Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special | Indonesien | Smart Farming

Agrarwirtschaft: Struktur erschwert Agrar-Innovation

Indonesiens Landwirtschaft ist unterentwickelt, und die Bewirtschaftung kleiner Flächen behindert den Fortschritt. Dennoch entstehen vielerorts Smart-Farming-Initiativen.

Von Frank Malerius | Jakarta

Indonesien ist längst eine Dienstleistungsgesellschaft, die Landwirtschaft trägt nur noch 13 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Dennoch hat der Agrarsektor des Archipels eine enorme Bedeutung, weil er etwa 30 Prozent aller Arbeitskräfte absorbiert. Allerdings ist er schwach entwickelt. Er ist kleinbäuerlich geprägt und leidet infolgedessen unter geringer Produktivität. Die bewirtschafteten Flächen sind oftmals so klein, dass ein erheblicher Teil der Bauern als Netto-Nahrungsempfänger gilt.

Als eine Folge dieser Marktstruktur ist der Archipel in steigendem Maße auf Nahrungsmittelimporte angewiesen, 2020 wurden dafür 15,4 Milliarden US-Dollar (US$) aufgewendet. Das riesige und fruchtbare Land mit seinem günstigen Klima verzeichnete seinen letzten Außenhandelsüberschuss mit Nahrungsmitteln im Jahr 2006. Bei nahezu allen Grundnahrungsmitteln ist Indonesien von Einfuhren abhängig, seien es Reis, Weizen, Mais, Soja, Rindfleisch, Milch, Knoblauch, Zucker oder Salz. Selbst die traditionelle heimische Küche basiert längst auf Importen. Auch drei Viertel des Kochgases müssen eingeführt werden.

Cash Crops verdrängen Nahrungsmittelanbau

Die Landwirtschaft ist geprägt vom Palmölanbau. Er erstreckt sich nach Angaben des Statistikamtes BPS über eine Fläche von 14,9 Millionen Hektar. Das ist etwa ein Viertel der gesamten indonesischen Agrarfläche und entspricht der gemeinsamen Ausdehnung von Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Palmöl ist nach Kohle das zweitwichtigste Ausfuhrgut des Landes.

Bild vergrößern

Wichtige, nahezu ausschließlich kleinbäuerlich erzeugte Exportgüter sind Kautschuk, Kakao und Kaffee. Sie verdrängen den Nahrungsmittelanbau, weil sie den Bauern bessere Einkommenschancen versprechen.

Auch wenn es für Indonesien volkswirtschaftlich wenig sinnvoll ist, auf einen möglichst hohen Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln zu setzen, hat dieser dennoch eine große psychologische Bedeutung im Land. Denn viele ältere Menschen können sich noch gut an Zeiten der Unterversorgung erinnern. Sobald die Regierung Reis aus Thailand, Vietnam oder Indien importiert, ist die öffentliche Empörung über diese Abhängigkeit groß.

Bild vergrößern

Diese Befindlichkeit ist Ansporn für die Ausweitung der Landwirtschaft und den Einsatz von Smart Farming. Die Regierung hat in mehreren Regionen sogenannte Food Estates geschaffen, deren Erträge gezielt Nahrungsmittelimporte substituieren sollen. Zu den größten gehört das 32.000 Hektar umfassende Food Estate in Zentralkalimantan.

Eckdaten zur Landwirtschaft und Infrastruktur in Indonesien

2020

Einwohner (in Millionen)

273,5 

landwirtschaftliche Nutzfläche (in 1.000 Hektar)

63.3001)

Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in Prozent)

13,3 2)

IMD Digital Competitiveness Ranking

56

1) 2018; 2) 2019Quelle: UN; FAO; IMD

Keine umfassende Smart-Farming-Strategie 

Vielerorts im Archipel sind kleinere Initiativen entstanden: Drohnen helfen bei der Schädlingsbekämpfung, Sensoren überwachen den Säuregehalt des Bodens. Apps bieten den Bauern aktuelle Informationen über das Wettergeschehen und helfen bei der Einsparung von Düngemitteln.

Junge Gründer bestimmen dabei das Bild, wie etwa der Smart-Farming-Anbieter Mitra Sejahtera Membangun Bangsa ("Partner für den nationalen Ausbau"). Das Unternehmen bekam auf der digitalen Hannover Messe im April 2021 den Hermes Award in der Kategorie Start-up verliehen. Es wurde 2018 gegründet und bietet vom Einsatz von Boden- und Wettersensoren, der Drohnendüngung bis hin zu Cloudlösungen ein breites Portfolio an Leistungen, die vielerorts zum Einsatz kommen, sei es bei der Ernteoptimierung von Melonenbauern in Yogyakarta oder im Nach-Ernte-Management von Mais in Nusa Tenggara Timur, dem rückständigen Südosten des Archipels.

In einigen Bereichen kommen digitale Technologien aber auch im größeren Maßstab zur Anwendung: So wird etwa die Gesamtfläche der Reisfelder Indonesiens mithilfe von Satellitenbildern bestimmt, um zuverlässiger Ernteerträge prognostizieren zu können und gegebenenfalls die Lagerhaltung durch Importe auszuweiten. 

Ein weiteres Beispiel bietet der deutsche Reifenhersteller Continental, der in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bei seinem nachhaltigen Anbau von Kautschuk in der Provinz Westkalimantan eine digitale Tracking-Technologie verwendet. Sie macht das Produkt entlang der gesamten Wertschöpfungskette rückverfolgbar - vom Kleinbauern bis in die Fabrik. Technologiepartner ist das auf landwirtschaftliche Lieferketten spezialisierte indonesisch-schweizerische Tech-Unternehmen Koltiva. 

Staatliche Förderung notwendig

Dennoch steckt Smart Farming noch in den Kinderschuhen. Eine umfassende Regierungsstrategie mit einer Roadmap, einem fixen Budget und definierten Entwicklungszielen ist nicht bekannt. Dennoch gibt es öffentliche Förderung. So werden mehrere Initiativen vom Landwirtschaftsministerium, dem Ministerium für Information und Kommunikation, dem staatlichen Mobilfunkkonzern Telkom sowie der staatlichen Bank Negara Indonesia (BNI) unterstützt.

Beispielsweise fördert die BNI in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium seit 2020 sechs Smart-Farming-Projekte in den fünf Provinzen West-, Zentral- und Ostjava sowie West- und Nordsumatra. Die Bank bringt Technologie-Start-ups und Bauern zusammen und bietet eine günstige Projektfinanzierung. Schwerpunkte sind Präzisionsdüngung und Schädlingsbekämpfung. Darüber hinaus wird Bauern mithilfe von Apps und Sensoren vermittelt, wie Niederschläge, Temperatur und Bodenbedingungen mit dem Düngemittelbedarf zusammenhängen.

Neben Ministerien und Staatsunternehmen gehören Universitäten wie etwa die Fakultät für Agrartechnik und Biosysteme der renommierten Universität Gadjah Mada in Yogyakarta zu den Treibern der Entwicklung. Die meisten Smart-Farming-Projekte sind aber direkt oder indirekt auf staatliche Unterstützung angewiesen. Denn Kleinbauern können sich ihre Dienste nicht leisten. 

Einige Hindernisse beim Einsatz von Smart Farming sind der Geographie des Archipels geschuldet. Denn jenseits der Ballungszentren gibt es oft nur eine schlechte, in abgelegenen Regionen auch manchmal gar keine Internetverbindung. Auch die Stromversorgung hat mancherorts Lücken.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.