Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | China | Praxisbeispiel

Praktische Erfahrungen mit dem Arbeitsrecht

Generell wird die Umsetzung des Arbeitsrechts bei ausländischen Unternehmen streng kontrolliert. Zumindest in großen Städten ist dies der Fall.

Von Christina Otte, Robert Herzner | Bonn, Hongkong

Das chinesische Arbeitsrecht gilt als arbeitnehmerfreundlich. Verstöße von Arbeitgeberseite gegen geltendes Arbeitsrecht werden zum Teil empfindlich geahndet.

"Seit einigen Jahren gibt es keine sichtbare Diskrepanz mehr zwischen den rechtlichen Anforderungen und der Rechtswirklichkeit."

So lautet die Erfahrung von Philip Lazare, Partner der Kanzlei Luther in Shanghai. Allerdings kommt es in der unternehmerischen Praxis zu einigen Besonderheiten. Nachfolgend ist eine Auswahl dargestellt. Für eine vollständige Übersicht ist der Technical Guide Human Resources in China zu empfehlen. Die Anleitung wurde Mitte 2020 von der auf China spezialisierten Personalvermittlungsagentur Direct HR Group in Kooperation mit der global tätigen Rechtsanwaltskanzlei Rödl & Partner herausgegeben.

Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe abführen

Ein in der Praxis häufig zu beobachtendes Problem ist, dass Arbeitnehmer beim Arbeitgeber darauf drängen, Beiträge zur Sozialversicherung nicht oder nur teilweise zu zahlen. Das kann damit zusammenhängen, dass die Abgaben auf lokaler Ebene abgeführt werden. Bei chinesischen Mitarbeitenden, die aus anderen Provinzen stammen, bestehen dahingehend Vorbehalte, ob die Leistungen in ihre Heimatbezirke transferiert und dort ausgezahlt werden. 

Laut Technical Guide sollten Arbeitgeber sich keinesfalls auf solche Forderungen einlassen. Da die Zahlung der Beiträge zur Sozialversicherung per Gesetz vorgeschrieben ist, sei dies einerseits ein Rechtsbruch. Andererseits bestünde die Gefahr, dass es sich der Arbeitnehmer wieder anders überlegt und die Zahlungen zu einem späteren Zeitpunkt doch verlangt. Auch die Sozialversicherungsbehörden könnten die ausstehenden Beiträge vom Arbeitgeber nachträglich einfordern.

Ebenso einschlägig ist die Konstellation, dass Arbeitgeber nur die Sozialversicherungsbeiträge basierend auf dem lokalen gesetzlichen Mindestlohn abführen. Durch die Diskrepanz des Zwischenbetrages erhalten Arbeitnehmer geringer Rücklagen. 

Überstunden dokumentieren

Gleiches gilt für die Einhaltung von Arbeitszeiten und die Ableistung von Überstunden. Per Gesetz sind maximal drei Überstunden am Tag und 36 im Monat zulässig. In den sozialen Medien ist aber davon die Rede, dass Mitarbeitende von chinesischen Firmen, vor allem in der Tech-Branche, eine hohe Zahl an Überstunden abzuleisten haben. "9/9/6" heißt diese Überstunden-Praxis. Gemeint ist Arbeit von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends an sechs Tagen pro Woche, womit Beschäftigte auf 72 Wochenarbeitsstunden kommen. Das Oberste Volksgericht und das Ministry of Human Resources and Social Security haben kürzlich festgesetzt, dass die "9/9/6"-Richtlinie als illegal einzustufen ist. Dabei wurde sie von chinesischen Chefs bislang oft als selbstverständlich angesehen. Manche sprachen gar von "0/0/7"-Wochen auf Leitungsebene.

"Solchen Praktiken sollten sich ausländische Unternehmen in China unter keinen Umständen anschließen", meint Miriam Wickertsheim, Geschäftsführerin bei Direct HR Group in China. Generell ist es empfehlenswert, die Ableistung von Überstunden im Arbeitsvertrag und Mitarbeiterhandbuch zu regeln und sowohl durch den Arbeitnehmer dokumentieren als auch von der Führungsebene kontrollieren zu lassen. Das gilt ebenfalls für das Management-Personal, es sei denn, dieses hat dem "Flexible Working Hours"-System im Arbeitsvertrag zugestimmt. Dafür ist aber im Vorfeld zwingend die Zustimmung der lokalen Arbeitsbehörde einzuholen.

Kündigungen können teuer werden   

Schon im Rahmen des sich abschwächenden Wirtschaftswachstums der letzten Jahre hatten sich Kündigungen zu einem konfliktbeladenen Personalfeld entwickelt. Einseitige Kündigungen seitens des Arbeitgebers sind in China kompliziert und kostspielig. Generell dürfen Unternehmen nicht grundlos kündigen. Eine Kündigung wegen Minderleistung ist für Arbeitgeber zudem an kaum zu erbringende Beweispflichten geknüpft. Daher ist es einerseits wichtig, schon im Arbeitsvertrag und Mitarbeiterhandbuch klare Vorgaben zu Arbeitsdisziplin, Disziplinarmaßnahmen und Kündigungsgründen aufzuführen. Andererseits sollte frühzeitig schriftlich dokumentiert werden, wenn etwas schiefläuft.

Um langwierigen Auseinandersetzungen vorzubeugen, kommt es in der Praxis häufig zu einer Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Form eines Aufhebungsvertrags mit Abfindung. Diese fällt oft höher aus als vom Gesetz vorgeschrieben. Laut Gesetz beträgt die Höhe der Abfindung ein Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr, aber nicht mehr als ein Jahresgehalt. Für Beschäftigungszeiten nach dem 1. Januar 2008 ist die Abfindung auf das Dreifache des durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts am Arbeitsort pro Beschäftigungsjahr gedeckelt.

Nicht vergessen, Arbeitsverträge zu verlängern

Ein weiterer häufiger Fehler, der zu erheblichen Zusatzkosten führen kann, ist die vergessene Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags. Der Arbeitnehmer hat für den "vertraglosen" Zeitraum Anspruch auf das doppelte Gehalt. In der Volksrepublik sind Arbeitsverträge oft zeitlich begrenzt, meist auf drei Jahre. Ein befristeter Vertrag kann maximal zweimal verlängert werden. Ist keine Verlängerung angestrebt, müssen alle Formalitäten für die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit nötigem Vorlauf erledigt werden. Der Arbeitgeber hat eine Abfindung zu zahlen.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.