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Branchen | Finnland | Gesundheitswesen

Healthcare Monitor - Gesundheitsreform in Finnland wird umgesetzt

Die Gesundheitsausgaben in Finnland liegen unter dem Niveau der Nachbarländer. Ein einfacher Zugang zu Gesundheitsdaten macht Forschungsarbeiten im Land interessant. 

Von Niklas Becker | Helsinki

  • Entwicklungen im Gesundheitswesen

    Nach langen Verhandlungen gibt es nun Fortschritte bei der geplanten Sozial- und Gesundheitsreform. Der Fachkräftemangel im finnischen Sektor bleibt eine Herausforderung. 

    Finnlands Gesundheitssystem hat die Folgen der Coronapandemie insgesamt gut gemeistert. Um über ausreichend Kapazitäten in den Krankenhäusern zu verfügen, wurden im Laufe der Pandemie allerdings immer wieder nicht zwingend notwendige Operationen verschoben. Laut Gesetz muss die fachärztliche Nicht-Notfallversorgung in Finnland binnen von sechs Monaten beginnen.

    Durch die coronabedingten Verschiebungen konnten diese Vorgaben in deutlich mehr Fällen als üblich nicht eingehalten werden. Zwischen 2013 und 2019 warteten im Schnitt rund 2.000 Patienten länger auf den Start der Behandlung als sechs Monate. 2020 waren es fast 18.000. Zwar konnte der Rückstau 2021 bereits abgebaut werden, Ende August 2021 warteten allerdings weiterhin mehr als 9.500 Bürger bereits länger als ein halbes Jahr auf den Beginn ihrer Behandlung. 

    Nach 15 Jahren Verhandlungen kommt die lang erwartete Reform

    "Das derzeitige finnische Gesundheitssystem ist komplex, dezentralisiert und fragmentiert." Zu dieser Einschätzung kommt ein von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem Europäischen Observatorium für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission (EK) erstellter Report.

    Aktuell liegt die Verantwortung für die Organisation der Gesundheits- und Sozialdienste in Finnland bei 310 Gemeinden, denen nach Einschätzung der Regierung unterschiedliche Ressourcen zur Verfügung stehen. Das Ziel, allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu den Dienstleistungen zu bieten, wird aus ihrer Sicht nicht erreicht. Durch eine Verwaltungsreform soll deshalb die Verantwortung für die Organisation der Sozial- und Gesundheitsversorgung auf 21 neue geschaffene Gesundheits- und Sozialregionen (hyvinvointialue) übertragen werden. Die Stadt Helsinki wird ihre Sozial- und Rettungsdienste weiterhin selbst organisieren.

    Das finnische Parlament hat den jüngsten Regierungsvorschlag zu der seit vielen Jahren geplanten Umstrukturierung im Juni 2021 angenommen. Die Reform soll nun schnellstmöglich umgesetzt werden. Notwendige Gesetze hierfür sollen schrittweise in Kraft treten. Die ersten wurden bereits umgesetzt, die letzten sollen zum 1. Januar 2023 folgen. Ziel der Reform ist es, die Gesundheits- und Sozialversorgung landesweit auf ein einheitliches Niveau zu bringen. Dafür sollen Steuereinnahmen von den Großstädten in die dünn besiedelten Gebiete umgeleitet werden. Letztere haben oft einen geringen Anteil von Personen im erwerbsfähigen Alter, die Steuereinnahmen generieren, und auf der anderen Seite einen höheren Anteil an pflegebedürftigen und älteren Menschen. So dürften der Hauptstadtregion beispielsweise in Zukunft relativ betrachtet weniger Mittel zur Verfügung stehen. 

    Nach der Umsetzung der Reform entfällt die Verwaltung der Gesundheits- und Sozialaufgaben in den Kommunen in Gänze und wird stattdessen von den neu geschaffenen Regionen übernommen. Entscheidungen innerhalb dieser werden von speziell gewählten Volksvertretern getroffen. Lediglich in Helsinki bleibt die bisherige Verwaltungsstruktur bestehen. Durch die Reform erhofft sich die Regierung, langfristig den Verwaltungsaufwand zu senken und so Kosten zu sparen. Nach Schätzungen des finnischen Finanzministeriums wird die Reform den öffentlichen Haushalt aufgrund der Umstrukturierungskosten zwar für eine gewisse Zeit belasten, ab 2035 dann aber zu Budgetentlastungen führen.

