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Special Grönland Wege aus der Coronakrise

Konjunktur und wichtigste Branchen

Die grönländische Wirtschaft wuchs selbst im ersten Pandemiejahr. Für 2021 steht die Ampel für nahezu alle Bereiche auf Grün. (Stand: 28. Juli 2021)

Von Michał Woźniak | Stockholm

Der bei der Regierung angesiedelte Wirtschaftsrat ging im Mai 2021 davon aus, dass die grönländische Wirtschaft dank der lange Zeit nur minimalen Infektionsrisiken im Jahr 2020 geringfügig gewachsen sei. Stützpfeiler dieser Entwicklung war einerseits der Privatkonsum, der durch nur kurzfristige Schließungen im Einzelhandel und bei Dienstleistungsanbietern kaum beeinträchtigt wurde. Für den anhaltenden Bauboom entpuppte sich der im Zuge der Einreisebeschränkungen weiter an Bedeutung gewinnende Fachkräftemangel ebenfalls als nur kleineres Hindernis. Er wird vor allem durch Infrastrukturprojekte der öffentlichen Hand angetrieben. Sie steuert nahezu die Hälfte der Wirtschaftsleistung bei, nicht zuletzt dank üppiger Überweisungen aus Kopenhagen.

Entwicklungsprognose für die grönländische Wirtschaft (Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in Prozent)

2021

2020

BIP

2,0

0,7

Öffentlicher Konsum

0,7

0,4

Privatkonsum

1,2

1,3

Bruttoanlageinvestitionen

5,2

0,9

Import 1)

2,0

-2,5

Export 1)

1,3

-5,0

1) Waren und DienstleistungenQuelle: Grønlands Økonomiske Råd 2021

Der wichtigste grönländische Wirtschaftssektor, die Fischerei, hatte vor allem mit Preisverfall auf den Weltmärkten zu kämpfen. Obwohl die Fangquoten stabil bleiben und im letzten Jahr einige neue Fischtrawler in Dienst gestellt wurden, sinken die Umsätze. Die größte Fischereigruppe des Landes - Royal Greenland - verzeichnete 2020 den ersten Verlust seit einem Jahrzehnt. Der Exportumsatz der Branche sank 2020 insgesamt um über 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die fortschreitende Impfkampagne in den wichtigsten Abnehmerländern gibt zwar Hoffnung, dass breitere Öffnungen von Restaurants und Gastronomie die Nachfrage ankurbeln, Prognosen bezüglich der Preisentwicklung bleiben für dieses Jahr aber wage. Deswegen hat die Regierung angekündigt, Fischereibetrieben vom Preisverfall verursachte Umsatzeinbußen zu erstatten.

Zukünftige Rohstoffförderung bleibt unklar

Schwer vorherzusagen ist auch die Zukunft der Rohstoffindustrie auf Grönland. Nach den Neuwahlen im April 2021 fand eine politische Neuorientierung statt. Eines der Hauptversprechen der neuen Regierung im Wahlkampf war die Einstellung jeglicher Aktivitäten in Zusammenhang mit der Förderung radioaktiver Rohstoffe. Mitte Juli 2021 folgte die Ansage, im Hinblick auf die Klimakrise Förderpläne für die reichen Rohölvorkommen des Landes aufzugeben. Andererseits trat das Land nahezu zeitgleich der von der Europäischen Union mitgetragenen Europäischen Rohstoffallianz (European Raw Materials Alliance) bei. Diese soll die Abhängigkeit Europas bei der Gewinnung kritischer Rohstoffe für Bereiche, wie Batteriebau oder Windkraft, reduzieren.

