Die italienische und die deutsche Kfz-Industrie sind eng verzahnt. Aus Italien beziehen die Hersteller in Deutschland eine Vielzahl hochqualitativer Montageteile und Komponenten.
Italien besitzt eine sehr breit aufgestellte Kfz-Zulieferindustrie. Neben System- und Modulherstellern ist dort auch eine Vielzahl spezialisierter Hersteller und Bearbeiter von Teilen und Komponenten aktiv. Hinzu kommen Designer und Prototypenentwickler. Die Produktpalette reicht von kleinsten Teilen wie Spezialschrauben bis zu Motoren. Der Branchenumsatz lag 2019 bei knapp 50 Milliarden Euro, der Export bei etwa 22 Milliarden Euro. Davon ging rund ein Fünftel an den wichtigsten Abnehmer Deutschland.
Vielseitiger und spezialisierter Teilelieferant
Der größte Posten von Italiens Lieferungen nach Deutschland sind diverse Montageteile, die in der Außenhandelsstatistik nur als Sammelposten erscheinen. Es handelt sich hierbei um ein breites Sortiment von Spezialteilen und -zubehör für Motoren, Getriebe, Kupplungen sowie um Guss-, Metall- und Plastikteile.
Beispiele dafür, wo italienische Teile im Kleinen für das Funktionieren des Großen sorgen, sind die kritischen Motorenschrauben, wie sie das Unternehmen Brugola an die Volkswagen-Gruppe, BMW und Daimler liefert, die Spurspanner, Schrauben- und Torsionsfedern von Sogefi für alle großen deutschen Hersteller, die Steuerdämpfer von Cultraro für VW und Audi sowie die GDI-Injektoren von Magneti Marelli, die unter anderem in den Audi A1 eingebaut werden. Eine Domäne italienischer Zulieferer ist zudem die Oberflächenbehandlung von Metallteilen, insbesondere aus Kupfer.
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Vom Licht bis zur Bremse
Unter den statistisch getrennt ausgewiesenen Komponenten ergaben sich 2019 als wichtigste Lieferungen: Pirelli-Reifen für Pkw, Lkw und Busse (1,2 Milliarden Euro), Bremsen (rund 600 Millionen Euro) wie diejenigen der Firma Brembo, die an Porsche, Mercedes, Opel und VW geliefert werden, Schaltgetriebe (351 Millionen Euro), Räder und -Teile (244 Millionen Euro), Fahrgestelle und -Teile (234 Millionen Euro) sowie Triebachsen (190 Millionen Euro).
Auch bei Lichtsignalgeräten und Fahrzeuglampen ist Italien ein wichtiger Lieferant (127 Millionen Euro). Ein Beispiel sind hier die Frontscheinwerfer von Magneti Marelli für den BMW 3. Außerdem sind Schaltkupplungen (95 Millionen Euro), Auspufftöpfe und -rohre (59 Millionen Euro), Kühler und -Teile (48 Millionen Euro), wie sie unter anderem Primasole an VW liefert, gefragt.
Aufhängsysteme kommen im Wert von 40 Millionen Euro aus Italien nach Deutschland, zum Beispiel die Aluminium-Hinterradträger von Mazzuconi für Porsche oder die gusseisernen Federhalter von Magneti Marellli für BMW. Des Weiteren kauft Deutschland in Italien Stoßstangen und -dämpfer (33 Millionen Euro), wie sie zum Beispiel Magneti Marelli an Opel und VW liefert. In der Zündtechnik kommen aus Italien unter anderem Anlasser (66 Millionen Euro), Zündverteiler/Zündspulen (46 Millionen Euro), Generatoren für Fremdzündungsmotoren (33 Millionen Euro) und Zündkabel (14 Millionen Euro). Ganze Motoren hingegen liefert Italien kaum nach Deutschland, in begrenztem Umfang Dieselmotoren (28 Millionen Euro), meist für Nutzfahrzeuge mit über 1 Liter Hubraum.