    Absolute Gesundheitsausgaben sollen steigen

    Finnlands gesamte Gesundheitsausgaben (privat und öffentlich) beliefen sich 2020 laut erster Schätzung auf 22,7 Milliarden Euro. Das teilt das Gesundheitsministerium auf Anfrage mit. Im Vergleich zum Vorjahr entspräche dies einem Zuwachs um 3,1 Prozent. Gemessen am heimischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichten die Ausgaben 2020 ein Niveau von 9,5 Prozent. Der im Vergleich zum Vorjahr höhere Anteil um 0,3 Prozentpunkte ist auf den Rückgang der finnischen Wirtschaftsleistung 2020 zurückzuführen.

    Für das Jahr 2021 konnte das Ministerium Ende Oktober 2021 noch keine Schätzung abgeben. The Economist Intelligence Unit (EIU) prognostiziert einen Anteil von 9,5 Prozent. Bis 2025 werden die Gesundheitsausgaben nach Einschätzung von EIU auf diesem Level stagnieren. In absoluten Zahlen erwarten die Experten zwischen 2021 und 2025 allerdings einen jährlichen Zuwachs der Ausgaben von durchschnittlich 2,8 Prozent. 

    Zahl der Ärzte soll trotz Fachkräftemangel steigen

    Der finnische Ärztemangel hat sich laut Bericht der OECD, des Europäischen Observatoriums für Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik und der EK seit den 2000er Jahren etwas entspannt. Das Verhältnis von Ärzten zur Bevölkerung bleibt im Land allerdings weiter unter dem EU-Durchschnitt. Nach Einschätzung von EIU wird das Verhältnis bis 2025 weiter steigen, sodass sich Finnland an das derzeitige durchschnittliche Niveau der EU-Mitgliedsstaaten annähern würde. Die Zahl des Pflegepersonals liegt in dem nordischen Land hingegen auf einem der höchsten Werte innerhalb der Union. Ihre Rolle in der Primärversorgung wurde schrittweise erweitert.   

    Das soll dem Ärztemangel entgegenwirken und den Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessern. Der Fachkräftemangel in Finnlands Gesundheitssystem bleibt allerdings ein großes Problem. Im öffentlichen Bereich fehlen vor allem Krankenpfleger. Nach Zahlen des Rentenversicherungsträgers Keva blieben 2020 in ganz Finnland fast 8.300 Stellen unbesetzt. Bis 2030 soll die Lücke auf über 9.400 anwachsen.

    Zusätzlich fehlen rund 1.000 Allgemeinmediziner und 800 Fachärzte. Bei ihnen soll der Mangel 2030 auf einem ähnlichen Niveau liegen. Eine weitere langfristige Herausforderung für das finnische Gesundheitssystem ist der demografische Wandel. Der Anteil der älteren Bevölkerung steigt. So zeigen Schätzungen der Regierung, dass die altersbedingten öffentlichen Gesundheitsausgaben von 6 Prozent des BIP im Jahr 2012 auf 7,4 Prozent im Jahr 2060 ansteigen werden. 

    Eckdaten Gesundheitsmarkt

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (2020 in Mio.)

    5,5

    Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.)

    0,2

    Altersstruktur der Bevölkerung (2020)

     Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

    15,6

     Anteil der über 65-Jährigen (in %)

    22,7

    Durchschnittseinkommen (2020 in Euro)

    3.599

    Gesundheitsausgaben

     pro Kopf (2019 in Euro)

    3.983

     öffentlich (in %)

    76,8

     privat (in %)

    23,2

    Anteil der Gesundheitsausgaben

     am BIP (2020 in %, Schätzung)

    9,5

    Medikamente (2019 in %)

    15,2

    Anzahl Krankenhäuser (2019), davon

    239

     öffentlich 

    166

     privat 

    73

    Ärzte/1000 Einwohner (2018)

    3,8

    Krankenhausbetten/1000 Einwohner (2019)

    3,35

    Quelle: Statistics Finland, Finnisches Finanzministerium (Valtiovarainministeriö, VM), Behörde für Gesundheit und Wohlbefinden (THL), Finnischer Ärzteverband (Lääkäriliitto), OECD

    Von Niklas Becker | Helsinki

  • Gesundheitssystem

    Finnische Patienten müssen immer länger auf eine Behandlung warten. Auch deshalb steigt die Bedeutung privater Dienstleister. Die Gesundheitsausgaben bieten Entwicklungspotenzial. 

