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Branchen | Indien | Abfallwirtschaft

Indien muss 65 Milliarden US$ in Kreislaufwirtschaft investieren

In Indien wächst das Geschäft mit der Abfallbehandlung. Der Branchenumsatz könnte bis 2024 auf 3,5 Milliarden US-Dollar (US$) zulegen.

Von Boris Alex | New Delhi

Der Investitionsbedarf in der indischen Kreislaufwirtschaft ist gewaltig. Zwar bemüht sich die Regierung seit 2015 die Abfallsammlung, -verwertung und -entsorgung zu verbessern, doch die Herausforderungen für die Städte und Kommunen sind enorm. Denn vor allem in den Ballungszentren wachsen die Müllberge immer schneller. Steigende Einkommen, ein moderner Einzelhandel und der boomende E-Commerce sorgen für immer mehr Verpackungsmüll. Und auch beim Elektroschrott zählt Indien inzwischen zu den Ländern mit den höchsten Wachstumsraten.

Die Prognosen zu Indiens künftigem Müllaufkommen sprechen eine deutliche Sprache: In den städtischen Gebieten fielen 2020 etwa 62 Millionen Tonnen feste Haushaltsabfälle an. Bis 2030 solle das Volumen allein hier auf 165 Millionen Tonnen steigen, schätzt der Industrieverband Associated Chambers of Commerce of India (ASSOCHAM). Zwar werden indienweit etwa 75 Prozent des Haushaltsmülls eingesammelt, davon aber nur ein Viertel weiterverarbeitet und sachgerecht entsorgt. In den Großstädten beträgt der Anteil immerhin 60 Prozent, so die Daten des Umweltministeriums Ministry of Environment, Forest and Climate Change.

160 Großprojekte in der Abfallwirtschaft in der Pipeline

Um diese Lücke zu schließen, müssten bis 2030 Investitionen von 65 Milliarden US$ in die Kreislaufwirtschaft fließen, schätzt das Ministry of Housing and Urban Affairs (MoHUA). Die Abfallbehandlung ist einer der Schwerpunktsektoren im fast 2 Billionen US$ schweren Infrastrukturprogramm der indischen Regierung.

Die Investitionsbehörde India Investment Grid führte im April 2021 rund 160 Vorhaben mit einem Volumen von 2,2 Milliarden US$ in ihrer Datenbank. Die Projekte erstrecken sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der geregelten Abfallsammlung über den Bau von Anlagen zur Sortierung und Behandlung bis hin zu Müllverbrennungs- und Waste-to-Energy-Werken. Neben den Großprojekten der Zentralregierung befinden sich viele kleinere Vorhaben auf Ebene der Bundesstaaten und der Kommunen in der Pipeline. 

Die geplanten Investitionen dürften für zusätzliches Wachstum in der Abfall- und Recyclingwirtschaft sorgen. Lag deren Jahresumsatz 2017 noch bei 2,5 Milliarden US$, soll er bis 2024 um 40 Prozent auf 3,5 Milliarden US$ zulegen, schätzt die indische Statistikbehörde Ministry of Statistics and Program Implementation.

Regierungsprogramm bis 2026 verlängert

Die Anbieter von Ausrüstung und Dienstleistungen für die Kreislaufwirtschaft setzen dabei auch auf die Verlängerung des Förderprogramms Swachh Bharat Mission (SBM). Dies wurde Ende 2014 von der indischen Zentralregierung gestartet und hat unter anderem zum Ziel, die Abfallbehandlung in den Städten und auf dem Land zu verbessern. Mit dem Haushaltsentwurf für das Finanzjahr 2021/22 (1. April bis 31. März) wurde die zweite Phase eingeläutet. Dabei stehen eine verbesserte Abfalltrennung beim Verursacher, die Reduzierung von Plastikmüll, die Sanierung von Deponien sowie der Ausbau der Abfallentsorgung in Müllverbrennungs- und Waste-to-Energy-Anlagen in den städtischen beziehungsweise in Biogasanlagen in den ländlichen Gebieten auf der Agenda. Die Regierung plant für das sogenannte SBM 2.0 bis 2026 Budgetmittel in Höhe von fast 19 Milliarden US$ ein.

Indien hat bei der Abfallsammlung in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte erzielt. Inzwischen wird in 95 Prozent der rund 86.000 Stadtbezirke der Haushaltsmüll an der Türe abgeholt - in doppelt so vielen wie noch 2015, so die Zahlen des MoHUA. Allerdings ist dieser Prozess kleinteilig organisiert, kaum automatisiert und nicht besonders effizient. Zahlreiche Städte und Gemeinden müssen daher in eine professionelle Sammelinfrastruktur investieren. Hyderabad will bis Ende 2021 beispielsweise 650 Müllwagen mit einer Kapazität von je 4,5 Tonnen anschaffen. Daneben sollen in Indiens viertgrößter Stadt 50 zentrale Sammel- und 17 Müllumschlagstationen eingerichtet werden. Die Städte setzen außerdem auch auf digitale Lösungen wie zentrale Abfallbehälter mit Radio Frequency Identification (RFID)-Chips oder Tracking-Applikationen für Müllfahrzeuge.

Mülltrennung könnte bald Aufgabe der Haushalte sein

Die Trennung des Abfalls wird von den Müllsammlern übernommen, doch künftig sollen hierfür die Verursacher verantwortlich sein. Was bereits für Unternehmen, Restaurants und zum Teil auch für große Wohnungsgenossenschaften gilt, könnte schon bald auch für private Haushalte - zumindest in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern - Realität werden. Damit will Indien die Recyclingquote von Wertstoffen wie Papier, Glas und Plastik erhöhen. Vor allem bei Kunststoff besteht dringender Handlungsbedarf: 40 Prozent des Plastikmülls werden nicht gesammelt und recycelt, schätzt die Federation of Indian Chambers of Commerce & Industry (FICCI). Bis 2031 sollen sich die jährlich anfallenden Kunststoffabfälle auf 31 Millionen Tonnen mehr als verdreifachen. Der Industrieverband beziffert das Geschäftspotenzial allein in diesem Segment auf 2 Milliarden US$ pro Jahr.

Beim Elektroschrott ist der Nachholbedarf noch viel größer. Hier kann die Sammel- und Recycling-Infrastruktur mit dem rasant wachsenden Aufkommen kaum mithalten. Offiziellen Angaben zufolge fielen im Finanzjahr 2019/20 rund 1 Million Tonnen an, ein Viertel mehr als in der Vorperiode. Laut ASSOCHAM dürften es aber eher 5 Millionen Tonnen sein. Doch lediglich 10 Prozent davon werden gesammelt und weiterverarbeitet. Zwar ist die Zahl der offiziellen Recyclingstationen für ausrangierte elektronische Geräte auf inzwischen gut 300 gewachsen, deren Kapazitäten reichen aber bei Weitem nicht aus. ASSOCHAM beziffert das Geschäftspotenzial daher auf 3 Milliarden US$ pro Jahr. Die Regierung von New Delhi hat im April 2021 angekündigt, drei Recyclingparks für Elektroschrott zu errichten. Der ostindische Bundesstaat West Bengal will knapp 30 Millionen US$ in solche Anlagen investieren.

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