Zunehmend international
Die italienische Zulieferindustrie hat ihren Ursprung im Umfeld des Fiat-Werks in Turin, des (ehemaligen) Alfa Romeo-Werks in Mailand sowie in der Region Emilia-Romagna, von wo die Marken Ferrari, Maserati, Lamborghini und Dallara stammen.
Auch wenn die Werke der heutigen Stellantis-Gruppe aufgrund der italienischen Industriepolitik über das ganze Land verteilt wurden, befindet sich ein Großteil der Zulieferer noch immer in Norditalien, insbesondere in Turin, Mailand, Brescia, Bergamo, Varese und Lecco. Rund 60 Prozent der Zulieferer sind in der Lombardei oder dem Piemont ansässig.
Die Abhängigkeit der Zulieferer von der Fiat-Gruppe hat stetig abgenommen. Im Jahr 2019 hatten laut einer Umfrage des Automobilverbands Anfia 27 Prozent der Zulieferbetriebe die damalige Fiat Chrysler Automobiles (FCA) bereits nicht mehr beliefert. Knapp 45 Prozent der Zulieferbetriebe macht mehr als die Hälfte des Umsatzes im Ausland, 39 Prozent verkaufen unter anderem an VW und 14 Prozent an Daimler.
Deutsche Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile aus Italien (in Mio. Euro, Veränderung in Prozent)
| 2010 | 2019 | Veränderung 2019/2010 |
---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 279,0 | 254,6 | -8,8 |
SITC 784 Fahrgestelle, Karosserien, Stoßstangen etc. | 1.920 | 2.476 | 28,5 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 20,3 | 13,8 | -32,3 |
SITC 713.2 Verbrennungsmotoren | 29,2 | 30,4 | 4,4 |
Summe | 2.249 | 2.766 | 23,0 |
Quelle: Eurostat
Kleine und mittelständische Betriebe dominieren die Branche
Viele Branchenunternehmen sind tendenziell kleinere Betriebe. Etwa 42 Prozent haben zwischen 10 und 49 Mitarbeiter, 87 Prozent machen weniger als 50 Millionen Euro Umsatz. Mit 39 Prozent überwiegen Tier 2- Unternehmen, die nicht direkt an einen Erstausrüster, einen Original Equipment Manufacturer (OEM), liefern. Zwei Drittel gehören keinem Konzern an, unter den spezialisierten Unterlieferanten sind es sogar 78 Prozent. Obwohl viele italienische Zulieferer kleine und mittelständische Betriebe sind, ist davon auszugehen, dass die meisten Firmen nach ihren Möglichkeiten in moderne Prozesse und Produkte investieren, dies mit Fokus auf neue Powertrain-Technologie im Rahmen der Elektrifizierung.
Der Branchenverband Anfia benannte im Februar 2021 kritische Engpässe bei Mikroprozessoren, chemischen Vorprodukten für Kunststoffe (ABS, PA6, PA6.6, PP) sowie bei Stahlprodukten, insbesondere Flach- und Laminatstahl. Bei Stahl seien die Preise zwischen Juni 2020 und Januar 2021 auf über 300 Euro pro Tonne gestiegen.
Die Fusion von FCA und der französischen PSA (Peugeot Société Anonyme) birgt für die lokalen Zulieferer Chancen und Risiken. In einer Umfrage von Anfia sagten zwei Drittel der Teilnehmer, dass die Fusion eine Chance für höhere Produktionsvolumina auf gemeinsamen Plattformen bietet. Auch der bessere Zugang zu neuen Märkten und der Anreiz für mehr Kooperation unter den Zulieferern - um sich gegenüber einem globalen Konzern zu behaupten - wurde als Vorteil genannt. Rund 60 Prozent der Befragten äußerten sich besorgt darüber, dass die Zentrale aus Italien abwandert. Rund ein Viertel befürchtet eine Reduzierung der italienischen Zulieferungen.
Von Oliver Döhne
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Mailand