    Derzeit wird das finnische Gesundheitssystem auf nationaler und lokaler Ebene gesteuert. Das Ministerium für Soziales und Gesundheit übernimmt die Koordination der nationalen Ebene und ist dabei zuständig für die Gesundheitspolitik sowie die Entwicklung und Umsetzung von Reformen. Die 310 Gemeinden sind für die Organisation und Finanzierung der Gesundheitsversorgung in ihrem jeweiligen Amtsbezirk zuständig. Dabei finanzieren und organisieren sie die Primärversorgung und bilden 20 Krankenhausbezirke, um die Krankenhausversorgung sicherzustellen. Zur Erbringung der Dienstleistungen können sich mehrere Gemeinden zusammenschließen. Zudem können auch Dienstleistungen von privaten Unternehmen eingekauft werden.  

    Das hohe Maß an Dezentralisierung ermöglicht es zwar, sich an die Bedürfnisse einer weit verstreuten Bevölkerung anzupassen, führt aber zu Ineffizienzen und zu gewissen Ungleichheiten. Deshalb soll die Organisation der Gesundheits- und Sozialversorgung in Zukunft von neu geschaffenen 21 Gesundheits- und Sozialregionen sowie weiterhin von der Stadt Helsinki übernommen werden. Nach jahrelangen Diskussionen erfolgte der Startschuss für die Reform im Sommer 2021.  

    Gesundheitsausgaben weit unter nordischem Durchschnitt

    Finnlands gesamte Gesundheitsausgaben (privat und öffentlich) beliefen sich 2020 nach vorläufiger Schätzung des Gesundheitsministeriums auf 22,7 Milliarden Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes entspricht dies einem Anteil von 9,5 Prozent. 2019 waren es 9,2 Prozent beziehungsweise 22 Milliarden Euro. Die Ausgaben beliefen sich 2019 laut Eurostat auf 3.983 Euro pro Person. Finnlands Pro-Kopf-Aufwendungen für den Gesundheitssektor lagen in den letzten Jahren zwar immer rund 900 Euro über dem Durchschnitt der Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU), im Vergleich zu den anderen nordischen Ländern besteht jedoch eine große Differenz.

    In Schweden lagen die Ausgaben pro Kopf mehr als 1.000 Euro über dem finnischen Niveau. Noch größer fiel der Unterschied zu Island (5.270 Euro), Dänemark (5.355 Euro) und Norwegen (7.127 Euro) aus. Deutschland kam 2019 auf ein Niveau von 4.855 Euro. Öffentliche Gesundheitsausgaben kamen 2019 auf einen Anteil an den gesamten Ausgaben von rund 77 Prozent. Der private Anteil belief sich auf etwa 23 Prozent. Dazu zählen neben den Ausgaben der Haushalte aus der eigenen Tasche auch die von den Arbeitgebern finanzierten Leistungen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsfürsorge.   

    Wartelisten werden immer länger

    Trotz gesetzlich garantierter Wartezeiten für eine medizinische Versorgung sind lange Wartelisten kein unbekanntes Phänomen des finnischen Gesundheitssystems. 2020 meldeten nach Zahlen von Eurostat 5,3 Prozent der finnischen Bevölkerung nach eigenen Angaben einen nicht erfüllten Bedarf an ärztlicher Untersuchung oder Behandlung. Nach Estland (12,2 Prozent) ist es der mit Abstand höchste Wert innerhalb der EU. Slowenien folgt mit einem Anteil von 2,6 Prozent.

    Im EU-Durchschnitt meldeten 2019 (für 2020 liegen keine Daten vor) 0,7 Prozent der Bürger einen nicht erfüllten Behandlungsbedarf aufgrund von Wartelisten. Der Anteil der von zu langen Wartezeiten betroffenen finnischen Bevölkerung ist in der jüngeren Vergangenheit kontinuierlich gestiegen. 2017 lag der Anteil noch bei 3,6 Prozent. 