"Die Rohstoffallianz wurde zusammen mit der Liste von 30 kritischen Rohstoffen der Europäischen Kommission vorgestellt. Die meisten von ihnen sind in Grönland zu finden", schreibt die Regierung in einer offiziellen Pressemeldung. Sie gibt allerdings zu, dass die Wahrscheinlichkeit einer kommerziellen Nutzung der Vorkommen unterschiedlich hoch ist. Dennoch werde der Bergbauindustrie hohe Priorität eingeräumt. "Die Entwicklung der Industrie ist erwünscht, um die grönländische Wirtschaft zum Nutzen der Bevölkerung breiter aufzustellen", unterstrich die zuständige Ministerin Naaja Nathanielsen.

Sparquote gestiegen

Im Finanz- und Unternehmensdienstleistungssektor macht sich eine Verschlechterung der Lage bei einigen, eher kleinen Kundengruppen bemerkbar. Insgesamt scheint die Lage der Unternehmen aber stabil zu sein. Laut dem grönländischen Statistikamt Grønland Statistik (GS) legten Unternehmen 2020 zwar mehr Mittel zurück, doch auch ihre Kreditnachfrage stieg sichtlich - in beiden Fällen um knapp 8 Prozent.

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Über die gesamte Wirtschaft gesehen stiegen die Einlagen 2020 aber schneller als die Kreditaufnahme. Zumindest in den ersten drei Monaten 2021 drehte sich der Trend jedoch schlagartig. Eingezahlt wurden knapp 4 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, geliehen wurde dagegen über 9 Prozent mehr. Größtenteils dürfte dies auf die Beschleunigung bei den zahlreichen Flughafenprojekten zurückzuführen sein. Nachdem die Bruttoanlageinvestitionen 2020 nur knapp über dem Vorjahresniveau lagen, sollen sie dieses Jahr um über 5 Prozent zulegen.

Tourismus soll ab 2022 wachsen

Die Tourismusbranche wurde durch die Pandemie hart ausgebremst. Im Jahr 2020 erreichten die grönländischen Flughäfen mit 32.000 abgefertigten Passagieren kaum mehr als ein Drittel des Volumens der beiden Vorjahre. Die Zahl der Fluggäste, die nicht innerhalb Grönlands oder nach Dänemark reisten, sank sogar um über 90 Prozent. Kreuzfahrten blieben und bleiben der Insel weiterhin gänzlich fern.

Das zur Unterstützung des Inlandstourismus aufgelegte Aktivitätspaket kann das Geschäft der Hoteliers nicht vollständig retten. Die Zahl der Übernachtungen von Inlandsgästen sank 2020 um nahezu 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Minus bei ausländischen Kunden lag bei 60 Prozent. Einen Hoffnungsschimmer boten zumindest die Daten für März dieses Jahres (die letzten verfügbaren): Das Vorkrisenniveau wurde bei weitem nicht erreicht, das Vorjahresniveau aber um über die Hälfte überboten.

Die Einreisevereinfachungen für Geimpfte sowie eine Platzierung der Hauptstadt Nuuk unter den 100 besten Reisezielen der Welt des Magazins TIME sorgen zumindest bei der grönländischen Tourismusagentur für Zuversicht. Ihr Direktor Hjörtur Smárason erwartet bereits 2022 einen Ansturm auf Vorpandemieniveau und peilt 100.000 Besucher an.

Arbeitsmarkt resistent

Spätestens dann dürften alle Mitarbeiter der Branche zur Vollzeitbeschäftigung zurückkehren. Tourismusnahe Betriebe sind die einzigen, die Kurzarbeitsgeld erhalten. Eine Zunahme der Arbeitslosigkeit machte sich während der Krise indes kaum bemerkbar. Weniger als 5 Prozent der arbeitswilligen Bevölkerung blieben ohne Anstellung. Unter Berufsschulabgängern war die Quote halb so hoch, bei Hochschulabsolventen herrscht Vollbeschäftigung. Entsprechend bleibt der Fachkräftemangel langfristig auch die größte Sorge der Unternehmen. Vor allem technisches Personal und Bauarbeiter stehen hoch im Kurs.

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