

47

Angekündigt im April 2021

Aperam

Automatisierung und Digitalisierung, Anschaffung neuer Maschinen sowie Erneuerung der Fahrzeugflotte für den Vertrieb

23

Investitionsplan bis 2023 angekündigt im März 2021

Grupo Açotubo

Wiederaufnahme des Hüttenwerks in Araucária (Paraná) - Stillstand seit 2014

11

Inbetriebnahme ab dem 2. Hj 2021

Gerdau

Wiederaufnahme des Hüttenwerks in Barra Mansa (Rio de Janeiro) - Stillstand seit Januar 2019

4

Angekündigt am 20. April 2021

ArcelorMittal

*) umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs 2020: 1 US$ = 5,15 R$Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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