    Private Gesundheitsanbieter spielen eine wichtige Rolle

    Bei Inanspruchnahme von öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen werden in Finnland in der Regel Selbstbeteiligungen fällig. Diese sind umfangreich und betreffen auch die Primär- und Notfallversorgung. Die zu leistenden Beiträge sind allerdings jährlich gedeckelt. Für Gesundheitsdienstleistungen fielen 2019 beispielsweise Selbstbehalte von maximal 683 Euro an. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten waren es 572 Euro. Die auf der Erstattungsliste aufgeführten Pharmazeutika werden zu 40, 65 oder 100 Prozent erstattet. 

    Neben den öffentlichen Gesundheitszentren und Krankenhäusern nehmen die privaten Gesundheitsdienstleister (beispielsweise Aava und Mehiläinen) eine bedeutende Stellung in Finnland ein. Ursprünglich übernehmen sie als externer Dienstleister die berufsspezifische Gesundheitsversorgung am Arbeitsplatz, zu der die finnischen Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind. Wegen der langen Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitssystem nutzen die Arbeitgeber ihre Verpflichtung für umfangreichere Zusatzversorgungen. Erwerbstätige haben dadurch meist einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung als beispielsweise Rentner oder Arbeitssuchende.

    Die Vielzahl der privaten Dienstleister sind Einzelunternehmer

    Im Jahr 2019 zählte der Verband der privaten Gesundheitsdienstleister (LPY) 15.170 private Unternehmen im finnischen Gesundheitssektor. Ihr Umsatz betrug etwa 5,4 Milliarden Euro. Laut LPY wurde 2019 fast die Hälfte der primären Gesundheitsdienste (ohne Zahnmedizin) von privaten Anbietern erbracht. Der private Gesundheitsdienstleistungssektor ist sehr stark von Kleinunternehmen geprägt. Fast 90 Prozent der Unternehmen sind laut Verband im Besitz von Einzelunternehmern. Große Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten machten 2019 allerdings 42 Prozent des Umsatzes aus.

    Der Umfang des Angebots, das die Arbeitnehmer kostenfrei in Anspruch nehmen können, ist abhängig vom Arbeitgeber. Zum Teil schließen Eltern in Finnland Zusatzversicherungen für ihre Kinder ab, mit denen die privaten Gesundheitsdienstleister aufgesucht werden können. Dabei werden die privaten Gesundheitsdienstleister nicht nur durch die Arbeitgeber oder privat bezahlte Arztbesuche finanziert. Die nationale Krankenversicherung erstattet einen Teil der im privaten Sektor erbrachten Leistungen. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um die ambulante Versorgung. Beispielsweise muss der Besuch bei einem Facharzt im privaten Gesundheitszentrum nicht selten aus der eigenen Tasche bezahlt werden. 

    Von Niklas Becker | Helsinki

  • Förderung und Investitionen

    Für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten stellt Finnland umfangreiche Fördermittel zur Verfügung. Gelder aus dem EU-Aufbauplan kommen dem heimischen Gesundheitssektor zugute. 

    Finnland stellt für Unternehmen im Land Fördergelder für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zur Verfügung. Diese sollen es ermöglichen, neue Produkte, Dienstleistungen, Fertigungsverfahren und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Mithilfe der Gelder könnte zudem auch die Funktionsweise einer neuen und innovativen Technologie getestet werden. Bereitgestellt werden die Mittel über die staatliche Wirtschaftsagentur Business Finland. Um die Fördermittel in Anspruch nehmen zu können, muss das Unternehmen in Finnland registriert sein. 

    Dabei bietet Business Finland sowohl zinsgünstige Kredite als auch Zuschüsse an. Beide Varianten stehen Unternehmen jeder Größe offen. Für Großunternehmen gelten zum Teil allerdings andere Bedingungen. Sie müssen bei den Zuschüssen beispielsweise mindestens 15 Prozent der gesamten Projektkosten aufwenden, um Dienstleistungen von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) oder Forschungseinrichtungen zu erwerben. Alternativ kann das Vorhaben als Gemeinschaftsprojekt mit KMU und Forschungsgruppen durchgeführt werden. 

    Nonprofit-Organisationen in Finnland können für gesundheits- und sozialfördernde Arbeiten Zuschüsse bei der Förderstelle für Sozial- und Gesundheitsorganisationen (STEA) beantragen. Organisationen erhalten Zuschüsse für allgemeine oder gezielte Aktivitäten, Investitionen, Entwicklungsprojekte, Einführungsprojekte und andere Projekte mit einem bestimmten Zweck. Weitere Informationen dazu finden sich auf der STEA-Website

    Investitionen in finnische Krankenhäuser

    Geplante Bauinvestitionen im Bereich des Gesundheitswesens, die einen Wert von 5 Millionen Euro überschreiten, benötigen eine Ausnahmegenehmigung des finnischen Gesundheitsministeriums. Grund hierfür sind die steigenden Kosten im Gesundheitsbereich. In der Praxis werden die Genehmigungen häufig erteilt. Zunächst war das Verfahren nur für eine kurze Frist vorgesehen. Nach mehrmaliger Verlängerung sind die Ausnahmegenehmigungen nun allerdings bis 2025 Pflicht. 

    Bis Ende Oktober 2021 erhielten im laufenden Jahr Projekte mit einer Gesamtsumme von rund 1,8 Milliarden Euro eine Ausnahmegenehmigung. Die Summe liegt deutlich über dem Niveau der Vorjahre (2020: 0,2 Milliarden Euro; 2019: 0,7 Milliarden Euro; 2018: 1,2 Milliarden Euro). Grund hierfür sind die geplanten Investitionen in Helsinki (Laakso) und Oulu (Oys). 

    Es empfiehlt sich, die Internetseiten der verschiedenen Krankenhäuser in Finnland im Auge zu behalten. Auf diesen veröffentlichen die Kliniken zum Teil geplante Investitionsvorhaben. So veröffentlicht beispielsweise der Krankenpflegebezirk für Helsinki und Uusima auf seiner Internetseite Informationen zu den laufenden und geplanten Bauprojekten. Für den Bezirk Tampere finden sich entsprechende Informationen auf der finnischsprachigen Website

    Ausgewählte Investitionsvorhaben

    Art des Projekts

    Art der Investition

    Zeitraum

    Investitionssumme (in Millionen Euro)

    Kurze Beschreibung des Projekts

    Universitätskrankenhaus, Oulu

    Neubau und Sanierung

    2019-2030

    1.600, davon Neubauten 900

    “Future Hospital OYS 2030”; Projekt des Krankenpflegebezirks Nord-Österbotten; unter anderem neues Hauptgebäude, Strahlentherapie sowie unterstützende Dienstleistungen, Logistikzentrum; 220.000 qm brutto, 600 Krankenzimmer, vorwiegend mit Einzelbelegung

    Krankenhaus, Helsinki

    Sanierung und Neubauten

    2021-2030

    838

    Projekt “Laakson sairaala” des Krankenpflegebezirks Helsinki und Uusimaa; unter anderem Psychiatrie, Rehabilitation für ältere und Neurologie Patienten, Palliativversorgung; 150.000 qm brutto

    Krankenhaus, Hämeenlinna

    Neubau

    2021-2026

    356

    Projekt “Ahveniston sairaala” des Krankenpflegebezirks Kanta-Häme; fachärztliche Behandlung, einschließlich Psychiatrie, 24/7-Bereitschaftsdienst, 389 Betten, 15 Operationssäle, 74.300 qm brutto

    Krankenhaus, Espoo

    Sanierung und Erweiterungsbau

    2019-2025

    278

    Projekt “Jorvin sairaala” des Krankenpflegebezirks Helsinki und Uusimaa; Sanierung der Operationssäle, des Herzzentrums und der Laboratorien; Neubau für stationäre Behandlung von Kindern und Jugendlichen, Entbindung, bildgebende Diagnostikverfahren sowie Poliklinik; Sanierung 10.500 qm brutto, Neubau 49.000 qm brutto

    Arzneimittelfabrik, Turku

    Umbau einer vorhandenen Fabrikanlage

    bis 2025

    250

    Projektträger Bayer Oy; hochmoderne Arzneimittelfabrik, die in erheblichem Umfang Automation und Robotik einsetzt

    Sport- und Wellnesszentrum, Jyväskylä

    Neubau

    2022-2024

    154

    Projekt “Hippos” der Stadt Jyväskylä; neben Sportanlagen auch Raum für Forschung, Entwicklung und Innovationen auf den Gebieten Gesundheit und Wellness sowie Start-up-Ökosystem für Smart Wellbeing; 100.000 qm brutto

    Krankenhaus, Helsinki

    Neubau

    2021-2024

    135

    Projekt “Tammisairaala” des Krankenpflegebezirks Helsinki und Uusimaa, Augenklinik; 200 Sprechzimmer, 15 Operationssäle, 35.000 qm brutto

    Gesundheitszentrum, Vantaa

    Neubau

    bis 2027

    115

    Stadtteil Tikkurila, neues großes Zentrum für Soziales und Gesundheit, 23.000 qm brutto

    Gesundheitszentren, Helsinki

    Neubau und/oder Umbau/Sanierung bestehender Gebäude

    bis 2030

    k.A.

    Die Stadt Helsinki will zahlreiche kleinere Gesundheitszentren schließen und die Dienstleistungen zentral in wenigen großen Einheiten für Gesundheit und Soziales bereitstellen. Ein Projekt ist das neue Gesundheitszentrum Kamppi in der Innenstadt: 16.383 qm brutto, 84,2 Mio. Euro

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    EU-Corona-Fördermittel für das finnische Gesundheitssystem

    Anfang Oktober 2021 erhielt Finnlands Aufbau- und Resilienzplan grünes Licht von der Europäischen Kommission. Dieser Schritt war notwendig, damit das nordische Land die Fördermittel aus dem sogenannten EU-Wiederaufbauplan abrufen kann. Insgesamt stehen dem Land rund 2,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Mittel sollen dabei helfen, die negativen Folgen der Coronakrise schneller zu überwinden. In den nationalen Aufbauplänen mussten die Länder aufzeigen, wofür sie die Gelder einsetzen wollen und welche (Zwischen-) Ziele erreicht werden sollen. 

    Finnlands Aufbauplan umfasst vier Säulen. Für die vierte Säule ist ein Budget von 405 Millionen Euro vorgesehen. Die Mittel sollen dafür eingesetzt werden, den Zugang zu Sozial- und Gesundheitsdiensten sicherzustellen sowie die Kosteneffizienz zu verbessern. Ziel ist es, den Rückstau bei Behandlungen abzubauen. Dies soll zum einen durch die bereits seit vielen Jahren geplante Reform im Sozial- und Gesundheitswesen gelingen. Zum anderen sollen neue digitale Dienstleistungen zum Einsatz kommen. Die vierte Säule umfasst fünf Investitionsvorhaben, die mit den Fördergeldern aus dem finnischen Aufbauplan umgesetzt werden sollen.  

    Geplante Investitionsvorhaben in der 4. Säule des finnischen Aufbauplans

    Investitionsvorhaben:

    1. Die Verwirklichung der Pflegegarantie wird vorangetrieben (einschließlich psychische Gesundheitsfürsorge) und der durch die Coronasituation verursachte Stau bei Behandlung, Rehabilitation und Dienstleistungen wird abgebaut.

    2. Die Verwirklichung der Pflegegarantie wird durch die Verbesserung von Prävention und Problemfrüherkennung gefördert. 

    3. Die Datenbasis für die Kosteneffizienz des Sozial- und Gesundheitswesens und die wirkungsbasierte Steuerung werden ausgebaut.

    4. Es werden digitale Innovationen in Dienstleistungsform eingeführt, um die Pflegegarantie umsetzen zu können.

    5. Kundenorientiertes digitales Pflegesystem auf Åland.


    Im finnischen Aufbauplan ist zu lesen, dass die Reduzierung des Versorgungsrückstaus und die Realisierung der Versorgungsgarantien durch den Einsatz von innovativen Betriebsmodellen gelingen soll. Als konkretes Beispiel werden unter anderem Arzttermine vor Ort sowie Lösungen im Bereich der Telemedizin genannt. Für eine bessere Prävention und Früherkennung von Gesundheitsproblemen sollen auf nationaler Ebene unter anderem Gesundheitsaudits und neue Instrumente zur Selbstbehandlung unterstützt werden.

    Für die im Rahmen des vierten Investitionsvorhabens angestrebte Einführung digitaler Innovationen für die Sozial- und Gesundheitsfürsorge sind insgesamt 100 Millionen Euro eingeplant. Damit sollen Maßnahmen zur Einführung digitaler Lösungen für die Unterstützung der Früherkennung von Problemen und verstärkte Inanspruchnahme von Präventionsdiensten bereitgestellt werden. Auch digitale Technologien zur Steigerung der Ressourceneffizienz und Erleichterung des Zugangs zu Dienstleistungen sind vorgesehen. Letzteres soll durch eine schnellere Bewertung des Pflegebedarfs und eine schnellere Überweisung sowie durch die Möglichkeiten im Bereich der Telemedizin gelingen. Ein konkretes Ziel dieses Vorhabens ist es, den Anteil der erwachsenen Bevölkerung, die elektronische Gesundheits- und Sozialdienstleistungen nutzen, von derzeit 25 Prozent auf 35 Prozent bis Ende 2025 zu erhöhen. 

    Für das fünfte Investitionsvorhaben sind im finnischen Aufbauplan 4,8 Millionen Euro eingeplant. Damit soll ein Gesundheitsinformationssystem für die medizinische Versorgung der selbstverwalteten Provinz der Åland-Inseln angeschafft werden. Dieses soll sowohl mit den Bedürfnissen der kommunalen Sozialdienste sowie der privaten Betreiber kompatibel sein. Bis Dezember 2025 sollen insgesamt 80 Prozent der kommunalen und privaten Sozial- und Gesundheitsdienste das neue System eingeführt haben. 

    Von Niklas Becker | Helsinki

  • Rahmenbedingungen und Marktzugang

    Finnland genießt einen guten Ruf als Forschungs- und Entwicklungsstandort für den Gesundheitssektor. Ein wichtiger Grund hierfür ist der einfache Zugang zu Gesundheitsdaten. 

    Wie in der gesamten Europäischen Union (EU) bieten sich in Finnland vier Hauptprozeduren zur Zulassung von Arzneimitteln an: nationales Verfahren, Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, dezentralisiertes Verfahren und zentralisiertes Verfahren. Die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneimitteln obliegt der finnischen Arzneimittelagentur Fimea.

    Anfang 2020 hat die Agentur auch die Aufsicht über Medizinprodukte von der nationalen Sozial- und Gesundheitskontrollbehörde Valvira übernommen. Dies umfasst beispielsweise auch die Aufsichts- und Registrierungspflichten von Biobanken. Auch die Erteilung von Genehmigungen für den Großhandel mit Arzneimitteln in Finnland unterliegt Fimea.

    Alle Institutionen der öffentlichen Hand veröffentlichen ihre Ausschreibungen im Internet. Die offizielle und frei zugängliche Plattform dafür ist der Online-Service Hilma. Informationen über Ausschreibungen werden auch auf den Seiten des Gemeindeverbandes publiziert. Beide Portale sind in den Landessprachen Finnisch und Schwedisch abgefasst. Ab den Schwellenwerten stellt Finnland öffentliche Ausschreibungen auch in die TED-Datenbank der EU ein.

    Heimische Produzenten exportieren den Großteil 

    Derzeit werden die Gesundheits- und Sozialdienstleistungen in Finnland durch 310 Gemeinden organisiert. Durch die beschlossene Reform werden diese Aufgaben zukünftig aber von den 21 neu geschaffenen Gesundheits- und Sozialregionen (hyvinvointialue) sowie der Stadt Helsinki übernommen. Nach Einschätzung des Branchenverbandes FiHTA wird dadurch die Zahl der potenziellen Käufer von Medizintechnik drastisch sinken. Gleichzeitig werden die Volumina der Käufe durch die Konzentration der Verantwortung laut Verband zunehmen. Es sei zum derzeitigen Zeitpunkt schwer zu sagen, ob sich dies auf die Markteintrittschancen kleiner Marktteilnehmer auswirken wird. Die großen Teilnehmer werden FiHTA zufolge aber auf jeden Fall von der Umstrukturierung profitieren.

    Das Volumen des finnischen Markts für Gesundheitstechnologien beläuft sich laut FiHTA auf mehr als 1 Milliarde Euro. Die heimischen Produzenten sind sehr exportorientiert. Die großen Firmen würden oftmals mehr als 95 Prozent ihrer Waren im Ausland absetzen. Trotz der großen Ausfuhrquoten verfügen die finnischen Unternehmen auf dem heimischen Markt über bedeutende Anteile. Der Hersteller von Produkten im Bereich der Zahnmedizin Planmeca beispielsweise exportiert 98 Prozent seiner Waren. Die verbleibenden 2 Prozent reichen jedoch aus, um 70 Prozent des finnischen Marktes für zahnmedizinische Produkte abzudecken.

    Das Importvolumen des finnischen Marktes für Gesundheitsprodukte beziffern die Experten auf rund 1 Milliarde Euro. Absatzchancen für Medizintechnik sieht FiHTA vor allem in der fachärztlichen Versorgung. In der medizinischen Grundversorgung sowie der Altenpflege spielen Technologien eine geringere Rolle. Kleinere Unternehmen haben es FiHTA zufolge im Markt schwerer, ihre medizintechnischen Produkte abzusetzen, da die Gemeinden bei der Beschaffung neuer Technik teilweise keinen ausreichenden Marktüberblick haben.

    Medizinische Forschung und Entwicklung in Finnland

    Finnland gilt bei Unternehmen der Medizinbranche als interessanter Standort für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie die Produktion von Medikamenten und medizinischen Geräten. Ein Grund hierfür ist das hohe Bildungsniveau der hierfür benötigen Fachkräfte und ihre Verfügbarkeit. Ein weiterer ist der Zugang zu umfangreichen Gesundheitsdaten. Finnland hat bereits in den 1990er Jahren mit der Einführung der digitalen Patientenakte begonnen. Mittlerweile liegen 100 Prozent der medizinischen Daten elektronisch vor. Unternehmen können für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diese Gesundheitsdaten digital zugreifen.

    Um die Arbeiten entsprechend zu unterstützen, hat die finnische Regierung in der Vergangenheit verschiedene Gesetze eingeführt: Seit 2013 gilt der sogenannte Biobank Act. Dieser soll die Forschung mit biologischen Proben unterstützen und zum anderen den Datenschutz der Patienten sicherstellen. Das 2019 eingeführte Gesetz zur Sekundärnutzung von Gesundheits- und Sozialdaten ermöglicht Firmen die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) konforme Nutzung der Gesundheitsdaten. Zugriff auf diese Daten kann bei der Genehmigungsbehörde für Gesundheits- und Sozialdaten Findata beantragt werden. Über die Finnische Biobank-Kooperation FINBB können Firmen Zugang zu öffentlichen Biobanken für Gewebe- und andere Bioproben erhalten. 

    Auch unter deutschen Unternehmen genießt Finnland einen guten Ruf. So gab Bayer im Sommer 2021 bekannt, an seinem Standort in Turku ein neues Pharmawerk zu bauen und gleichzeitig seine bestehende Produktionsstätte zu modernisieren. Insgesamt beläuft sich die Investitionssumme auf 250 Millionen Euro. "Finnland verfügt über eine lange Tradition der Spitzenforschung, ein hohes Maß an Fachwissen und ein sehr hohes Bildungsniveau. Wir brauchen dieses Zentrum als Exzellenzzentrum für polymerbasierte Technologie und klinische Forschung. Aus der Sicht eines internationalen Biowissenschaftsunternehmens ist Finnland ein guter Ort für Investitionen", berichtet Miriam Holstein, Geschäftsführerin von Bayer Nordic.  

    Von Niklas Becker | Helsinki

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest 

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft

    AHK Finnland

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministerium für Soziales und Gesundheit
    Nationales Institut für Gesundheit und Wohlfahrt (THL)

    Finnische Arzneimittelagentur (Fimea)

    U.a. zuständig für die Zulassung von Arzneimitteln

    Nationale Sozial- und Gesundheitskontrollbehörde (Valvira)
    Genehmigungsbehörde für Gesundheits- und Sozialdaten (Findata)

    Stellt anonymisierte Gesundheitsdaten für Forschungszwecke in Finnland zur Verfügung

    Finnische Biobank-Kooperation (FINBB)

    Stellt öffentliche Biobanken für Gewebe- und andere Bioproben für Forschungszwecke in Finnland zur Verfügung

    Online-Service Hilma

    Hier veröffentlichen alle Institutionen der öffentlichen Hand ihre Ausschreibungen

    OuluHealth

    Gesundheitscluster in der nordfinnischen Stadt Oulu

    FiHTA

    Medizintechnikverband

    Sailab

    Verband für Labortechnik und Gesundheitsprodukte

    Upgraded

    Verband für Start-ups im Gesundheitsbereich

    HIMSS Europe and Health 2.0

    Europäische Gesundheitskonferenz und -messe; Nächster Termin: 14.-16.6.2022 in Helsinki

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